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Klimaschädlich oder nicht?Euskirchener Ortsumgehung erneut in der Diskussion

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Die So-da-Brücke steht für die nicht realisierte Straße. 

Euskirchen – Kommt die B 56n nun doch? Sogar schneller als von den einen erhofft und von den anderen befürchtet? Der Kreistag hat die Verwaltung am Mittwoch beauftragt, die Landesregierung zu einem raschen Genehmigungsverfahren aufzufordern. Grüne und Linke stimmten dagegen, CDU, SPD, FDP, UWV und AfD dafür.

Eigentlich war die Ortsumgehung auf Jahre hinaus vom Tisch. Für die Bundesregierung gab es 2016 wichtigere Vorhaben. Im damals aufgelegten Bundesverkehrswegeplan, der bis 2030 gilt, fungierte die B 56n nur noch unter „Weiterer Bedarf“. Man könnte auch sagen: Wird vorerst nichts! Doch dann kam der für 2038 geplante Kohleausstieg und mit ihm das „Strukturstärkungsgesetz Kohleregion.“ Und da wird die B 56n ausdrücklich genannt. Die Befürworter hoffen nun wieder.

Sollte das Verfahren tatsächlich in Gang kommen, dürfte es bis zur Realisierung bestimmt noch zehn Jahre dauern, erklärte der Pressesprecher des Euskirchener Landesbetriebes Straßen NRW, Bernd Aulmann: „Das ganze Verfahren müsste von vorne beginnen“ – also Vorplanung, Offenlegung, Einsprüche, Planung und, und und... 

„Die Bedeutung der B 56n ist sehr hoch”

Die Kosten für die rund sieben Kilometer lange Strecke dürften laut Experten bei grob 50 Millionen Euro liegen. Geld, das die Grünen viel lieber ins Schienen- als ins Straßennetz investiert sähen. Es sei geradezu widersinnig, mit dem Geld, das die Folgen des Kohleausstiegs ausgleichen soll, nun Straßen zu bauen, die wiederum für klimaschädlichen Individualverkehr sorgen würden, argumentierten Grüne und Linke. „Jeder Euro, der für die Straße ausgegeben wird, fehlt für die Schiene“, stellte Dorothee Kroll klar.

Die Redner der anderen Fraktionen schüttelten den Kopf über diese Argumentation. Durch den Bau würde nicht mehr Kohlendioxid in die Luft geblasen, sondern weniger, hielt CDU-Fraktionsvize Günter Weber dem entgegen. Weil der Verkehr dann fließe und sich nicht durch die Euskirchener Kernstadt, Kessenich und Kuchenheim quälen müsse.

Das sieht man in der Euskirchener Stadtverwaltung ähnlich: „Die Bedeutung der B 56n ist für die Stadt sehr hoch, weil der Verkehr von der A 1 in Richtung Gewerbegebiete über die Ringe der Kernstadt und die Kessenicher und Kölner Straße verlaufen“, erklärt der Technische Beigeordnete Oliver Knaup. Eine Verkehrszählung im Jahr 2015 habe 15 000 Fahrzeuge am Tag an der Kreuzung Kessenicher Straße/Jülicher Ring ergeben. Mit der B 56 n würde es zu einer ganz erheblichen Entlastung des innerstädtischen Straßensystems kommen, so Knaup: „Die dort dicht lebende Bevölkerung würde erheblich von Immissionen entlastet.“

Wie soll es in Kuchenheim weitergehen?

Und Kuchenheim? „Sollte die B 56n bis zur L 210 ausgebaut werden, wäre auch eine Entlastung für Kuchenheim wahrscheinlich“, sagte der Technische Beigeordnete. Für den Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Kreistag, Jörg Grutke, wäre der Bau der B56 n hingegen ein weiterer Fehler, der auf früheren Fehlern aufbaue. „Weil niemand den Mumm hat, eine bessere Verkehrsführung herbeizuführen“, so Grutke.

Es sei nämlich nicht gelungen, den Lkw-Verkehr konsequent vom und zum IPAS zur A 61-Anschlussstelle Heimerzheim zu leiten. Wegen der Lkw-Maut nutzten die Fahrer die A 1-Abfahrt Weilerswist über die neu gebaute Umgehungstrasse L163 n und belasteten auf ihrem Weg in die Industriegebiete Euskirchen und Weilerswist die Anwohner. „Damit sparen die Lkw-Unternehmen die Mautgebühren für wenige Kilometer“, so Grutke. Die Schließung der Anschlussstelle zur A 61 in Weilerswist habe das Problem nur verlagert.

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Grutkes Sorge: Würde die B 56n gebaut, müssten wiederum Orte entlastet werden – durch weitere Umgehungen. „Dann wird sicherlich die Osttangente insbesondere von Weilerswist gefordert“, fürchtet Grutke: „Eine ungenügende Verkehrslenkung darf nicht reflektorisch weitere Straßenbaumaßnahmen nach sich ziehen. Eine erhebliche Entlastung der betroffenen Anwohner ist mit relativ einfachen Maßnahmen der Verkehrslenkung ohne weitere Straßenbauprojekte herbeizuführen und dabei sind gerade im vorliegenden Fall noch lange nicht alle Optionen ausgereizt.“

Ob die Grünen tatsächlich eine Schienenstrecke um Euskirchen bauen wollten, fragte UWV-Sprecher Franz Troschke: „Ich bin entsetzt.“ Die Verkehrsexperten Hans Schmitz (SPD) und Bernd Kolvenbach (CDU) sehen in einer Realisierung auch größere Chancen für die Vermarktung der LEP-6-Fläche, jenes 205 Hektar große Gebiet, das das Land für einen Industriebetrieb freihalten möchte. Hier gehe es um Arbeitsplätze, so Schmitz und Kolvenbach. Dass eine Ortsumgehung zur raschen Vermarktung der Fläche führen würde, bezeichnete Kroll als „Schein-Korrelation“.

Hans Reiff (FDP) erinnerte daran, dass die Umgehung schon „eineinhalb Generationen“ beschäftigt habe. „Man kann Umweltschutz mit Ideologie betreiben“, sagte er in Richtung der Grünen. Man könne aber auch darüber nachdenken, dass CO2 eingespart werde, wenn der Verkehr fließe und weniger Kraftstoff verbrauche.