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Euskirchen senkt BeiträgeHier können Sie berechnen, ob die Kita bald kostenlos ist

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KITA_dpa

Die Kita-beiträge im Kreis Euskirchen sollen deutlich geringer werden. (Symbolbild)

Kreis Euskirchen – In Sachen Öffentlichkeitsarbeit ist die SPD mächtig auf Zack. Zwar werden die neuen Kita-Beiträge erst am 10. April im Kreistag aller Wahrscheinlichkeit nach beschlossen, doch schon heute können Eltern auf der Homepage des Kreisverbandes (spd-eu.de/kita) per Online-Rechner erfahren, was sie an Beiträgen ab Sommer sparen werden.

Wer ein Brutto-Jahreseinkommen bis zu 37 000 Euro hat, kann sich das sparen: bis dahin gilt künftig Beitragsfreiheit. Die ist derzeit Eltern vorbehalten, die auf weniger als 15 000 Euro kommen. Mehr als die Hälfte aller rund 5000 Kita-Kinder werden künftig betreut, ohne dass ihre Eltern dafür zahlen müssen, stellt der SPD-Jugendhilfeexperte Emmanuel Kunz fest: „Keiner zahlt mehr, aber viele weniger.“

Denn auch in den folgenden Einkommensklassen (siehe Tabelle rechts) werden die Beiträge nur mäßig angehoben. Endet die Staffelung derzeit noch bei 62 000 Euro, kommen nun die drei Stufen – bis 80 000 Euro sowie bis und ab 100 000 Euro – hinzu. Aber selbst Familien mit einem Einkommen von mehr als 100 000 Euro müssen künftig nicht mehr bezahlen als jene, die derzeit in die Kategorie ab 62 000 Euro fallen.

Steuererhöhungen wegen gesenkter Kita-Beiträge?

Vor allem in der Entlastung unterer Einkommen sieht SPD-Chef Markus Ramers einen „Meilenstein“. Er hatte sich zwar immer für völlige Beitragsfreiheit starkgemacht, doch es sei ein guter Kompromiss mit der CDU gefunden worden. „Wir wollten die Tabelle familienfreundlicher gestalten, hatten dabei aber immer auch die Haushalte der Städte und Gemeinden im Auge“, so CDU-Fraktionschefin Ute Stolz.

Die Begeisterung der Kreistags-GroKo teilen die Bürgermeister allerdings nicht. Denn jeder Euro, den die Eltern sparen, muss von woanders herkommen – in diesem Fall weitgehend über die Kreisumlage, die die elf Städte und Gemeinden zahlen. In einem eindringlichen Schreiben an Landrat Günter Rosenke und die Fraktionschefs im Kreistag warnten zuletzt fünf Rathauschefs, dass zum Ausgleich Steuererhöhungen nötig werden könnten.

Präsentierten die neue Beitragsstaffelung: Ute Stolz (v.l.), Bernd Kolvenbach, Emmanuel Kunz und Markus Ramers.

„Wir bitten daher Kreistag und Verwaltung, die in der Diskussion stehende Reduzierung der Elternbeiträge nicht umzusetzen“, heißt es in dem Schreiben, das Dr. Uwe Friedl (Euskirchen), Anna-Katharina Horst (Weilerswist ), Ulf Hürtgen (Zülpich), Dr. Hans-Peter Schick (Mechernich) und Rudolf Westerburg (Hellenthal) unterschrieben haben.

SPD und CDU sehen kein Probleme bei der Finanzierung

Doch die Koalitionsspitzen im Kreistag weisen das zurück: Die 2,1 Millionen Euro würden längst nicht vollständig zulasten der Kommunen gehen, ab Sommer 2020 werde ja das Land die Kosten für ein weiteres Kindergartenjahr übernehmen. Im laufenden Jahr fielen die Mindereinnahmen nur für die letzten fünf Monate an: fast 900 000 Euro. Davon müsste die Stadt Euskirchen etwa ein Drittel aufbringen.

Komplexe Finanzierung der Kitas

I140 Kindertagesstätten gibt es derzeit im Kreis. 5149 über Dreijährige und 1321 unter Dreijährige (darunter etwa 200 unter Zweijährige) werden dort betreut. In die Tagespflege gingen 2018 153 Kinder, die unter zwei Jahre alt sind, sowie 160 über Zweijährige. Die Kitas werden von insgesamt 30 Trägern betrieben, etwa vom Deutschen Roten Kreuz, der Caritas, der Diakonie, der Arbeiterwohlfahrt, von einigen Kommunen sowie von Elterninitiativen.

Kirchliche Träger erhalten vom Kreisjugendamt einen Zuschuss von 88 Prozent der an den Kindpauschalen orientierten Betriebskosten (inklusive Miete). Freie Träger erhalten 91, Elterninitiativen 96 und kommunale Träger 79 Prozent. Der Landeszuschuss ans Jugendamt ist auch differenziert: für Mittel an kirchliche Träger erhält das Amt einen Zuschuss von 36,5 Prozent, für Mittel an Freie Träger 36, für Mittel an Elterninitiativen 38,5 und für Mittel an kommunale Träger 30 Prozent. In der Gesamtfinanzierung geht das Land NRW von Elternbeiträgen in Höhe von 19 Prozent der Kosten aus, die fast von keinem Jugendamt erreicht werden. (sch)

„Wenn die Stadt das bei einem Haushaltsvolumen von 154 Millionen nicht ohne Steuererhöhungen hinbekommt, würde ich mich mal gerne mit Dr. Friedl und seinem Kämmerer unterhalten“, so Ramers. Auch Ute Stolz findet: Zugunsten der Familien sollte es möglich sein, Prioritäten im Etat anders zu setzen. Und Kunz erinnert daran, dass „in Sonntagsreden immer die Familie hochgehalten wird“. Nun sollten Taten folgen. Im Vergleich zu anderen Kreisen seien die Eltern hierzulande viel zu lange viel zu stark belastet worden.

Ansturm auf höhere Betreuungszeiten?

Auch die Befürchtung der Bürgermeister, dass bei wegfallenden beziehungsweise niedrigeren Beiträgen die Eltern verstärkt höhere Betreuungszeiten wählen würden, sehen die Koalitionäre nicht so dramatisch: Das Gros der Eltern wähle ohnehin die 35 Wochenstunden – für das kommende Kindergartenjahr sind es 64,5 Prozent.

Nur 8,4 Prozent wählten die 25 Stunden, ein massenhafter Wechsel zur 35-Stunden-Betreuung sei also mathematisch gar nicht möglich. Und 45 Stunden bekämen ohnehin ausschließlich Eltern, die diesen Bedarf hinreichend begründen könnten, so der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses (JHA), Bernd Kolvenbach (CDU): „Wir wollen damit sicherstellen, dass gerade Kinder unter einem Jahr nur in begründeten Ausnahmefällen für 45 Stunden in einer Kita untergebracht werden.“

Bürgermeister: Kita sei familienergänzend und nicht familienersetzend

Die fünf Bürgermeister ziehen für ihre Argumentation das Sozialgesetzbuch heran. Die Erziehung liege in der vorrangigen Verantwortung der Eltern, heiße es dort. Die Familie sei der erste Lern- und Bildungsort des Kindes. Und weiter: „Die Bildungs- und Erziehungsarbeit in den Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege ergänzt die Förderung des Kindes in der Familie.“

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Der Staat sei also familienergänzend und nicht familienersetzend tätig, so die Verwaltungsleitungen der fünf Kommunen. Mit dieser Einschätzung sollten keinesfalls die persönlichen Lebensentwürfe von Erziehungsberechtigten in Frage gestellt oder kritisiert werden, erklärten die Bürgermeister. Wenn aber diese Rangfolge für Kitas gelten solle, „sollte sie auch für die Finanzierung dieser Angebote gelten“, heißt es in dem Schreiben.

Bürgermeister sprechen von „Kommunalisierung“ der Kita-Kosten

Ihre Ablehnung bekundeten die Verwaltungschefs auch am Mittwochmorgen in der Kreis-Sozialkonferenz, wie Manfred Poth, der Allgemeine Vertreter des Landrats, im Kreisausschuss berichtete: Dort hätten sie eine „Kommunalisierung“ der Kita-Kosten beanstandet.

Unterdessen sehen weitere Pläne des JHA eine „Qualitätsoffensive“ vor, die die Weiterbildungsmöglichkeiten der Erzieherinnen sowie die Verpflegung der Kinder verbessern soll. Für eine Ausweitung der Öffnungszeiten sei derzeit kein ausreichender Bedarf festzustellen. Aber auch das werde weiter beobachtet. Die Eltern würden dazu über den Kita-Navigator um Auskunft gebeten.