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Bilanz im Kreis EuskirchenSo geht es bei den Grünen nach der Kommunalwahl weiter

Lesezeit 6 Minuten
Hans-werner ignatowitz

„Wir sind zufrieden“, fasste Hans-Werner Ignatowitz das Wahlergebnis zusammen. Mehr ist wohl zurzeit auch nicht drin.

  1. Die Kommunalwahl ist vorbei, und sie lieferte teilweise überraschende Ergebnisse.
  2. Doch wo stehen die wichtigen Parteien? Welche Lehren sollten sie ziehen?
  3. Diesen Fragen gehen wir in einer Serie nach. Heute: Bündnis 90/Die Grünen.

Kreis Euskirchen – Tja, was macht man nun mit einem solchen Wahlergebnis? 5,4 Prozentpunkte zugelegt! Nicht schlecht, aber im Landesschnitt waren es 7,0. Mit 15,1 Prozent in den Kreistag? Beachtlich, doch bei der Europawahl vor anderthalb Jahren waren es kreisweit 18,4 Prozent. Das ist wie Müsli ohne Milch, wie Elektrofahrrad ohne Strom, wie Habeck ohne Baerbock.

Und dann wollen diese neugierigen Journalisten nun, kaum dass die Stimmen an diesem 13. September ausgezählt sind, auch noch wissen, wie die Führung der Kreisgrünen das Ganze einschätzt. Hans-Werner Ignatowitz sucht nach dem passenden Wort, das zur Sprachregelung taugt und nicht bei den Freundinnen und Freunden für Schnappatmung sorgt – und findet es: „Wir sind zufrieden.“ Man will ja auch nicht undankbar sein. Doch warum klingt „zufrieden“, als sei es die kleine Schwester von „enttäuscht“?

Zurück auf Platz drei

Parteitag

Die Grünen im Kreis veranstalten am Mittwoch ab 19 Uhr ihre nächste Mitgliederversammlung. Sie findet zwar im Netz statt, ist aber öffentlich. Infos zur Registrierung von Gästen gibt es auf folgender Seite:

www.gruene-euskirchen.de/info-kmv

Vielleicht, weil die Grünen bei der Europawahl die SPD mit zwei Prozentpunkten hinter sich gelassen hatten, sich nun aber bei der Kreistagswahl mit 8,4 Punkten Rückstand wieder auf Platz drei einordnen müssen? Brüssel oder Straßburg sind nun mal weiter weg, das lockert womöglich so manches Handgelenk beim Kreuzchenmachen und verleitet den ein oder anderen Wähler dazu, mal was ganz Verrücktes zu machen. Und sei es, die Grünen zu wählen.

Bei der Kommunalwahl jedoch gelten andere Regeln. Mit seinen 9,4 Prozent bei der Landratswahl zeigte sich Ignatowitz, man ahnt es schon, zufrieden. Wenn man mit den großen Jungs Ramers und Winckler spielen will, sollte man zumindest pünktlich auf dem Platz stehen.

Doch als die Grünen corona-bedingt ihre für Februar geplante Nominierung des Landratskandidaten erst im Juni vollzogen, waren die CDU und vor allem die SPD bereits voll im Wahlkampfmodus. Ignatowitz kämpfte tapfer, machte eine gute Figur, war aber schon abgeschlagen, als er loslegte. Nicht seine Schuld! Einige Grüne konnten es aber dann auch gar nicht abwarten, sich nach Schließung des ersten Wahlgangs digital den Ramers-Button in den Sozialen Netzwerken anzuheften. Manche taten das sogar vorher.

Respektable Kandidaten

Dabei hatten die Grünen mit Ignatowitz im Kreis und mit Stephanie Burkhardt in der Stadt Euskirchen zwei respektable Bewerber für die Chefposten in den Verwaltungen präsentiert, bei denen auch konservative Gemüter nicht gleich den Hund von der Kette lassen, wenn sie sich ihrem Gehöft nähern.

Vor allem über das Auftreten von Burkhardt war in Euskirchen so viel Gutes zu vernehmen, dass angesichts ihrer 16,7 Prozent am Wahlabend dann doch die Mundwinkel der Grünen der Schwerkraft erlagen.

Immerhin hat sie mit ihrem Auftreten den Ratsgrünen zu sagenhaften 18,3 Prozent und damit zum kreisweit parteiinternen Rekord verholfen – dicht gefolgt von Weilerswist mit glatten 18 Prozent. Dort spielte es wohl eine Rolle, dass sie die letztlich siegreiche Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst zwar nicht offiziell unterstützten, sich aber auch nicht der Anti-Horst-Koalition aus CDU, SPD und FDP, die am Ende zur Koalition der Verlierer wurde, anschlossen. Wer Anne Horst mag, war bei den Grünen bestens aufgehoben. Sogar zwei Direktmandate gewannen die Grünen in Weilerswist.

Keine Chance gegen Ramers

Davon ist Nathalie Konias noch etwas entfernt, doch im Stimmbezirk Kommern-Süd hatte die quirlige Mechernicher Ratsfraktionschefin die Nase vorn, wie sich überhaupt das Gesamtergebnis von 13,6 Prozent der Bündnisgrünen mit ihr als Spitzenkandidatin sehen lassen kann.

Hier haben sich augenscheinlich CDU und Grüne, wenn auch nicht geplant, gegenseitig gepusht: Wem die ganzen Neubaugebiete zu viel und der Umgang mit dem Blei zu lässig ist, fand in den Grünen einen Partner. Wer hingegen gerne weitere Familien ansiedeln möchte und die Furcht vor der Bodenbelastung als übertrieben einstuft, fand sich inhaltlich bei der CDU wieder. Am Ende haben beide zugelegt: die CDU 1,3 , die Grünen gar 4,3 Prozentpunkte.

Doch im Gegensatz zur CDU haben die Grünen bei allen Ratswahlen dazugewonnen: am meisten in Euskirchen (6,7 Punkte), am wenigsten in Blankenheim (1,7 Punkte), wo sie mit 8,1 Prozent ihr schlechtestes Ratsergebnis holten und sich in die nicht gerade kurze Liste der Ramers-Opfer eintragen mussten. An der Ahr kamen sie auch bei der Kreistagswahl nur auf magere 5,5 Prozent, während Ramers in diesem Wahlkreis die 50-Prozent-Marke erreichte.

Die Fraktion muss sich noch finden

Was aber nun tun mit diesem Ergebnis? Die Freude über drei zusätzliche Mandate im Kreistag war rasch durch die Nachricht getrübt, dass sich eine knappe Mehrheit aus CDU, FDP und UWV an den Grünen vorbei bildet. Die Fraktion muss sich noch finden, unter den acht Mitgliedern sind sechs Neue, nachdem die „K-Gruppe“ mit Konias, Kalnins und Kroll dem Plenum den Rücken kehren wird: Nathalie Konias und Angela Kalnins freiwillig, Dorothee Kroll, weil die Grünen ihre Co-Kreisvorsitzende bei der Aufstellung der Reserveliste links (das ist durchaus politisch zu verstehen) liegen ließen. So bleibt abzuwarten, ob die Fraktion ihr Bad-Cop-Good-Cop-Spiel fortführen kann – und, wenn ja, wer dabei die Rollen von Kalnins und Kroll übernehmen wird, die mit ihrem Kampf gegen den A1-Lückenschluss und die Umhegung Euskirchen sowie für die Ausrufung des Klimanotstands ein ums andere Mal den Blutdruck bei den Vertretern der anderen Parteien in Schwung brachten.

Der alte und neue Fraktionschef Jörg Grutke vertritt zwar dieselben Inhalte, lächelt sich dabei aber charmant durch die Tagesordnung und duzt sich fröhlich durch die Debatten mit den politischen Gegnern.

Gegen die Wand

An der Art und Weise, wie der Zülpicher nach der Wahl gar dem CDU-Landratskandidaten Johannes Winckler den Teppich ins Kreisdirektorenbüro ausrollte – „Gute Leute sollte man nicht gehen lassen“ – hätte sich noch vor geraumer Zeit so mancher Grüne am Mate-Tee verschluckt. Mal sehen, wie die Mitglieder am Mittwoch in der Mitgliederversammlung darauf reagieren.

So stellt sich die Frage: Wie brav müssen sie sein, um Wähler in der Mitte, etwa in den Gebieten mit Einfamilienhäusern, zu erreichen? Und wie brav dürfen sie sein, um Stammwähler nicht zu verschrecken, denen die Grünen schon jetzt zu angepasst sind? Als Opposition im Euskirchener Kreistag müssen sie keine Kompromisse eingehen, das ist gut fürs innerparteiliche Klima. Aber von ihren politischen Zielen werden sie wenig umsetzen können. Es ermüdet, fünf Jahre lang gegen die Wand laufen zu müssen.

Vielleicht ist „zufrieden“ dann doch die angemessene Beschreibung der grünen Gemütslage. Viel mehr ist derzeit wohl nicht drin.