AboAbonnieren

Nur NotdienstDarum streiken die Apotheker heute (14.6.) im Kreis Euskirchen

Lesezeit 6 Minuten
Das Bild zeigt Dr. Thomas Göbel vor seiner Apotheke in Mechernich. An der Tür hängt ein Plakat, das auf den Protesttag hinweist.

Dr. Thomas Göbel, Sprecher der Apotheker vor Ort, ruft Kollegen und Kunden zur Protestkampagne „Apotheken kaputt sparen. Arzneimittelversorgung gefährden. Nicht mit uns!“ auf.

Die Apotheker im Kreis Euskirchen sehen zahlreiche Gründe für ihren Streik am Mittwoch. Für die Patienten werden Notdienste eingerichtet.

Es hat sich einiges angestaut bei den Apothekerinnen und Apothekern. „Das hat es meines Wissens noch nie gegeben, dass wir einen solch engen Schulterschluss üben“, stellt Dr. Thomas Göbel fest. Am heutigen Mittwoch hat die Apothekerkammer Nordrhein zum Protesttag samt Demo in Düsseldorf ernannt.

Viele Apotheken – auch im Kreis Euskirchen – werden an diesem 14. Juni geschlossen bleiben. „Die notdiensthabenden Apotheken werden aber die Versorgung übernehmen“, beruhigt Göbel, der Sprecher der Apotheker im Kreis: „Nicht dringend benötigte Rezepte sollten aber vor oder erst nach dem Protesttag in den Apotheken vorgelegt werden.“ Göbel geht nach vielen Gesprächen mit den Kollegen davon aus, dass die Protestbereitschaft im Kreis Euskirchen hoch sein wird. Denn von den Bedingungen, gegen die protestiert werde, sei vor allem der ländliche Raum betroffen. Ändere sich das nicht, werde sich über kurz oder lang die Versorgungslage im Kreis maßgeblich verschlechtern, befürchtet der 53-Jährige.

Apotheker im Kreis Euskirchen finden keine Nachfolger

„Einige ältere Kollegen im Kreis suchen Nachfolger, finden aber keine“, sagt Göbel. Der bundesweit schleichende Prozess des Apothekensterbens mache auch vor Ort nicht halt. „Im Kreis wurde im vergangenen Jahr eine neue Apotheke eröffnet“, rechnet Göbel vor. Gleichzeitig hätten aber zwei den Betrieb eingestellt. 39 Apotheken gibt es Göbel zufolge derzeit im Kreis. Vor zehn Jahren seien es 46 gewesen.

Es ist nicht so, dass wir im nächsten Jahr zu wenig Apotheken im Kreis haben werden. Aber das Problem ist die Dynamik im Abwärtstrend – bundesweit.
Dr. Thomas Göbel

„Es ist nicht so, dass wir im nächsten Jahr zu wenig Apotheken im Kreis haben werden“, so der Kreis-Apothekensprecher: „Aber das Problem ist die Dynamik im Abwärtstrend – bundesweit.“ Und den ländlichen Raum treffe es stärker als die städtischen Regionen.

Wenn hierzulande eine Apotheke dicht mache, sei das schlimmer als etwa in der Kölner Innenstadt. In einem flächengroßen Kreis könne das zu einer echten Versorgungslücke führen. Die Situation nach der Flutkatastrophe, nach der einige Apotheken längere Zeit nicht zur Verfügung standen, könnte sich im Nachhinein als bitterer Vorgeschmack für einen künftigen Dauerzustand erweisen. „Da mussten die Leute teilweise 50 Kilometer fahren“, erinnert Göbel. Zumal es auf dem Land nicht so viel Laufkundschaft wie in der Großstadt gebe, wo Kunden auf dem Weg zur Arbeit noch eine Packung Aspirin oder ACC mit guten Aufschlägen kaufen.

Die Industrie ist stressfreier für junge Pharmazeuten

Hierzulande seien die Kunden im Schnitt älter, der Beratungsbedarf höher und die Medikamente müssten öfters nach Hause geliefert werden. Das treibe die Betriebskosten hoch, so Göbel: „Die Spanne pro Packung und Kunde – also der Packungsschnitt, wie wir sagen – ist niedriger.“ Denn an Rezepten verdienten die Apotheken eher wenig. Die aber machten 80 Prozent des Geschäfts aus.

Das treibe junge Pharmazeuten nicht gerade in Scharen in die Apotheken auf dem Land – wenn sie überhaupt ein Geschäft übernehmen oder gar gründen wollten, wo sie doch das Geld in der Industrie stressfreier verdienen könnten: nahezu ohne wirtschaftliches Risiko, ohne hohe Kredite, ohne Not-, Nacht- und Wochenenddienste, stattdessen mit geregelten Arbeitszeiten.

Apotheker im Kreis kämpfen weiter gegen ein schlechtes Image

Göbel weiß auch, dass er und seine Kollegen gegen ein Image ankämpfen, das sich seit Jahrzehnten hartnäckig halte: das des von der Pharmaindustrie verwöhnten Apothekers, der schon mit der Marge eines hochpreisigen Medikaments den Monatsbeitrag für den exklusiven Golfclub finanziert, ansonsten in Immobilien macht und selbstverständlich die FDP wählt. Das war die Zeit, seit der die Redewendung „Preise wie in der Apotheke“ für alles herhalten muss, was überteuert erscheint. Mit diesen Vorurteilen werde immer noch Politik gemacht, klagt Göbel.

In der Tat, konzediert er, sei damals sehr leicht sehr viel Geld völlig legal verdient worden: „Aber diese Zeiten sind seit Jahrzehnten vorbei.“ Spätestens, nachdem die frühere Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne, von 1998 bis 2001 im Amt) die Gewinnspannen spürbar zurückgefahren habe. Ziel war es, dass Apotheker, die mehr Menschen versorgten, profitieren. Und nicht so sehr die, die, voranging in Städten, weniger Menschen versorgten, dafür aber besonders gewinnträchtige Medikamente verkauften.

Die fixen Honorare wurden seit zehn Jahren nicht erhöht

„Inzwischen ist es jedoch so, dass die gesetzlich festgelegten, fixen Honorare für die Apotheken seit zehn Jahren nicht erhöht wurden“, erläutert Göbel: „Und das bei kontinuierlich und sprunghaft steigenden Lohn-, Energie- und Zinskosten.“

Das ist so, als hätte der Obi keine Schrauben mehr.
Dr. Thomas Göbel

Da sei es höchst unredlich, wenn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach immer wieder herausposaune, die Umsätze der Apotheken seien gestiegen. „Er weiß doch auch, dass Umsätze noch keine Gewinne sind“, so Göbel. Lauterbach hatte vergangene Woche getwittert: „Die Einkommen der Apotheker sind stetig gestiegen, gerade in der Pandemie. Wirklich schlecht verdient wird in der Pflege.“ Das bringt Göbel auf die Palme: Der Minister spiele hier eine Gruppe gegen eine andere aus. Ja, Pflegekräfte sollten mehr bekommen – Pharmazeutisch Technische Assistenten und Assistentinnen aber auch.

Dem Mechernicher Apotheker sind Lieferengpässe peinlich

Doch die Politik nehme neue Höchststände an Apothekenschließungen offenkundig ebenso in Kauf wie Fachkräftemangel, übertriebene Bürokratie und Lieferengpässe. Dass es mal Probleme bereiten könnte, die Kunden ausreichend etwa mit dem Antibiotika-Standardprodukt Amoxicillin zu versorgen, hätte er sich früher nicht vorstellen können. „Wenn jemand mit seinem schreienden Kind, das eine eitriger Mittelohrentzündung hat, kommt, kann ich ihn doch nicht um zwei Tage Geduld bitten“, sagt Göbel. Peinlich sei das: „Das ist so, als hätte der Obi keine Schrauben mehr.“

Es sei die Folge einer verfehlten Politik, die eine solche Regulierung der Preise bewirke, dass die international aufgestellte Industrie bei Lieferengpässen zunächst Länder bediene, die mehr zahlten: „Die arbeiten gewinnorientiert. Das kann man denen ja nicht verdenken.“ Erst langsam werde die Produktion in Europa hochgefahren. Alle Mittel, die laut der Weltgesundheitsorganisation zur Daseinsvorsorge gebraucht werden, sollten hier hergestellt werden, schon aus strategischen Gründen, so der 53-Jährige: „Wenn China oder Indien mal nicht liefern, gehen hier innerhalb von drei Monaten die Lichter aus.“

So hofft Göbel für den Protesttag am Mittwoch auf die Solidarität unter seinen Kollegen und das Verständnis der Kunden: „Denn diese Politik gefährdet auch massiv die persönliche, wohnortnahe und flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bürgerinnen und Bürger.“


Was am Ende übrig bleibt

Von Preissteigerungen bei Medikamenten profitierten auch die Apotheker, sagte jüngst der Sprecher einer Krankenkasse. Das sehen die Apotheker anders. Die Vergütung bestehe aus dem Festzuschlag und dem Aufschlag von drei Prozent auf den festgelegten Apothekeneinkaufspreis. Der Drei-Prozent-Aufschlag diene lediglich dazu, die Kosten auszugleichen.

Apotheken seien verpflichtet, jedes Rezept zu bedienen. Das Geld müssten sie vorstrecken, oft über Wochen. Die Rezeptzentren, die für die Abrechnung mit den Krankenkassen notwendig sind, erhöben umsatzabhängige Gebühren. Außerdem binden die vorgeschriebene vorausschauende Lagerhaltung und die Lagerpflege Geld und Personal, bevor etwas eingenommen werde. Bleibe den Apothekern der Festzuschlag pro Packung.

Der sei 2013 letztmalig auf 8,35 Euro erhöht worden. Seit 2009 müssten die Apotheken den Krankenkassen einen variablen Abschlag gewähren, aktuell zwei Euro. Blieben also noch 6,35 Euro übrig. Davon müssten unter anderem steigende Betriebskosten und oft Kredite für den Laden bezahlt werden.


Die Notdienste

Die Versorgung der Patienten und Kunden ist während des Protesttags am 14.06. über die Notdienst-Apotheken sichergestellt, versichert die Apothekenkammer Nordrhein. Diese seien über die Webseite zu finden. Die Demonstration findet von 12 bis 13 Uhr auf dem Burgplatz in Düsseldorf statt. Im Kreis haben die Apotheke im Ärztehaus Schleiden (Blumenthaler Straße 19) und die City Apotheke in Euskirchen (Neustraße 34) Notdienst.