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Arbeitsstatistik 2022Fachkräfte fehlen im Kreis Euskirchen

Lesezeit 4 Minuten
Ein aus der Ukraine geflüchteter Mann und eine Frau mit Kinderwagen verlassen mit Gepäck eine Flüchtlingsunterkunft.

Die Arbeitslosenquote stieg Mitte des Jahres an: Auf einen Schlag wurden 1200 Geflüchtete aus der Ukraine vom Jobcenter Eu-aktiv betreut.

Die Arbeitsagentur und das Jobcenter stellten die Jobstatistik für den Kreis Euskirchen vor. Die Zahlen erreichen fast Vor-Pandemie-Werte.

Die Unternehmen und ihre Beschäftigten haben es nicht leicht. „Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, stark ansteigende Energie- und Rohstoffpreise, Materialengpässe und die Inflation haben die Wirtschaft in Atem gehalten und tun es noch“, bilanzierten Anja Daub, Geschäftsführerin operativ der Agentur für Arbeit Brühl, und Astrid Hahn, Geschäftsführerin des Jobcenters EU-aktiv, über den Arbeitsmarkt des Jahres 2022.

Aber: Der großen Herausforderungen zum Trotz entwickelte sich der Arbeitsmarkt stabil. Auch 2023 rechnen die beiden Behördenleiterinnen nicht mit einem Einbruch. „Viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber halten auch in konjunkturell schwierigen Zeiten an ihrer Belegschaft fest“, sagte Daub während der Jahrespressekonferenz. Problematisch wird es allerdings, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden.

Rückblick 2022

58.765 Menschen im Kreis Euskirchen waren nach den bislang aktuellsten Zahlen, die sich auf das zweite Quartal 2022 beziehen, sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das ist der historisch höchste Wert für das zweite Quartal und entspricht 1,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig ist es quartalsübergreifend die höchste Zahl seit Beginn der Pandemie. Nur in den beiden Quartalen im zweiten Halbjahr 2019 waren mehr Menschen im Kreis sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Besonders hervorzuheben ist der Anstieg bei den ausländischen Arbeitskräften (plus 15,5 Prozent). Laut Astrid Hahn stehen nun die Geflüchteten aus den Jahren 2016/17 verstärkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.

Durchschnittlich waren im Jahr 2022 5646 Menschen im Kreis arbeitslos gemeldet. Im Jahr zuvor waren es 631 mehr gewesen. 3600 Menschen (-145) erhielten Leistungen durch das Jobcenter, 2046 (-487) durch die Arbeitslosenversicherung. „Die Arbeitslosigkeit ist deutlich gesunken, aber noch nicht auf dem Niveau vom Dezember 2019. Durch den Krieg hat die Erholung einen Dämpfer bekommen“, so Anja Daub.

Durch den Krieg hat die Erholung einen Dämpfer bekommen.
Anja Daub, Geschäftsführerin operativ der Agentur für Arbeit Brühl

Die Arbeitslosenquote stieg vom Tiefstwert im Mai (5,0 Prozent) auf die Höchstwerte 5,5 Prozent im August und Oktober (Vorjahresdurchschnitt 5,9 Prozent, vor der Pandemie 4,9 Prozent) an. Der Grund: Seit Juni erhalten auch ukrainische Geflüchtete Arbeitslosengeld II. In absoluten Zahlen waren das rund 1200 Geflüchtete, die auf einen Schlag durch das Jobcenter betreut wurden, von denen sich bis zu 463 arbeitslos gemeldet hatten. Im Dezember gab es 426 Arbeitslose, 1400 Geflüchtete aus der Ukraine bezogen Leistungen des Jobcenters.

Astrid Hahn (l.) vom Jobcenter Eu-aktiv und Anja Daub von der Agentur für Arbeit Brühl stehen vor dem Schild des Jobcenters Eu-aktiv.

Astrid Hahn (l.) vom Jobcenter Eu-aktiv und Anja Daub von der Agentur für Arbeit Brühl stellten die Arbeitslosenstatistik für das Jahr 2022 vor.

Von der Erholung am Arbeitsmarkt profitierten besonders junge Menschen bis 25 Jahre. Durchschnittlich waren 458 arbeitslos gemeldet, das sind 13 Prozent weniger als 2021.

Die Inanspruchnahme von Kurzarbeit ist deutlich gesunken. Von August 2021 bis Juli 2022 haben 184 Unternehmen für 819 Beschäftigte Kurzarbeitergeld in Anspruch genommen. 2021 waren es im gleichen Zeitraum noch 531 Unternehmen für 3219 Beschäftigte gewesen. Höchststand war im April 2020: 1141 Unternehmen schickten 8045 Mitarbeiter in Kurzarbeit.

Unternehmen im Kreis Euskirchen fällt es offenbar schwer, Stellen mit qualifizierten Mitarbeitern zu besetzen.
Anja Daub, Geschäftsführerin operativ der Agentur für Arbeit Brühl

Der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter wurden 2022 4466 freie Stellen, davon 4282 sozialversicherungspflichtig, gemeldet. Das waren mehr als noch 2019 und deutlich mehr als im ersten Pandemiejahr, wo nur 3706 Stellen gemeldet worden waren. Obwohl es viele offene Stellen gebe, seien die Stellenmeldungen verhalten. „Ein wichtiger Grund sind die konjunkturellen Unsicherheiten, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber dazu motivieren, nur zurückhaltend neue offene Stelen zu melden oder offene Stellen nicht sofort zu besetzen, sondern erst noch etwas abwarten“, so Daub.

Hinzu komme ein weiteres Problem: „Unternehmen im Kreis Euskirchen fällt es offenbar schwer, diese Stellen mit qualifizierten Mitarbeitern zu besetzen.“ Für deutlich mehr als der Hälfte der Stellen sind Fachkräfte gefragt. Von den 2078 offenen Stellen am Jahresende waren 1592 für Fachkräfte, Experten und Spezialisten und 486 für an- oder ungelernte Arbeitnehmer ausgeschrieben. Demgegenüber standen 2300 qualifizierte Arbeitslose und 3176 Menschen ohne Ausbildung.

Ausblick 2023

Die Arbeitsagentur und das Jobcenter halten sich an die Regionalprognose des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, das eine Entkopplung von Konjunktur und Beschäftigung sieht. Betriebe halten in Krisenzeiten länger an Arbeitskräften fest – auch wegen des Arbeits- und Fachkräftemangels. Das Institut rechnet deshalb trotz eines Konjunktureinbruchs mit einem Anstieg der Beschäftigtenzahl. Das Jobcenter will in diesem Jahr vorantreiben, dass Betriebe ihre eigenen Fachkräfte ausbilden. Helfen sollen frühzeitige Berufsorientierungen und Beratungen in den Schulen. Berufsberatung soll verstärkt auch Erwachsenen angeboten werden. Außerdem würden mehr Fachkräfte aus dem Ausland benötigt.

Begrüßt wird von Astrid Hahn auch das zu Jahresbeginn eingeführte Bürgergeld. Damit einher gingen mehr Fördermöglichkeiten, mehr Motivation durch das Weiterbildungsgeld und der Wegfall des Vermittlungsvorgangs – Maßnahmen, die teils aber erst ab Mitte des Jahres zur Verfügung stehen.