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StreuobstwiesenDas sind die kleinen Tricks der Apfelweinproduktion in der Eifel

Lesezeit 4 Minuten
Dr. Karl Lindemann taucht den Messtab in ein Reagenzglas mit Most.

Mit einem Aerometer misst von Dr. Karl Lindemann der Zuckergehalt des Mostes.

Experte Karl Lindemann schulte im Workshop des Streuobstnetzwerks Nordeifel (SoNNe) in der Herstellung von Cidre aus Eifeler Streuobst.

Konzentriert, als würde er gerade einen Sprengkörper entschärfen, blickte Dr. Karl Lindemann ins Leere, während seine Hände sich vorsichtig am Verschluss der Flasche zu schaffen machten. Durchaus mit Recht, auch wenn diese keinen Sprengstoff enthielt, sondern lediglich selbst gemachten Birnencidre, Poiré, wie die Franzosen sagen.

Zwar bestand damit nicht die Gefahr, dass den Teilnehmern des Kurses zur Apfelweinherstellung, der im Pfarrheim in Schwerfen stattfand, die Glassplitter um die Ohren fliegen würden, doch eine kräftige Dusche mit Eifeler Birnencidre wäre immer drin gewesen.

Aus Eifeler Streuobst wird frischer Apfelcidre hergestellt

Aber alles ging gut. Nur ein kurzes Zischen zeigte, dass doch noch etwas Druck in der Flasche gewesen war. „Das Runterkühlen war die Lösung“, verkündete Lindemann. Er hatte extra, um die mitgebrachten Flaschen zu entschärfen, einen mobilen Kühlschrank mitgebracht. Etwas erregter zeigte sich dagegen der frische Apfelcidre aus Eifeler Streuobst, bei dem Lindemann mehrere Minuten brauchte, bis der Druck aus der Flasche entwichen war.

Nicht zum ersten Mal fand der Workshop zur Herstellung von Apfelwein statt. Initiiert wurde er von der SoNNe, dem Streuobstnetzwerk Nordeifel. Dessen Ziel ist es, die noch in der Region erhaltenen Streuobstwiesen zu bewahren und deshalb auch ihre Nutzung zu fördern. Doch was kann Sinnvolles gemacht werden mit den vielen Gallonen Apfelmost, die mit den zwei mobilen Saftpressen der SoNNe aus den Früchten erzielt werden?

Der Experte zeigt den Aquarien-Heizstab.

Mit einem herkömmlichen Aquarienheizstab unterstützt Dr. Karl Lindemann die Gärung des Apfelmostes.

Eine Möglichkeit: Apfelwein. Die Grundlagen zu dessen Herstellung präsentierte Lindemann, ansässig in Kerperscheid, der in vielen Jahren gute, manchmal aber auch schlechte Erfahrungen auf dem Gebiet sammeln konnte und so mit sämtlichen Wassern respektive Apfelweinen gewaschen ist.

Humorvoll und kenntnisreich dozierte Lindemann und wusste die manchmal auch trockene Materie mit Anekdoten und Scherzen aufzulockern. So manövrierte er die 18 Teilnehmer des Workshops souverän durch die chemischen Grundlagen der Gärung, die unabdingbar sind, um einen vernünftigen Wein zu produzieren.

In der Südeifel ist der Apfelwein als Viez bekannt

Denn streng genommen ist die alkoholische Gärung nicht mehr als ein seit Urzeiten bekanntes Verfahren, um Lebensmittel, in diesem Fall Apfelsaft, haltbar zu machen. So ist die Erzeugung von Viez, einem jungen Wein aus Apfelmost, der dem Federweißen ähnelt, immer noch in der Südeifel und darüber hinaus verbreitet. Doch auch er muss innerhalb weniger Monate getrunken werden.

170 Gramm Zucker pro Liter ermittelten die Kursteilnehmer über die vom schwäbischen Apotheker Oechsle erarbeitete Tabelle für den von der SoNNe mitgebrachten Apfelsaft. Zu wenig, um einen vernünftigen und haltbaren Wein zu produzieren, betonte Lindemann, deshalb müsse Zucker zugesetzt werden. Das sei legal und völlig normal. In diesem Fall müssten 70 Gramm Zucker dem Most hinzugefügt werden, bevor er in ein Gärgefäß gegeben werde.

Aus einer Flasche ohne Etikett füllen Teilnehmer den Cidre zum Verkosten in ein Probierglas.

Auch eine Verkostung des Weines gehörte zum Programm des Workshops zur Apfelweinherstellung.

Seit Jahrtausenden nutzen die Menschen die Fähigkeit von Hefen, Zucker in Alkohol umzuwandeln. Er sorgt durch seine sterilisierende Wirkung dafür, dass der Wein lange haltbar ist. Wie lange das möglich ist, bewies Lindemann, indem er einen zehn Jahre alten Apfelwein zur Verkostung servierte. Als ziemlich trocken, aber trinkbar stuften die Teilnehmer den Tropfen ein.

Um einerseits etwas Restsüße zu bekommen und andererseits den Alkoholwert noch ein wenig höher zu bekommen, demonstrierte Lindemann, wie er die aus der Sektherstellung bekannte Flaschengärung einsetzt, indem er dem fertigen Wein noch Zucker hinzufügt. Die nun wieder einsetzende Gärung produziert allerdings auch noch Kohlensäure, die im Extremfall für spritzige Erlebnisse mit dem Getränk sorgen kann.

Aquarien-Heizstab sorgt für die optimale Gärtemperatur im Most

Ob die Art des eingesetzten Gärgefäßes oder die kleinen Hilfsmittel, die Lindemann einsetzt – kein Trick war ihm geheim genug, um nicht verraten zu werden. So demonstrierte er, wie er mit handelsüblichen Aquarien-Heizstäben für eine optimale Gärtemperatur im Most sorgt. „Die sind billig und lebensmittelecht“, sagte er strahlend.

Um noch ein paar Tricks vom Fachmann zu bekommen, war Heinrich Wolf aus Flamersheim gekommen. Er hat von seinem Vater bereits gelernt, wie Viez gemacht wird. „Es gibt da spezielle Viezäpfel“, erläuterte er.

Angeregt von dem Thema und nicht zuletzt von der Verkostung der durch Lindemann kredenzten Proben, machten die Teilnehmer sich Notizen, um selber in die Produktion von Apfelwein aus ihrem selbst produzierten Most zu gehen.

Am Ende lockt nicht nur ein leckeres Getränk, sondern auch das Gefühl, dem Fiskus damit ein Schnippchen geschlagen zu haben. Denn anders als das Brennen von Schnäpsen ist die Herstellung von Wein und Bier für den Hausgebrauch von der Alkoholsteuer befreit. „Das ist legale Steuerhinterziehung“, scherzte Lindemann.


Die Obstpressen des Netzwerks sind wieder in der Eifel unterwegs

Von Samstag, 9. September, bis Donnerstag, 2. November, sind die Ehrenamtler des Streuobstwiesennetzwerks unterwegs. Im September sind die Termine vor allem in den tiefergelegenen Orten, wo das Obst früher reif wird.

Der erste Presstermin im Kreis Euskirchen wird am Sonntag, 17. September, in Schleiden sein. Danach folgen Möglichkeiten zum Saftpressen am Freitag, 29. September, in Zülpich-Schwerfen und Samstag, 30. September, in Euskirchen-Kirchheim. Kontaktadressen und weitere Termine sind im Internet auf der Website der SoNNe einsehbar und per E-Mail erfragbar.