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Müll und Fast FashionDas sind die Schattenseiten der Altkleider-Spenden im Kreis Euskirchen

Lesezeit 6 Minuten
Ein Mann wirft Altkleider in einen Sammelcontainer.

Seit Beginn der Corona-Pandemie landete nicht nur viel Kleidung in den Containern, sondern auch eine Menge Müll.

In den Altkleidercontainern im Kreis Euskirchen landen nicht nur Textilien, sondern auch viele Dinge, die dort nichts verloren. Die Organisationen, die die Spenden sammeln, haben mit mehreren Problemen zu kämpfen.

Schlachtabfälle, Windeln, Dämmstoffe und Renovierungsmaterialien. „Im Altkleidercontainer landen nicht nur ausrangierte Kleidungsstücke“, sagt Rolf Klöcker, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Kreis Euskirchen: Was auch immer man sich vorstellen könne, sei sicher schon in einen Container geworfen worden. Diese Verunreinigungen haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, stellt Klöcker fest.

Das sei nicht nur für die Mitarbeiter, die die 85 Container kreisweit leeren und den Müll aussortieren müssen, ein Ärgernis, sondern auch für die Spender, die ihre Kleidung ganz bewusst     abgegeben haben. Denn wenn   Müll bei den Altkleidern im Container lande, sei häufig auch der restliche Inhalt nicht mehr   zu gebrauchen. Alles muss dann kostenpflichtig entsorgt werden.

Müll-Anteil hat seit Beginn der Pandemie zugenommen

„Seit Beginn der Pandemie hat der Anteil an Fremd- und Störstoffen in den Altkleidercontainern drastisch zugenommen“, sagt Thomas Ahlmann, Geschäftsführer des Dachverbandes Fair-Wertung, ein bundesweiter Zusammenschluss gemeinnütziger Organisationen, die gebrauchte Textilien sammeln. Wenn Ahlmann von „Fremd- und Störstoffen“ spricht, meint er etwa Haushaltsgeräte, Grünabfälle oder gebrauchte Windeln.

Er erklärt sich den   Anstieg dadurch, dass die Menschen während der Corona-Pandemie über lange Zeiträume gezwungen waren, zuhause zu bleiben. „Deswegen haben sie entrümpelt“, sagt er. Erschwerend sei hinzugekommen, dass die Wertstoffhöfe während der ersten Phase der Pandemie vielerorts geschlossen waren und manch einer nicht wusste, wohin mit dem Abfall. „Da waren die Altkleidercontainer eine schnelle Lösung“, sagt Ahlmann. Dafür sieht er zwei Gründe: Zum einen haben sie eine große Einwurfklappe, in die vieles   reinpasst. Zum anderen gebe es nur geringere Kontrollen.

Menschen sind in Container geklettert

Achim Könn,   Sachgebietsleiter für Verkehrsangelegenheiten, ist zuständig für die Altkleidercontainer der Stadt Euskirchen. Auch er weiß von Problemen   zu berichten. Es komme vor, dass Unrat neben den Containern gelagert werde, Sperrmüll zum Beispiel. Dann   werden die Betreiber angerufen, damit sie sich um den Müll kümmern. Sie zahlen für die Entsorgung – und das Geld fehlt dann laut Klöcker an anderer Stelle für gemeinnützige Projekte.

Schlimmer als der abgestellte Unrat ist laut   Könn, dass immer wieder Menschen in die Container hineinkletterten – auch dafür sei die Luke groß genug. Sie wollen etwas aus   herauszuholen – kommen aber nicht mehr heraus. Wenn das   nachts geschieht, bemerkt niemand einen Menschen im Container. In der Vergangenheit ist es laut Könn schon vorgekommen, dass Menschen in den Containern starben.

Euskirchener DRK-Chef: Viele Textilien sind unbrauchbar

Nicht nur mit der Verunreinigung der Container haben die Betreiber zu kämpfen. „Immer wieder brechen die Verwertungsketten ab“, sagt Klöcker. Damit spricht er   auf ein Überangebot gesammelter Kleidung an. Dann komme es vor allem beim Werkstoffrecyceln von in den Kleiderkammern nicht benötigten oder generell unbrauchbaren – weil kaputten – Textilien oft zum Stau. Laut Klöcker macht der Teil der Textilien, die dem Recycling zugeführt werden, rund   60 Prozent aus. 40 Prozent lande in der Kleiderkammer. Im Werkstoffrecycling werden Putzlappen hergestellt oder Dämmmaterial fürs Auto, sagt Klöcker. Ist der Markt   gesättigt, werde weniger abgenommen. Es kommt zum Kleidungs-Stau.

„Das Sammeln lohnt sich dann kaum noch“, sagt Thomas Ahlmann. Viele kommunale und gewerbliche Anbieter bauen dann ihre Container ab, erklärt er. Auch das DRK hatte zwischenzeitlich – während der Corona-Pandemie – einige Container abgebaut, so Klöcker: „Doch jetzt haben wir mehr Container als vorher.“  „In der Branche nennen wir das den Schweinezyklus“, sagt Ahlmann. Das Containeraufkommen richte sich nach dem Angebot. Gibt es wenig Ware, nimmt das Containerangebot zu. Gibt es viel Ware, nimmt es ab. Dass der Markt zu Beginn der Pandemie mit aussortierten Textilien geflutet wurde, erklärt Ahlmann damit, dass der Entrümplungsprozess meist in den Kleiderschränken startete. Die Jahre vor Corona seien Jahre des Konsums gewesen. Schnelle Mode, geringe Qualität, viele Kleidungsstücke für wenig Geld.

Fast Fashion: Auch Ungetragenes landet in den Containern

Den Trend der vergangenen Jahre hin zur schnellen und billigen Mode hat auch Cathleen Braun vom sozialen Kleiderladen des DRK in Euskirchen bemerkt: „Bei vielen Kleidungsstücken, die abgegeben werden, hängt noch ein Preisschild dran“, sagt Braun. Billig gekauft, nie angezogen, vermutet sie. Auf den Schildchen sehe sie immer dieselben Marken. Oft dabei seien billig produzierte Kleidung aus bestimmten Onlineshops oder von großen Bekleidungsdiscountern. Gerade wenn größere Mengen abgegeben werden, sei da häufig Bekleidung dieser Labels dabei gewesen– von minderer Qualität und oft bereits zerschlissen. „Fast Fashion“ nennt Braun diese Mode: für schnell wechselnde Trends designt, zu niedrigen Preisen produziert und verkauft. Im Volksmund: „Wegwerfmode“.

Dass sie diesen Trend nicht gut findet, sagt Braun auch. Bevor man aber mit dem Finger auf andere zeige, solle man mal in den eigenen Kleiderschrank schauen. Dort habe sicher jeder Kleidung, die man nur gekauft habe, weil der Geldbeutel es erlaubt hat – und nicht, weil man es gebraucht hätte.

Verantwortliche im Kreis Euskirchen hoffen auf dauerhaftes Umdenken

„Ich glaube, dass langsam ein Umdenken stattfindet“, sagt Braun. Seit 2020 habe sich einiges getan, bestätigt Ahlmann. Er erklärt, dass sich in der Dauer-Ausnahmesituation auch das Kaufverhalten der Menschen ändere. Die Menschen seien unsicher, wollten Geld sparen, nachhaltiger leben. Natürlich wirke all das sich auf das Konsum-, Spende- und Wegwerfverhalten aus: „Aktuell konsumieren die Menschen generell weniger als noch vor einigen Jahren.“

Auch in den Altkleidercontainern habe sich die Situation, die zu Beginn der Pandemie noch herrschte, komplett umgedreht. Auch Rolf Klöcker spürt die Auswirkungen der   Lage: „Durch die Gas-Krise und dadurch, dass alles für alle teurer wird, bemerken wir, dass die Leute ein Spendenbewusstsein haben.“ Sie erinnerten sich daran, wofür Kleidercontainer und Kleiderkammern eigentlich da sind. Den Menschen sei es nicht egal, was mit ihrer Kleidung passiere, sie wollen sie bewusst für den guten Zweck spenden.

Lieber zwei gute Stücke abgeben als einen Sack voll zerschlissener

Auch Cathleen Braun bemerkt, dass häufig Leute in die Kleiderkammer kommen, um zwei gut erhaltene Stücke abzugeben, anstelle eines großen Sackes voll mit billigen und zerschlissenen Textilien.

Thomas Ahlmann befürchtet aber, dass dieses Umdenken, das nachhaltige Handeln, der Verzicht und das Spendenbewusstsein in großen Teilen nur der allgemeinen Krise geschuldet seien. Es seien eben keine normalen Zeiten. Wenn die zurückkehrten, so Ahlmann, kehren sicher viele   zu alten Konsummustern zurück – sprich: mehr kaufen, weniger recyceln.

Braun ist sich da nicht ganz sicher. Sie habe eine Tochter und findet, dass sich in der heranwachsenden Generation etwas verändert habe. „Viele jüngere Leute entdecken gerade das Second-Hand-Shoppen für sich. Und die tun das aus Überzeugung.“ Solche neuen Gewohnheiten, findet Braun, seien die, die bleiben – vielleicht sogar, wenn eine Krise vorbei ist.


Tipps zum Spenden von Altkleidern

  1. Wichtig bei Spenden für die Altkleidercontainer sei vor allem, dass alle Bekleidungsgegenstände – auch Schuhe – in fest verschlossenen Tüten abgegeben werden, sagt Rolf Klöcker, Geschäftsführer des Kreis-DRK.
  2. Schuhe sollten im Idealfall gebündelt abgegeben werden.
  3. Die Kleidung sollte gewaschen sein. Gebrauchte Kleidung könne man, statt sie in einer Altkleidertonne zu „entsorgen“, auch bei einer Kleiderkammer vorbeibringen, empfiehlt Cathleen Braun vom sozialen Kleiderladen des DRK in Euskirchen. Man könne gerne jederzeit ein paar Teile abgeben. Es müsse nicht immer der große volle Sack sein.
  4. In der Kleiderkammer könne man sicher sein, dass die aussortierte Kleidung nicht etwa durch Hundekotbeutel oder Windeln verunreinigt werde. Braun empfiehlt weiterhin, Kleiderkammer-Mitarbeiter gezielt anzusprechen: „Einfach nachfragen, was gerade gebraucht wird, und was nicht.“ So seien gezielte Spenden leicht möglich.
  5. Saisonabhängig spenden ist sinnvoll. Die Kleiderkammer müsse beispielsweise kurze Hosen, die im Winter gespendet würden, zunächst einlagern. Weil jedoch kein unbegrenzter Platz zur Verfügung steht, könne es passieren, dass auch ein eigentlich brauchbare Spenden im Müll landen, weil sie keinen Abnehmer finden.
  6. Am Container können Spender bewusst entscheiden, wohin ihre Spende geht. Es gebe gemeinnützige, kommunale und private Altkleidercontainer, berichtet Thomas Ahlmann, Geschäftsführer vom Dachverband Fair-Wertung. Gemeinnützige Container machen ungefähr 45 Prozent aller aufgestellten Altkleidersammlungen aus. Die Spenden gehen unter anderem an die Flüchtlingshilfe. Auch im Katastrophenfall wird auf diese Spenden zurückgegriffen.
  7. Kommunale und gewerbliche Container machen demnach jeweils rund 25 Prozent aller aufgestellten Altkleidersammlungen aus. Der Erlös aus den kommunalen Containern geht in den allgemeinen Abfallhaushalt der Kommune oder wird auch gemeinnützig verwendet. Inhaber der gewerblichen Container verkaufen die Kleiderspende weiter. Die Einnahmen bleiben bei dem privaten Gewerbe. (kkr)