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Strom aus GülleWie Bauern im Kreis Euskirchen zur Energiewende beitragen

Lesezeit 4 Minuten
Kühe im Stall von Bauer Hans-Josef Thelen aus Kall-Keldenich.

30.000 Haushalte könnten beim derzeitigen Tierbestand im Kreis Euskirchen mit Güllestrom versorgt werden, hat der Bauernverband ausgerechnet.

Auch wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, können Biogasanlagen Strom erzeugen. Laut Bauernverband könnten durch die Verwertung der Gülle 30.000 Haushalte im Kreis Euskirchen mit Strom versorgt werden.

Es gibt solche Tage, nicht nur im Dezember: Es ist neblig-trüb, von Sonne keine Spur, und statt einer steifen Brise aus Nordwest weht nur ein laues Lüftchen über die Eifelhöhen. Die Produktion von erneuerbarem Strom aus Windkraft und Solar geht an solchen Tagen massiv in den Keller. Bei Bauer Hans-Josef Thelen (63) und seinem Sohn Andreas (34), die zwischen Urft und Keldenich gemeinsam einen Aussiedlerhof mit 250 Milchkühen bewirtschaften, läuft das Blockheizkraftwerk aber unter Volllast.

Die beiden Landwirte „füttern“ mit der Gülle ihrer Rinder und dem Festmist, der aus dem Stroh entsteht, auf dem sich die Jungtiere tummeln dürfen, eine Biogasanlage, mit der sie ihren eigenen Strom produzieren. „26 bis 28 Kubikmeter Gülle und rund dreieinhalb Tonnen Mist fallen täglich auf unserem Betrieb an“, sagt der Senior-Chef. Seit gut einem Jahr wird die hofeigene Photovoltaikanlage (PV-Anlage) durch eine so genannte Gülle-Kleinanlage ergänzt.

Hans-Josef und Andreas Thelen mit Helmut Dahmen und Heinrich Weidenfeld vom Kreis-Bauernverband vor dem Blockheizkraftwerk der Biogasanlage.

Strom aus Gülle: Auf ihrem Hof zwischen Keldenich und Urft haben (v. l.) Hans-Josef und Andreas Thelen in eine neue Biogasanlage investiert. Helmut Dahmen und Heinrich Weidenfeld vom Kreis-Bauernverband befürworten solche Anlagen.

Die Leistung des Aggregats, eines herkömmlichen MAN-Sechszylindermotors, der auf den Betrieb mit Gas umgerüstet wurde, ist vom Gesetz her auf 99 Kilowatt begrenzt. „Das sind die Vorgaben aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, aber für unseren Betrieb passt das so“, ergänzt Andreas Thelen. Nach Meinung des Bauernverbands könnte lokal produzierter Strom aus Gülle auch im Kreis Euskirchen eine größere Rolle bei der Energieversorgung einnehmen als bisher.

Versorgung von 30.000 Haushalten möglich

„Die Höfe im Kreis Euskirchen könnten mit der Gülle des derzeitigen Tierbestands bis zu 30 000 Haushalte mit Strom aus Biogasanlagen versorgen“, sieht Helmut Dahmen, Vorsitzender der Kreisbauernschaft, durchaus Potenzial für den Ausbau der erneuerbaren Energien im Landwirtschaftssektor. Zusätzlich sei auch der Aufbau von Nahwärmenetzen möglich, um Anwohner mit Heizenergie zu versorgen: „Aber das ist bei der Lage des Thelenhofs schwierig.“

Biogasanlage zur Stromerzeugung auf dem Thelenhof zwischen Keldenich und Urft.

Seit September 2021 läuft auf dem Thelenhof zwischen Keldenich und Urft eine Biogasanlage zur Stromerzeugung.

Was ihm dabei wichtig ist: „Wenn wir Strom über Biogasanlagen aus Gülle produzieren, werden dadurch keine landwirtschaftlichen Flächen aus der Nahrungsmittelproduktion herausgenommen“, betont Dahmen. Durch den steten Flächenverbrauch für Straßenbau, Wohn- oder Gewerbegebiete auf der einen und Vorgaben zu Flächenstilllegungen aus der Politik auf der anderen Seite sehen viele Landwirte ihre Aufgabe zur Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln bedroht (siehe auch „Agri-PV“).

„Zusätzlich gehen uns dann auch noch wertvolle Ackerflächen verloren, auf denen zum Beispiel entlang der Bahnlinie bei Wißkirchen PV-Anlagen errichtet werden“, beklagt sich Dahmen auch über aktuelle Bauprojekte im Kreis Euskirchen. Vorteil der Stromproduktion aus Gülle: „Das Biogas kann 24 Stunden am Tag produziert und zur Stromgewinnung genutzt werden“, so Dahmen. „Außerdem wird nur genutzt, was eh schon da ist“, ergänzt sein Stellvertreter Heinrich Weidenfeld aus Kommern, der auf seinem Betrieb ebenfalls eine Biogasanlage betreibt.

„Wert von Gülle als Dünger steigt sogar noch“

Die Gülle gehe durch die Verarbeitung in der Biogasanlage den Betrieben auch nicht als Dünger verloren. „Der Wert der Gülle steigt sogar noch, weil sie nicht mehr stinkt, wenn sie nachher auf Wiesen oder Äcker ausgebracht wird, und die Pflanzen die aufgeschlossenen Nährstoffe besser verarbeiten können.“ Bauer Hans-Josef Thelen sieht die Gülleverwertung daher auch als sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz: „Die Emissionen von Methan und Lachgas werden auf unserem Betrieb um rund ein Drittel reduziert. Damit verbessert sich gleichzeitig auch die Klimabilanz unserer Produkte.“

Landwirt Maximilian Rothkopf aus Dom-Esch zeigt die Photovoltaik-Module auf dem Dach eines Betriebsgebäudes.

Landwirt Maximilian Rothkopf aus Dom-Esch hat inzwischen auf allen Dachflächen des Familienbetriebs PV-Anlagen zur Stromproduktion installiert.

Sonnenstrom für den Eigenbedarf

Wie bei der Familie Thelen wurde auch auf dem Hof der Familie Rothkopf in Dom-Esch bereits im Jahr 2006 die erste PV-Anlage auf einem der Hallendächer installiert. „In diesem Jahr haben wir noch einmal nachgelegt“, sagt Maximilian Rothkopf, der den Betrieb mit einem Bruder und seiner Mutter führt. Ausschlaggebend für die Investition waren die stark gestiegenen Strompreise.

„Wir haben bislang alles eingespeist und mussten den Strom für den Betrieb zukaufen“, so Rothkopf. Rund 65.000 Kilowattstunden Strom werden für die Kühlung von Spargel, Erdbeeren, Kartoffeln und zum Beispiel den Betrieb der Kartoffel-Sortiermaschine pro Jahr benötigt. Die neue PV-Anlage soll bis zu 75 Prozent des betrieblichen Strombedarfs decken. „Wir haben jetzt alle Hallendächer mit Solarmodulen bestückt. Durch die geringe Dachneigung auf unseren Hallen rechnen sich mit modernen Solarmodulen sogar die Nordseiten“, berichtet Rothkopf.

Der junge Landwirt ist der Ansicht, dass zunächst alle Möglichkeiten auf Dächern ausgeschöpft werden sollten, bevor weitere landwirtschaftliche Flächen für neue PV-Anlagen in Betracht gezogen werden: „Auf Industriehallen gibt es sicherlich noch viele Möglichkeiten zum Ausbau der Solarenergie.“


Diskussion um „Agri-PV“

Mehr als 40 Landwirte sowie interessierte Kreistagsmitglieder diskutierten jüngst die Nutzungsmöglichkeiten von „Agri-PV“. Damit sind Solaranlagen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen gemeint. Eingeladen hatten die Kreistagsfraktionen der Liste aus CDU, FDP und UWV.

FDP-Fraktionsvorsitzender Frederik Schorn zeigte sich in einer gemeinsamen Pressemitteilung erfreut über das hohe Interesse: „Die Kreispolitik hat zunehmend über Flächenkonkurrenzen zu entscheiden. Das gilt auch für die Landwirtschaft. Wir brauchen einen enormen Ausbau der erneuerbaren Energien.“ Für die Solarenergie müsse nach Ansicht der Liste gelten, dass zuerst Dachflächen, dann versiegelte Flächen und zuletzt landwirtschaftliche Flächen genutzt werden.

Agri-Photovoltaik ermöglicht die landwirtschaftliche Bewirtschaftung von Flächen bei gleichzeitiger Energiegewinnung. Schorn: „Wenn die Rahmenbedingungen passen, kann also ein Zielkonflikt aufgelöst werden. Das macht die Technologie so faszinierend.“ Nach Einschätzung von Experten bleiben bis zu 90 Prozent der Ertragskraft der Anbauflächen. Die Technologie sei aber nicht für jeden Hof geeignet, so Schorn. (tom)