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VerbandJunge Eifeler Landfrau zu sein bedeutet mehr als „Kaffeeklatsch mit Omas“

Lesezeit 7 Minuten
Jasmin Schleder im Stall, sie hält eine weiße Henne im Arm und lächelt in die Kamera. 

Jasmin Schleder ist im landwirtschaftlichen Bereich tätig – in der Farmbetreuung für Legehennen. Doch das ist längst kein Muss, um eine junge Landfrau zu werden.

Wer „Landfrau“ hört, denkt häufig an ältere Frauen und Kaffeefahrten. Doch der Verband Euskirchen-Eifel verjüngt sich. Vier Frauen berichten.

Wer 18 wird, fährt zum ersten Mal alleine Auto, kauft Zigaretten oder hochprozentigen Alkohol. Als Kathrin Dahmen aus Lorbach 18 Jahre alt wurde, trat sie den Eifeler Landfrauen bei. Das war allerdings nicht ganz allein ihre Entscheidung. „Ich wurde da irgendwie reingelotst“, sagt die heute 26-jährige angehende Lehrerin. Die Lotsin war ihre Großmutter.

Als Dahmen volljährig wurde, legte die Oma ihrer Enkelin einen Zettel vor. Ein unkomplizierter Mitgliedsantrag des Ortsverbandes Kall-Nettersheim: Name, Adresse, E-Mail, Geburtsdatum und drei Kästchen zum Abhaken. Den jährlich fälligen Mitgliedsbeitrag von 30 Euro zahlte ihre Großmutter sofort. Das tut sie bis heute: „Sie hat mich da reingeholt, jetzt muss sie das auch durchziehen“, kommentiert die Enkelin und lacht.

Ältere Landfrauen werben jüngere Frauen – oft sind es die Enkelinnen

Aber Oma Dahmen hat das nicht einfach so gemacht, Oma Dahmen hatte Hintergedanken: Weil die meisten Mitglieder der Landfrauen eben ältere Frauen sind, scheiden Jahr für Jahr Mitglieder aus. Einige von ihnen sterben, andere sind zu alt, um eines der „Pöstchen“ zu übernehmen, die den Ortsverband in Gang halten. Dafür müsse man nämlich jünger als 65 Jahre alt sein, erklärt Kathrin Dahmen. Und wenn der Nachwuchs fehle, könnten ganze Ortsverbände wegbrechen.

Das Bild zeigt Landfrau Kathrin, ihre Mutter und ihre Großmutter.

Drei Generationen Landfrauen: Kathrin Dahmen wurde mit 18 Jahren Landfrau, weil ihre Oma Elisabeth Dahmen für sie den Beitrag zahlte.

Deswegen laute das Mantra der Landfrauen bereits seit einigen Jahren: „Wir brauchen wen Junges“, sagt Claudia Meyer-Kesternich aus Lückerath, Vorsitzende des Kreisverbandes Euskirchen-Eifel. Meyer-Kesternich ist selbst erst 31 Jahre alt. „In den Verein bin ich irgendwie reingewachsen“, sagt sie. Weil ihre Mutter Mitglied ist, fuhr sie häufig bei Ausflügen mit. Besichtigte Zuckerfabrik, Brauerei und Modeatelier.

Wir brauchen wen Junges.
Claudia Meyer-Kesternich, Kreisvorsitzende der Landfrauen

„Und dann habe ich auf einer Sitzung eine schlaue Frage gestellt“, sagt die Vorsitzende. Die Antwort auf ihre Frage: ein Vorstandsposten, den sie nicht ablehnen konnte. „Man muss sich das so vorstellen“, erklärt die 31-Jährige: „Man hat etwa 50 Frauen vor sich sitzen, die einen alle anschauen und auf einen einreden. Nein zu sagen ist dann keine Option.“ Sie lacht und versichert, dass sie dafür aber auch Verständnis habe, schließlich seien viele Frauen älter als 60 und könnten selbst kein Amt mehr übernehmen. „Und ich möchte, dass es weitergeht.“

Aus dem Leitsatz „Wir brauchen wen Junges“ ist inzwischen ein bundesweites eigenes Netzwerk entstanden: die Jungen Landfrauen. Im Rheinland gibt es derzeit vier regionale Gruppen, weitere befinden sich in der Gründungsphase. Kathrin Dahmen und die 33-jährige Jasmin Schleder (Ortsverband Kall-Nettersheim) sind Mitglieder der Gruppe Rheinland-Süd.

Die Jungen Landfrauen haben ein bundesweites eigenes Netzwerk

Viermal im Jahr treffen sich ihre Mitglieder zu Aktivitäten ohne ihre älteren Kolleginnen. „Einmal haben wir zum Beispiel einen Kettensägenkurs gemacht“, erzählt Schleder. „Oder eine digitale Weinverkostung“, sagt Dahmen. „Trinken am Laptop“, nennt es Meyer-Kesternich und lacht.

Mitglied bei den Jungen Landfrauen könne allerdings nur die werden, die ohnehin schon Mitglied bei den Landfrauen ist, erklärt Schleder. Das koste dann sogar zusätzliche 10 Euro im Jahr (die bekommt Kathrin Dahmen allerdings nicht von ihrer Oma bezahlt).

Claudia Meyer-Kesternich bereitet mit ihren zwei Kindern ein Gericht in der heimischen Küche zu.

So sieht die „typische Landfrau“ aus: Bäuerin Claudia Meyer-Kesternich kocht mit ihren Kindern.

„Vielen ist das zu teuer“, sagt Schleder. Viele Freundinnen habe sie schon anwerben wollen. Alle hätten ihr mit dieser Begründung abgesagt. Schließlich seien die 40 Euro im Jahr nur der Grundbetrag. Für einzelne Veranstaltungen müsse man schließlich noch extra bezahlen. Zudem seien die regulären Landfrauenveranstaltungen wie „Kochen mit dem Thermomix“ oder „Kreative Resteküche“ nicht unbedingt Veranstaltungen, die junge Leute hinter dem Ofen hervorlockten.

Manchmal werden junge Landfrauen von Altersgenossinnen belächelt

„Manchmal wird man dafür belächelt, eine junge Landfrau zu sein“, sagt Kathrin Dahmen. „Viele Leute wissen nicht, was das bedeutet“, ergänzt Meyer-Kesternich. Wann immer sie mit Leuten über den Verband spreche, werde sie erstaunt angeschaut und gefragt: „Echt, du triffst dich zum Kaffeeklatsch mit alten Frauen“? Aber es sei mehr als das, sagt Meyer-Kesternich. Es gehe um geteilte Werte.

Jasmin Schleder bei der Kontrolle von Hühnereiern, die vor ihr liegen. Ein Ei hat sie in der rechten Hand.

Qualitätskontrolle für Hühner und deren Eier ist Jasmin Schleders Job.

Stephanie Meyer ist die jüngere Schwester der Kreisvorsitzenden. Sie ist 28 Jahre alt und die einzige in der Runde junger Frauen, die kein „Pöstchen“ innehat. Zu sehr sei sie beschäftigt mit der Arbeit auf dem elterlichen Hof und in einer Firma für Kürbis-Saatgut. Stephanie Meyer kommt für die Veranstaltungen. Und weil sie mit den anderen Frauen befreundet ist.

Wenn Meyer von dem erzählt, was sie an den Landfrauen begeistert, lehnt sie sich auf der Eckbank in der Küche ihrer großen Schwester immer ganz weit nach vorne. Gestoppt wird sie nur von der Tischkante. Ihre Augen leuchten. Die Geschichten, die sie erzählt, handeln von Gemeinschaftsgefühl, das zwischen Frauen aufkommt, die auf derselben Seite stehen, und von guten Taten.

Es geht um das Gemeinschaftsgefühl und um das Voneinanderlernen

Etwa davon, wie die Landfrauen für die Menschen im Ahrtal, die durch die Flut all ihre Rezepte verloren hatten, die gleichen Rezepte nach bestem Wissen neu aufschrieben und in einem Buch herausgaben. „Nach einem Tag war das Buch ausverkauft“, sagt Meyer. Außerdem hätten sich die Landfrauen für die Mütterrente eingesetzt, ergänzt Schleder. Oder gegen die Schließung der Kreißsäle im ländlichen Raum, sagt Meyer-Kesternich.

Ein bisschen gehe es am Ende aber dann doch auch um „Kaffeekränzchen mit Omas“, sagt Jasmin Schleder. Man müsse sich nur einmal das derzeitige Kreisprogramm anschauen. Einer der Programmpunkte lautet tatsächlich: „Kaffeeklatsch mit Manni Lang“. Und auch bei den Tagesausflügen, ergänzt Meyer-Kesternich, könnten die meisten Frauen eben viel mehr damit anfangen, gemeinsam in ein schönes Café zu gehen und Kuchen zu essen, statt in eine Bar, um Cocktails zu trinken. Für die jungen Frauen ist das aber in Ordnung. Dabei gehe es um Rücksichtnahme und darum, dass jeder glücklich sei, sagt die Vorsitzende.

Kathrin Dahmen sitzt an einem Tisch und korrigiert mit einem Rotstift Aufsätze, vor ihr ein Laptop.

Kathrin Dahmen absolviert gerade ein Referendariat an einer Schule in Münster.

Das Programm sei eine Typfrage, sagt Kathrin Dahmen. Sie selbst freue sich darauf, mit einer Freundin einen Nähkurs zu machen. Meyer-Kesternich: „Ich bin jemand, der gern backt, Marmelade einkocht, Rindfleischsuppe und Sauerbraten macht.“ Schleder sagt: „Claudia ist wirklich eine typische Landfrau.“

Ältere Frauen teilen ihr „geheimes Wissen“ mit den Jüngeren

Kathrin Dahmen gefällt, wie die älteren Landfrauen ihr geheimes Wissen an die Jüngeren weitergeben. Ein geheimes Wissen darüber, wie man zum Beispiel die beste Marmelade macht. Das sei ein Wissen, das man sonst nirgends finde – weder in Büchern noch auf Youtube. Sich gegenseitig unterstützen und voneinander lernen, das ist etwas, was das Landfrauen-Dasein ausmache. Da sind die vier jungen Frauen sich einig.

Doch der Lernprozess geht in beide Richtungen. Dadurch, dass die Orts-, Bundes- und Landesverbände sich gerade verjüngen, gibt es Veränderungen. „Ich glaube, wir erleben gerade eine Zeit des Wechsels“, sagt Dahmen. „Wir sind neu und wir sind jung“, fügt Meyer-Kesternich hinzu. „Deswegen werden wir vieles verändern.“

Kathrin Dahmen steht mit Maske vor einer Schultafel.

Eine Landfrau muss keinem landwirtschaftlichen Betrieb angehören: Kathrin Dahmen ist angehende Lehrerin.

Eine Stellschraube, an der der junge Euskirchener Kreisverband dreht: „Wir haben beschlossen, dass wir moderner und digitaler werden möchten“, sagt Meyer-Kesternich. Sie gibt ein Beispiel: „Früher sind die Vorsitzenden der Ortsverbände durch das Dorf gelaufen, haben an den Haustüren geklingelt, um das neue Jahresprogramm zu verteilen und den Mitgliedsbeitrag zu kassieren.“ Das sei heute nicht mehr so. Wie es heute ist? „Wir versenden die Programme – per Post.“ Einen Moment lang ist es ganz still. Dann platzt Gelächter aus den Frauen.

Post und Einzugslastschrift statt Herumlaufen und Bargeld kassieren seien aber schon ein Fortschritt. „Wir machen kleine Schritte“, erklärt die Vorsitzende. Aber etwas digitaler seien die Landfrauen schon geworden, sagt Dahmen. So fänden die Vorstandssitzungen inzwischen über Zoom oder Teams statt. Viele Frauen seien zudem in der Whatsapp-Gruppe. Mitteilungen würden dort geteilt, statt sie unzählige Male auszudrucken.

Werden die Landfrauen digitaler?

Jasmin Schleder denkt, dass die Veränderung ohnehin von ganz alleine komme. Sie komme nämlich mit den Frauen, die derzeit Landfrauen seien. Wenn Schleder, Dahmen, Meyer und Meyer-Kesternich alt sind, dann seien sie eben Landfrauen, die Social Media benutzten – „oder, was auch immer es dann gibt.“

Es gebe aber auch jetzt schon beides, sagt Dahmen. Ältere Damen, die fleißig in der Whatsapp-Gruppe chatteten, und andere, die nicht einmal eine E-Mail-Adresse hätten und nur über das Festnetz zu erreichen seien. Veränderung passiere eben langsam, sagt die Vorsitzende. Abgesehen davon: „Erzwingen kann man hier ohnehin nichts, wir sind hier in der Eifel und da haben alle einen starken Willen.“