Die Zahl der Ersthelfer, die übers Smartphone alarmiert werden, steigt stetig. Hilfe wird erschwert, weil Defibrillatoren zerstört werden.
Corhelper per AppIm Kreis Euskirchen gibt es mehr als 1500 mögliche Lebensretter
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Jährlich erleiden in Deutschland rund 120.000 Menschen einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Nur jeder Zehnte überlebt, da die Überlebenschance ohne sofortige Wiederbelebung pro Minute um zehn Prozent sinkt. Diese Zahlen hat nun der Zweckverband Region Aachen veröffentlich.
Der hat nämlich vor drei Jahren mit der Stadt Aachen, der Städteregion Aachen und den Kreisen Düren, Euskirchen und Heinsberg gemeinsam die Initiative „Region Aachen rettet“ gestartet. Mithilfe der Initiative soll die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes durch Ersthelfer überbrückt und mit der Wiederbelebung frühzeitig begonnen werden.
Ersthelfer werden über App auf dem Smartphone alarmiert
Alarmiert werden die Ersthelfer über die App „Corhelper“. Die steht für jedes Smartphone-Betriebssystem kostenfrei zum Download bereit und richtet sich nicht an den professionellen Rettungsdienst, sondern an Ersthelfer, die einem Patienten schon vor dem Eintreffen der Rettungsdienstler helfen – also den Menschen von nebenan.
Und von diesen Menschen gibt es im Kreis Euskirchen nach Angaben von Martin Duske, Leiter des Projekts im Kreis, mittlerweile 1540. „Es zeigt, dass der Eifeler und Voreifeler sehr die Nächstenliebe praktiziert“, sagt Duske, der ziemlich stolz auf die Zahl ist.
Corhelper aus Bad Münstereifel nun in Aachen geehrt
Und seine Brust wird sogar noch ein wenig breiter, als er die Zahl 718 in den Raum wirft. 718 der Corhelper haben nämlich keinen rettungsdienstlichen Hintergrund. „Die haben sich gesagt, dass sie ihrem Nachbarn oder ihren Mitmenschen im Dorf oder in der Stadt helfen wollen. Das ist überwältigend“, so Duske.
Einer dieser Ersthelfer ist Ernst Springer aus Bad Münstereifel. Er wurde nun für sein Engagement in Aachen – stellvertretend für viele andere Helfer aus dem Kreis – geehrt. „Ihre Hilfsbereitschaft ist ein Beispiel dafür, wie wichtig das Engagement von Laien in der Ersten Hilfe ist“, sagt Julia Baron, Fachbereichsleiterin Gefahrenabwehr des Kreises Euskirchen.
In den vergangenen drei Jahren hat es nach Angaben von Martin Duske 685 Einsätze für die Corhelper gegeben, die im Schnitt fünf Minuten vor dem Rettungsdienst an der Einsatzstelle waren. „Und das bei unserem sehr gut funktionierenden Rettungsdienst. Man kann also mit Fug und Recht behaupten, dass wir mit dem Gesamtkonzept aus Rettungsdienst und Corhelper eine Vorzeigeregion sind“, so Duske.
Martin Fehrmann, Abteilungsleiter Gefahrenabwehr im Kreis Euskirchen, ist von den Zahlen der Corhelper beeindruckt. „Ich hätte nie mit solchen Zahlen gerechnet. Und die Tendenz ist steigend“, so Fehrmann. Das bestätigt Duske mit einem konkreten Beispiel: „Wir haben richtige Corhelper-Rettungsteams in den Ortschaften – beispielsweise haben wir vor Weihnachten noch eine Schulung in Nöthen. Es ist immens, was da für ein Interesse am Mitmenschen besteht.“
App sucht automatisch nach drei Ersthelfern in der Nähe des Notfalls
Doch wie funktioniert das Corhelper-Konzept konkret? „Der Ersthelfer wird beim Einsatzstichwort Herz-Kreislauf-Stillstand parallel zu den Rettungssanitätern und zum Notarzt alarmiert“, erläutert Fehrmann: „Und zwar nur bei diesem Einsatzstichwort. Corhelper werden nicht bei einem Autounfall alarmiert.“
Die App suche automatisch nach drei Ersthelfern in einem Radius von 100 Metern zum Einsatzort. Sollte keiner zur Verfügung stehen, werde der Radius automatisch erweitert – bis auf 2,5 Kilometer. Der registrierte Ersthelfer erhalte einen Alarm aufs Smartphone, den er entweder annehmen oder ablehnen könne. „Niemand hat irgendwelche Konsequenzen zu fürchten, wenn er mal nicht kann“, sagt Duske.
Erkläre man sich bereit, den Einsatz anzunehmen, leite die App mit einem Routenplaner den Ersthelfer unmittelbar zum Einsatzort. Vor Ort unterstützt die App den Ersthelfer, beispielsweise durch ein Metronomgeräusch, damit man nicht zu schnell reanimiert. „Und nach dem Einsatz erfolgt eine Nachbesprechung, weil Erste Hilfe belastend sein kann“, so Fehrmann.
Unterstützen kann man den professionellen Rettungsdienst im Kreis, wenn man mindestens 18 Jahre alt ist und eine zertifizierte Erste-Hilfe-Bescheinigung hat, beispielsweise in Form einer Feuerwehrurkunde. Zudem gibt es eine jährliche Fortbildung durch den Kreis. Ansonsten sei die Hürde, ein möglicher Lebensretter zu werden, aber sehr niedrig, so Duske.
Den einen oder anderen Corhelper habe man auch dank Kooperationen mit dem DRK, den Maltesern oder Erste-Hilfe-Schulen gewonnen. „Nach dem Erste-Hilfe-Kurs wird dann noch was zur smartphonebasierten Ersthelferalarmierung gesagt. Es gibt eine Einweisung und dann können die Menschen sofort als Corhelper freigeschaltet werden“, erklärt Duske.
Defibrillatoren werden zerstört oder gestohlen
Der Frust beim Verein „Lebensretter“ ist groß. Der Verein „Lebensretter im Kreis Euskirchen“ ist vor etwa einem Jahr von Dr. Jesko Priewe, Michael Gissinger, Barbara Priewe, Eva Klein und Dirk Rose gegründet worden. Er hat sich zum Ziel gesetzt, die Abdeckung mit Automatisierten Externen Defibrillatoren (AED) im Kreis Euskirchen zu verbessern.
178 AEDs hat der Verein nach eigenen Angaben im Kreis installiert. Zuletzt kam es quer durch den Kreis immer wieder zu Diebstählen oder mutwilliger Zerstörung der lebensrettenden Geräte – in Weilerswist, Kall, Zülpich oder Euskirchen.
„Die Kosten betragen pro Gerät etwa 1500 Euro plus zwei bis drei Stunden fürs Ersetzen“, erklärt Michael Gissinger: „Wir sind fassungslos, wie man so das Leben der Mitmenschen fahrlässig aufs Spiel setzt. Es ist nicht cool, einen Defibrillator zu zerstören oder zu entwenden.“
Nach Angaben des Kreises Euskirchen gibt es im Kreisgebiet 463 AEDs. Davon sind 205 rund um die Uhr öffentlich zugänglich.