Bundestagsmitglied Detlef Seif traf sich mit Apothekern aus dem Kreis Euskirchen. Danach schrieb er Minister Karl Lauterbach einen Brief.
Kritik an LauterbachApotheker und Politiker sorgen sich um Versorgung im Kreis Euskirchen
Eine Antwort von Karl Lauterbach habe er noch nicht erhalten, sagte Detlef Seif am Montag dieser Woche. Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Weilerswist hatte den SPD-Bundesgesundheitsminister Anfang des Monats angeschrieben. Der Brief schloss mit der Aufforderung: „Bessern Sie Ihren Entwurf nach!“
Es geht dabei um den Entwurf für ein Gesetz, mit dem Lauterbach dem Apothekensterben entgegenwirken möchte, aber nach Ansicht von Seif genau das Gegenteil bewirkt. Er befürchte, dass es über kurz oder lang weniger Apotheken im Kreis geben werde – und das hätte Folgen, so Seif: „Nach dem Apothekensterben folgt die Unterversorgung des ländlichen Raums.“ Seif hat dieses Schreiben nach einem Treffen mit 20 Apothekern und Pharmazeutisch-Technischen Assistenten (PTA) aus dem Wahlkreis in Mechernich verfasst. Die sehen Lauterbachs Pläne, vorsichtig ausgedrückt, sehr kritisch. Ein Rezept gegen das Apothekensterben sei es auf keinen Fall.
Dass es etwa Notapotheken künftig ohne Apotheker geben soll, stößt den Betreibern und Mitarbeitern bitter auf. Die Anwesenheit eines Apothekers sei dann nicht mehr notwendig, erläutert Seif. Die Betreuung in der Apotheke solle auch durch Pharmazeutisch-Technische Assistenten (PTA) wahrgenommen werden können.
Kreis Euskirchen: Apothekerin nennt Lauterbachs Pläne „skrupellos“
„Lauterbachs Pläne sind skrupellos. Einrichtungen ohne Apotheker sind keine Apotheken“, sagte eine Apothekeninhaberin laut Seif bei dem Treffen. Der Sprecher der Apotheker im Kreis Euskirchen, Dr. Thomas Göbel, bestätigt das Zitat im Gespräch mit dieser Zeitung, auch den Satz einer PTA, den Seif in seiner Mitteilung erwähnt: „Die Ausbildung zu einer PTA befähigt nicht zur umfassenden Betreuung der Kunden in der Apotheke. Wir sind hierfür nicht ausgebildet!“
Laut Göbel besteht die Gefahr, dass es gerade in den ländlichen Bereichen im Kreis Euskirchen nur noch „Pseudo-Apotheken mit stark eingeschränkten Leistungsspektrum“ geben werde. Es sei dann dort zum Beispiel schwieriger, Betäubungsmittel zur Schmerzbekämpfung zu erhalten oder vor Ort gefertigte Rezepturen, für die es auch nach den Plänen aus dem Gesundheitsministerium eines Apothekers bedürfe. Göbel: „Im Kern will Lauterbach, dass PTA – ein Ausbildungsberuf nach zweieinhalb Jahren – die Apotheken leiten können.“
Dass solche Pläne das Apothekensterben stoppen könnten, bezweifelt Göbel vehement. Davon sei im Übrigen auch der Kreis Euskirchen betroffen: Vor zehn Jahren habe es hierzulande noch 46 Geschäfte gegeben, heute seien es noch 38.
Das, so der Kreis-Vertrauensapotheker, liege vor allem an schlechten wirtschaftlichen Bedingungen für die Apotheken. Auch da biete der Referentenentwurf keine Lösung – im Gegenteil, wie Seif betont: „Neben einer geringfügigen Erhöhung des Festbeitrages für rezeptpflichtige Arzneimittel soll die auf den Einkaufspreis bezogene prozentuale Vergütung gesenkt werden. Der variable Bestandteil des Honorars wird damit um mehr als 30 Prozent reduziert.“
Im Frühjahr erst habe die Apotheken-Inhaber ein Beschluss des Bundesgerichtshofes ereilt, der ihr Betriebsergebnis maßgeblich beeinträchtige. „Das bedeutet Honorareinbußen für die meisten Apotheken von bis zu 40 Prozent, was dazu führen wird, dass viele Apotheken ihren Betrieb aufgeben müssen“, konstatiert Göbel.
Beschluss des Bundesgerichtshofs trifft Apotheker hart
Das Gericht hatte nach einer Klage der Wettbewerbszentrale beschlossen, dass Rabatt und Skonti nicht über 3,15 Prozent hinausgehen dürfen. „Bisher hatten Apotheken fünf bis sechs Prozent an Skonto und Rabatt insgesamt“, erläutert Göbel.
Hatten sie die Ware in einem vorgegebenen Zeitraum bezahlt, kamen sie in den Genuss des Skontos. Damit hätten die Inhaber rechnen können. Skonti und Rabatt würden aber jetzt auf rund drei Prozent beschnitten. Auch dazu schrieb Seif an Lauterbach: „Das Ihnen bekannte Skonto-Urteil des Bundesgerichtshofs, dass Preisnachlässe von Apotheken signifikant einschränkt, kann von Ihnen als Gesundheitsminister nicht unbeantwortet bleiben: Es müssen gesetzliche Regelungen geschaffen werden, damit die bisherigen Preisnachlässe, die einen wesentlichen Bestandteil der Honorarvergütung ausmachen, weiterhin möglich sind.“
Das wäre Göbel zufolge auch ohne Weiteres möglich. Lauterbach brauche dafür kein großes Gesetzesvorhaben: „Er hat aber gesagt, er wolle das an das laufende Gesetzesverfahren anhängen. Das jedoch kann noch bis Ende des Jahres laufen. Und die Apotheken verlieren jeden Monat substanziell Geld.“
Kreis-Apotheker: Entwurf fordert indirekt, Mitarbeiter zu entlassen
Das aber bräuchten sie, um ihre Beschäftigten und die Mieten zu bezahlen oder Kredite zu bedienen. „Der Referentenentwurf von Lauterbach fordert uns indirekt auf, Mitarbeiter zu entlassen“, sagt Göbel.
Seit einigen Jahren sind die Apotheken-Inhaber verstärkt auf der Zinne. Auch im Kreis Euskirchen hatten sie ihre Geschäfte an „Protesttagen“ nicht geöffnet. „Wir Apotheker jammern nicht auf hohem Niveau“, stellt Göbel klar: „Viele Inhaber verdienen weniger als ihre angestellten Apotheker.“
Er weiß auch, dass in weiten Teilen der Bevölkerung ein anderes Bild herrscht: „Ja, vor 20 oder 30 Jahren wurde sehr viel Geld verdient“, sagt er. Das aber habe sich spätestens unter der ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) geändert – und diese Entwicklung werde durch Karl Lauterbachs Pläne verstärkt.
Apotheker haben es schwer, Nachfolger zu finden
Da wundere es ihn kaum noch, dass ausscheidende Pharmazeuten sich schwertun, Nachfolger für ihre Geschäfte finden, so Göbel. In den Ballungsgebieten sei das einfacher, aber auf dem Land immer schwieriger.
Mangelnden Respekt wirft der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Gesundheitsausschuss des Bundestages, Dr. Georg Kippels, Lauterbach vor: „Das Gesundheitsministerium hat den Referentenentwurf bewusst ohne die Einbeziehung der Verbände verfasst, um keinen Widerstand zu erfahren.“ Politik funktioniere aber nur im Austausch, „nicht mit Vorgaben aus dem Elfenbeinturm“, so Kippels, der auf Einladung von Seif am Treffen in Mechernich teilnahm.
Ob der Protest helfen wird? Seif schreibt an den Minister, dass sein Gesetz die Versorgung der Menschen im ländlichen Raum gefährde: „Das ist unverantwortlich.“
Viel Zeit ist nicht mehr: Der Gesetzentwurf soll auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts für die Sitzung am 17. Juli stehen.
Die Bitte der Redaktion um eine Stellungnahme zu den Aussagen der Apotheker und Politiker ließ die Pressestelle des Bundesgesundheitsministeriums bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe unbeantwortet.
Auch im Kreis Euskirchen ist die Zahl der Apotheken zurückgegangen
Die Zahl der Apotheken (inklusive Filialapotheken) ist laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) bundesweit von 19.898 im Jahr 1990 auf 17.571 in 2023 zurückgegangen.
Zum Jahresende 2023 gab es in Nordrhein-Westfalen 3719 Apotheken, das sind 21 je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Damit liegt NRW im unteren Bereich der Bundesländer. Im Kreis Euskirchen sank die Zahl laut Vertrauensapotheker Thomas Göbel in den vergangenen zehn Jahren von 46 auf 38.