Die Anträge von Investoren, geförderte und mietgünstige Wohnungen zu bauen, häufen sich. Doch reicht das, um der Wohnungsnot zu begegnen?
ÜberraschungImmer mehr Investoren wollen Sozialwohnungen im Kreis Euskirchen bauen
In der Kreisverwaltung reiben sich manche die Augen. Die Anträge von Investoren für geförderten Wohnraum (früher: Sozialer Wohnungsbau) stapeln sich in diesen Tagen in ungewohnte Höhen. Schon zweimal musste das Land in diesem Jahr zusätzliche Mittel für den geförderten Wohnungsbau im Kreis Euskirchen zur Verfügung stellen. Nur eine Momentaufnahme? Oder doch ein Lichtblick? Hier Antworten auf wichtige Fragen:
Wie viele geförderte Wohnungen gibt es im Kreis Euskirchen?
Ende 2021 waren es im Kreis Euskirchen laut NRW.Bank 2330 Wohneinheiten. Demnach lag der Anteil an Sozialwohnungen in Gebäuden mit drei oder mehr Wohnungen zwischen 5 und 7,5 Prozent.
Wie hoch ist die Nachfrage nach Förderungen?
„Es gibt seit sechs Monaten einen wahren Run auf die Förderung“, sagte Erich Warnken, Teamleiter der Abteilung Bauen und Wohnen beim Kreis, im Juni. Die Kreisverwaltung ist die finale Entscheidungsbehörde für den geförderten Wohnungsbau im Kreis. „Wir haben zurzeit sieben Anträge für insgesamt 114 Wohneinheiten vorliegen“, so Warnken. Seit 2002 sei er für den Bereich Wohnen beim Kreis tätig, sagt er: „So einen Run habe ich noch nicht erlebt.“
Wie ist dieser Run der Investoren im Kreis Euskirchen zu erklären?
Das ist schwer zu beantworten. Einige Experten denken, dass sich Bauherren auf diesen Bereich stürzen, weil sie fürchten, frei finanzierte Wohnungen wegen der gestiegenen Kosten und Zinsen auf dem freien Markt nicht mehr so gut verkaufen zu können. Die attraktiven Zinsen im geförderten Wohnungsbau, so andere Fachleute, so der Euskirchener SPD-Fraktionschef Michael Höllmann, strahlten zudem noch heller angesichts der Zinsen, die die Banken inzwischen wieder aufrufen.
Zeichnet sich also eine Lösung der Wohnungskrise ab?
Wohl kaum. Zunächst müssen aus den Anträgen erstmal Gebäude werden, das dauert seine Zeit. Zeit, die viele Wohnungssuchende nicht haben. Und dass viele Menschen nach bezahlbaren beziehungsweise geförderten Wohnraum suchen, zeigt die Nachfrage nach Wohnberechtigungsscheinen (WBS). 2020 wurden im Kreis 491, 2021 499 WBS ausgestellt und im vergangenen Jahr war ein rasanter Anstieg auf 661 zu verzeichnen, wie Lisa Rodermann, beim Kreis zuständig für Kreisentwicklung, Planung und Nachhaltigkeit, erläutert.
Gibt es denn bald mehr geförderten Wohnraum im Kreis Euskirchen?
Nicht zwangsläufig. Es gehen ja auch viele geförderte Wohnungen aus der Mietbindung heraus, weil sie 20 oder 25 Jahre auf dem Buckel haben. Bis 2035 werden es rund 47 Prozent im Kreis sein, prognostiziert die NRW.Bank. Dann gäbe es nur noch 1220 Wohneinheiten, sofern nicht durch den Bau weiterer geförderter Wohneinheiten entgegengewirkt werde.
Wie sieht die Entwicklung auf dem geförderten Wohnungsmarkt aus?
2022 sind immerhin 51 Wohnungen im Sozialen Wohnungsbau mit neun Millionen Euro im Kreis gefördert worden, wie Achim Blindert, der Allgemeine Vertreter des Landrats, zu Beginn des Jahres bilanzierte. Im Jahr zuvor seien es neun Wohneinheiten für insgesamt 1,5 Millionen gewesen. Auch die NRW.Bank stellt einen überdurchschnittlichen Zuwachs von 2021 auf 2022 im Kreis fest.
Gibt es genug Fördermittel, um den Anträgen zu entsprechen?
Schon zweimal habe das Land das Budget, das der Kreis Euskirchen im geförderten Wohnungsbau bewilligen darf, in diesem Jahr erhöht — auf nunmehr 10,1 Millionen Euro, so Warnken. Von ähnlichen Entwicklungen habe er aus anderen Kreisen und kreisfreien Städten gehört.
Wie viel Geld steht für Sozialen Wohnungsbau zur Verfügung?
Im Topf des Landes befinden sich für 2023 1,6 Milliarden Euro für alle Förderangebote im Bereich Wohnraumförderung in NRW – unter anderem geförderte Mietwohnungen, geförderte Eigenheime und für Modernisierungen. Auch nicht geförderte, also frei finanzierte Mietwohnungen und selbst genutztes Wohneigentum können über die Richtlinie Modernisierung (RL Mod) gefördert werden. Bei Mietwohnungen wird mit der Förderung jedoch eine (neue) Zweck- und Mietpreisbindung begründet. Bei selbst genutztem Wohneigentum ist das Objekt für die Dauer der vereinbarten Zweckbindung zu eigenen Wohnzwecken selbst zu nutzen.
Welche Rolle spielt die Mietbindung für Investoren und Mieter?
Weil der Bau der Wohnungen vom Land gefördert wird, dürfen die Vermieter im Kreis Euskirchen für die geförderten Wohnungen nur bis zu sechs Euro pro Quadratmeter an Kaltmiete verlangen – und das prinzipiell wahlweise für 25 oder 30 Jahre. Es hat aber in der Vergangenheit Anpassungen bezüglich des Zeitraums der Zweckbindung gegeben. Nach der Bindung kann die Wohnung frei am Markt vermietet oder eine Bindungsverlängerung um weitere 10 oder 15 Jahre mit bestehenden Konditionen beantragt werden.
Wer darf in geförderten Wohnungen wohnen?
Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) – und den können mehr Menschen bekommen als oftmals gedacht wird. „Laut NRW.Bank sind es etwa die Hälfte der Haushalte, unter den Seniorenhaushalten sind es sogar 80 Prozent“, erläutert Lisa Rodermann. WBS-berechtigt sind sozialversicherungspflichtige Haushalte: Einzelpersonen mit einem Brutto-Jahreseinkommen von bis zu 33 106 Euro, bei zwei unverheirateten Personen bis zu 45 888 Euro (mit einem Kind: 49 638, mit zwei Kindern: 59 638).
Zwei Personen, verheiratet, mit einem Kind dürfen bis zu 55 910 Euro verdienen, mit zwei Kindern 65 900 Euro. Alleinstehende Rentner und Rentnerinnen dürfen ein Bruttoeinkommen von bis zu 27 170 und zwei Personen von bis zu 37 934 Euro haben, um einen WBS zu bekommen.
Übrigens: Wer einmal mit einem WBS in eine geförderte Wohnung eingezogen ist, darf bleiben, auch wenn das Einkommen – egal wie hoch - steigen sollte. Erst beim Auszug fällt dann die Berechtigung weg.
Wie hoch sind die Förderungen für die Investoren?
Die sind aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen von Bauort zu Bauort verschieden ausgestaltet. Für den Kreis Euskirchen gilt: Pro Quadratmeter bekommt der Investor für die Neuschaffung von Wohnraum für die Einkommensgruppe A (zukünftige Mieter halten die Einkommensgrenzen ein) ein Grunddarlehen in Höhe von 3010 Euro pro Quadratmeter, wobei im Kreis Euskirchen bei einer 25-jährigen Mietpreisbindung 30 Prozent und bei einer 30-jährigen 35 Prozent Tilgungsnachlass gewährt werden kann.
Darüber hinaus gibt es niedrige Zinsen: In den ersten fünf Jahren fallen gar keine Zinsen auf das Förderdarlehen an, sondern lediglich die 0,5 Prozent Verwaltungskostenbeitrag an die NRW.Bank pro Jahr, die den Investor für die Laufzeit der Darlehen (bis zur Rückzahlung) begleiten. Ab dem fünften Jahr fällt ein Zins von 0,5 Prozent an. Eine tilgungsfreie Anlaufzeit von fünf Jahren ist möglich.
Der Investor muss allerdings zehn Prozent der Gesamtkosten als Eigenleistung vorweisen. Es gibt neben dieser Einkommensgruppe A auch eine Einkommensgruppe B (Einkommensgrenzen der zukünftigen Mieter dürfen die Einkommensgrenzen um bis zu 40 Prozent übersteigen): Hier wird der Quadratmeter mit 1820 Euro gefördert, die Mieter verdienen brutto somit mehr als die in der Einkommensgruppe A und ihnen dürfen 6,80 Euro Monatskaltmiete/Quadratmeter abverlangt werden.
Fördert der Staat auch Eigentum - und wenn ja, wann?
Ja. Auch hier sei die Nachfrage bereits im vergangenen Jahr rasant gestiegen, stellt Warnken fest. Voraussetzung ist hier unter anderem die Einhaltung der Einkommensgrenzen. Die Förderhöhen unterscheiden sich in den einzelnen Kommunen des Kreises Euskirchen, sind darüber hinaus abhängig von dem Haushalt (etwa mit Kindern) und dem Qualitätsstandard des zu fördernden Objektes (verschiedene Zusatzdarlehen sind hier möglich). Eine Beratung beim Kreis Euskirchen ist hier auf jeden Fall sinnvoll.