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Schuldner-AtlasJeder elfte Erwachsene im Kreis Euskirchen war 2023 in der Schuldenfalle

Lesezeit 5 Minuten
Ein Mann sitzt in einem Beratungsgespräch bei der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle. Ein Mitarbeiter füllt das Formular aus, im Vordergrund liegt ein Buch über die Insolvenzordnung.

Oftmals hilft nur noch ein Privat-Insolvenzantrag.

Im bundesweiten Vergleich liegt der Kreis Euskirchen fast im oberen Viertel, wenn es um den Anteil überschuldeter Personen gibt.

Arbeitslosigkeit, unerwartete Einschnitte beim Gehalt, Scheidung oder Trennung – das sind die Gründe, die Menschen in die Schuldenfalle tappen lassen. In ihrer täglichen Arbeit hören die Mitarbeiterinnen der Schuldnerberatung beim Caritasverband Euskirchen zudem Geschichten von gescheiterter Selbstständigkeit, Krankheiten, Sucht oder geplatzten Immobilienfinanzierungen.

Oftmals ist es auch einfach verfehltes Konsumverhalten oder – vor allem bei jüngeren Menschen – schlicht die Unwissenheit über den angemessenen Umgang mit Geld.

Woran es im Einzelfall auch liegt, die Arbeit für die Schuldnerberaterinnen des Caritasverbandes Euskirchen ist nicht weniger geworden. „Wir haben in den vergangenen Jahren eine unverändert hohe Nachfrage nach Beratungsterminen“, sagt Caritas-Pressesprecherin Martina Schneider: „Dieser Trend hält an.“

10.620 Menschen im Kreis waren 2023 überschuldet

Das zeigen auch die Zahlen im „SchuldnerAtlas 2023 – Metropolregion Köln/Bonn“ von Creditreform Köln und Creditreform Bonn Trier. Demnach ist etwa jeder elfte Erwachsene im Kreis Euskirchen betroffen. 10.620 Menschen im Kreis waren 2023 laut der Erhebung überschuldet, also knapp neun Prozent der über 18-Jährigen.

Viele ignorieren im Vorfeld die Situation, machen die Briefe ihrer Gläubiger nicht auf, oder werfen Sie direkt in den Müll.
Martina Schneider, Pressesprecherin der Caritas Euskirchen

Und was in der Erhebung zunächst positiv stimmen könnte, entpuppt sich am Ende auch noch als schlechte Nachricht: Die Zahl der überschuldeten Personen im Kreis Euskirchen ist im Vergleich zu 2022 um gut drei Prozent gesunken. So steht es in dem Papier, doch das ist bekanntlich geduldig.

Der Rückgang, der auch bundesweit dargestellt wird, sei rein auf statistische Sondereffekte zurückzuführen, teilen die Autoren mit. 2020 wurde die Dauer des Verbraucherinsolvenzverfahrens von sechs auf drei Jahre verkürzt. Die Speicherfristen der Verfahren seien also kürzer, erläutert Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform.

Kreis Euskirchen viel schlechter als andere ländliche Bereiche

Hätten die Autoren für die 2023er-Zahlen die alte Lesart angewendet, wäre bundesweit ein Anstieg um 17.000 Fälle im Vergleich 2022 zu verbuchen gewesen. So verschwindet also auch noch dieser kleine Hoffnungsschimmer.

Für den Kreis Euskirchen kommt erschwerend hinzu: Selbst nach der neuen, „wohlwollenden“ Lesart steht der Kreis schlechter da als viele andere Gebietskörperschaften in der Region. Demnach ging die Zahl um 3,01 Prozent von 10.950 im Jahr 2022 auf 10.620 überschuldete Bürgerinnen und Bürgern im Kreis Euskirchen zurück, im Rheinisch-Bergischen Kreis beispielsweise ist die Zahl aber um 6,5 Prozent gesunken.

Verglichen mit dem Landesschnitt steht der Kreis ebenfalls schlecht da: In NRW ging die Zahl um 3,33 Prozent von 1,5 Millionen auf 1,45 Millionen zurück, deutschland-weit um 3,91 Prozent von 5,88 auf 5,65 Millionen Betroffene – alles nach neuer Lesart, versteht sich.

Bringen viele Zuzügler ihre Schulden aus Köln oder Bonn mit?

Auch bei der Schuldnerquote, also dem Anteil der überschuldeten Personen an der Gesamtbevölkerung (ab 18 Jahren), steht der Kreis Euskirchen nicht gut da: Mit 9,0 Prozent befindet er sich zwar vor der Stadt Köln (9,5), dem Rhein-Erft-Kreis (9,1), aber hinter dem Oberbergischen Kreis (7,96), dem Rheinisch-Bergischen Kreis (6,86), der Stadt Bonn (6,6) und dem Rhein-Sieg-Kreis (7,1). NRW-weit liegt die Quote bei 9,7, bundesweit bei 8,2.

Von den 400 Kreisen und kreisfreien Städten bundesweit landet der Kreis Euskirchen auf Rang 298 – und somit fast im unteren Viertel.

Wie aber kommt es, dass im Kreis Euskirchen vergleichsweise viele überschuldeten Menschen leben? Martina Schneider und ihre Kolleginnen von der Caritas haben zwar keine Zahlen für eine Erklärung: „Wir vermuten aber, dass wegen der hohen Mieten in den Großstädten viele Menschen mit angespannter Finanzlage in Gebiete abwandern, wo sie sich die Mieten noch leisten können. Ihre Schuldenproblematik nehmen sie dann natürlich mit“, so Schneider.

Caritas Euskirchen rät Betroffenen zu einer frühzeitigen Beratung

Wie so oft bei Beratungen, kämen die Betroffenen in der Regel sehr spät, zuweilen zu spät. Nicht selten habe sich der Gerichtsvollzieher schon angekündigt oder sei das Konto schon gepfändet, erläutert die Sprecherin: „Viele ignorieren im Vorfeld die Situation, machen die Briefe ihrer Gläubiger nicht auf, oder werfen sie direkt in den Müll.“

In dieser brenzligen Situation meldeten sich die Betroffenen bei der Beratungsstelle – mit der Erwartung, dass die ihnen sofort einen Termin und eine schnelle Lösung biete. „In den meisten Fällen“, so Schneider, „kommt zur Entschuldung nur die Beantragung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens in Betracht.“

Daher sei bei finanziellen Schwierigkeiten eine frühzeitige Beratung wichtig. Auch wenn es für die Überschuldungsproblematik vielleicht keine schnelle, einfache Lösung gebe, sei es gut, auf eventuelle Vollstreckungsmaßnahmen vorbereitet zu sein und zu wissen, was auf einen zukomme.


Das sind die Kriterien für eine Überschuldung

Eine Überschuldung liegt laut den Autoren der Studie dann vor, wenn der Schuldner die Summe seiner Zahlungsverpflichtungen auch in absehbarer Zeit nicht begleichen kann und ihm zur Deckung seines Lebensunterhaltes weder Vermögen noch Kreditmöglichkeiten zur Verfügung stehen: „Oder kurz: Die zu leistenden Gesamtausgaben sind höher als die Einnahmen“, heißt es in der Präsentation der Zahlen von Creditreform Köln und Creditreform Bonn Trier.


So funktioniert ein Verbraucherinsolvenzverfahren

Nach der Insolvenzordnung können sich überschuldete Verbraucherinnen und Verbraucher laut Verbraucherzentrale mit einem Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens in der Regel innerhalb von drei Jahren von ihren Schulden befreien. Während dieser Zeit müssen sie als Schuldner das pfändbare Einkommen an einen Treuhänder abtreten. Dieser verteilt die eingezogenen Beträge an seine Gläubiger.

Reichen diese Beträge nicht aus, um die gesamten Schulden zu tilgen, werden ihnen nach Ablauf des Verfahrens die restlichen Schulden erlassen. Sind sie so mittellos, dass trotz ihrer Bemühungen während der Laufzeit des Verfahrens keine Vermögenswerte oder pfändbare Einkünfte verteilt werden, werden sie von der Zahlungspflicht für ihre gesamten Schulden befreit.


Die Schuldnerberatung des Caritasverbands Euskirchen

So ist die Schuldnerberatung des Caritasverbandes Euskirchen zu erreichen: Beatrix Salz (E-Mail), Wilhelmstr. 52, 53879 Euskirchen, Tel.: 02251 / 7000-47, telefonische Sprechzeiten: montags bis donnerstags von 11.30 - 12.30. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage der Caritas.