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FehlinterpretationenSirenen sollen im Kreis Euskirchen nicht mehr für die Feuerwehr heulen

Lesezeit 6 Minuten
Im Kreis Euskirchen sollen bald die Sirenen nur noch dem Bevölkerungsschutz dienen. Auf dem Kreishaus ist eine Sirene der Stadt Euskirchen montiert.

Auf dem Kreishaus ist eine Sirene der Stadt Euskirchen installiert. Sie heult nur noch, wenn Gefahr für die Bevölkerung herrscht.

Die Landesregierung will die Feuerwehralarmierung umstellen. Sirenen sollen im Kreis Euskirchen künftig nur in besonderen Fällen heulen.

Heult die Sirene, rückt gleich die Feuerwehr aus – eine Gleichung, die bald in Nordrhein-Westfalen nicht mehr gelten wird. Die derzeit 229 Sirenen im Kreis und die mehr als 5800 in NRW sollen nach Angaben des Innenministeriums künftig ausschließlich zur Warnung der Bevölkerung dienen.

Durch die Abschaffung dieser Form der Alarmierung für Einsatzkräfte soll die Sirene einzig dem Warnzweck zugeordnet werden. „Das Sirenensignal muss das Alleinstellungsmerkmal als Warnung vor Gefahren und Katastrophen sein und sollte daher als Alarmierungsmittel für die Feuerwehr nicht mehr benutzt werden“, sagt Innenminister Herbert Reul.

Land will Fehlinterpretation der Töne vermeiden

Im Sinne einer landeseinheitlichen Krisenvorsorge solle so eine Fehlinterpretation und eine Verwechslung von Warnsirenensignalen vermieden werden.

In Schleiden sind aktuell 19 Sirenen am Netz, bei zwei weiteren Standorten wird laut Bürgermeister Ingo Pfennings geprüft, ob eine Installation sinnvoll ist. Eine entsprechende Untersuchung habe bereits stattgefunden, das Ergebnis liege aber noch nicht vor, so Pfennings.

Schleidens Bürgermeister befürwortet den stillen Alarm bei der Feuerwehr

Er befürwortet, dass Sirenen künftig nur noch bei einem Katastrophen- oder Großschadensfall heulen sollen, um die Bevölkerung zu warnen. „Seit der Flut sind die Menschen unheimlich sensibel, was die Alarmierung angeht“, so Pfennings: Es gebe Menschen, die das Ereignis noch nicht verarbeitet und Angst haben, wenn die Sirenen heulen.

In der Flutnacht haben die Schleidener die Leitstelle angewiesen, die Sirenen im Stadtgebiet anzustellen. „Wenn ich mich nicht von Amts wegen intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hätte, könnte ich die unterschiedlichen Töne auch nicht unterscheiden. So geht es vielen. Deshalb ist es mehr als sinnvoll, das zu ändern, damit die Menschen wissen: Die Sirene heult, es gibt eine Gefahrensituation.“

Verband der Feuerwehren unterstützt Entscheidung, die auch den Kreis Euskirchen betreffen wird

Die Trennung der Alarmierungen erfolge – Föderalismus hin oder her – am besten bundesweit, so Schleidens Bürgermeister: „Dann weiß der Tourist aus Bayern, der die Eifel erwandert, genauso Bescheid, dass er besser mal aufs Handy schaut oder das Radio einschaltet wie der Eifeler, der gerade Urlaub in Berlin macht.“

Der Verband der Feuerwehren in NRW unterstützt die Forderung ebenfalls und spricht sich für die landeseinheitliche Abschaffung der Sirenenalarmierung für Feuerwehren aus – mit Ausnahme des Ausfalls anderer Alarmierungssysteme.

Kreisbrandmeister Peter Jonas will auf Sirenen verzichten

Kreisbrandmeister Peter Jonas sagt: „Wir rechnen fest damit, dass das auch bei uns kommt.“ Wenn im Kreis Euskirchen eine „vernünftige Abdeckung bei der digitalen Alarmierung vorhanden ist, gehe ich davon aus, dass wir auf Sirenen verzichten können“, sagt Jonas im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Alarmierung der Einsatzkräfte erfolgt aktuell mithilfe analoger Funkmeldeempfänger.

In etwa zwei Monaten will der Kreis beim sogenannten Piepser auf eine digitale Alarmierung wechseln. Es werde mit Hochdruck an dem Großprojekt gearbeitet, so Jonas. Derzeit finden laut Jonas noch vereinzelte Ortsbegehungen statt, die ab dem Frühjahr in den Aufbau einer eigenen Netzinfrastruktur münden sollen. Derzeit gehe man intern von März aus – dann soll mit der Umstellung begonnen werden.

Landrat Markus Ramers: „Stille Alarmierung ist der richtige Schritt.“

Rund 3300 Funkmeldeempfänger werden kreisweit zentral beschafft – die Kosten belaufen sich auf gut eine Million Euro. „Wir haben mit den digitalen Meldern eine hundertprozentige Abdeckung bei den Einsatzkräften mit Piepsern.“ Aktuell sei sie nah an den 100 Prozent.

In den vergangenen Monaten sind in zahlreichen Kommunen noch analoge Funkmeldeempfänger angeschafft worden, um die Einsatzkräfte auszustatten. Sowohl für den Kreisbrandmeister als auch für Schleidens Bürgermeister ist es wichtig, dass der Wegfall der Sirenenalarmierung nur dann geschieht, wenn die digitale Alarmierung der Einsatzkräfte gesichert ist. Es werde sicherlich eine Übergangsfrist seitens des Landes geben. Jonas rechnet nicht damit, dass der Wegfall der Sirenenalarmierung für die Feuerwehr noch in diesem Jahr kommen wird.

Er geht aber auch davon aus, dass beispielsweise digitale Informationstafeln an Bushaltestellen oder Bahnhöfen künftig in die Bevölkerungswarnung integriert werden. Hinzu kommen Warn-Apps wie Nina oder Katwarn oder das beim jüngsten bundesweiten Warntag erstmals flächendeckend genutzte Cellbroadcast. Im Kreis wird es künftig zudem die Möglichkeit geben, sich aus der Leitstelle in den Sendebetrieb von Radio Euskirchen zu schalten. Alles läuft also auf einen Warnmix hinaus.

Wie der Kreisbrandmeister berichtet, nutzen im Kreis nicht mehr alle Städte und Gemeinden ihre Sirenen, um die Feuerwehrleute über einen Einsatz zu informieren. In Euskirchen sei das schon seit Jahren nicht mehr der Fall. Aus Sicht des Landes kann jetzt schon die Sirenenalarmierung der Feuerwehren entfallen. Eine Vorgabe zur landeseinheitlichen Umsetzung werde derzeit auf Landesebene erarbeitet und abgestimmt, teilt das Innenministerium auf Anfrage mit.

Verkehrsteilnehmer müssen künftig im Kreis Euskirchen vorsichtiger fahren

Für Landrat Markus Ramers ist „die stille Alarmierung von Einsatzkräften über Funkmeldeempfänger der richtige Schritt“. Für die Zukunft werde es daher umso wichtiger, dass die Bevölkerung die unterschiedlichen Warnsignale kenne und wisse, wie sie sich zu verhalten habe. „Wir werden dies, unter anderem im Rahmen der Warntage, weiter bewerben“, so der Verwaltungschef. Doch es gibt auch kritische Stimmen. Sollte die Sirenenalarmierung für Feuerwehren nämlich wegfallen, entsteht ein Risiko.

Aktuell dürften die Verkehrsteilnehmer gewarnt sein, wenn eine Sirene geht. Unterschwellig erwartet man dann, dass ein Feuerwehrfahrzeug kommen könnte. Diese Habachtstellung fällt dann weg, wenn die Sirenenalarmierung nur noch dem Bevölkerungsschutz dient.


Sobald ein Einsatz einläuft, löst bei den Feuerwehrleuten der Funkmeldeempfänger (FME) aus. Zusätzlich gibt es seit 2010 eine „begleitende Information“, so Martin Fehrmann, Leiter der Gefahrenabwehr im Kreis Euskirchen.

Seit Beginn des Jahres 2022 erreicht diese Information die Feuerwehrleute nicht mehr per SMS, sondern App-basiert über Groupalarm. „Das ist ein deutliches Upgrade, weil wir beispielsweise die Route zum Einsatzort mitliefern können“, sagt Fehrmann.

Davor erhielten die Feuerwehrleute per SMS beispielsweise den Einsatzort und das Einsatzstichwort – auf 160 Zeichen begrenzt. Wichtig, so Fehrmann, sei die Unterscheidung zwischen Groupalarm und FME. Der FME, also der Piepser, sei die primäre Alarmierung durch die Leitstelle.

En Mitarbeiter in der Rettungsleitstelle nimmt einen Notruf entgegen.

Die Abteilung 38 versucht den Schichtdienst von 12 auf 24 umzustellen. Dafür wird mehr Personal benötigt.

Die App Groupalarm sei hingegen lediglich eine Zusatzinformation. Zuletzt war Kritik unter den Feuerwehrleuten laut geworden, weil die App nicht so zuverlässig funktionierte wie die SMS. Diese Meinung teilen Fehrmann, Peter Jonas und Markus Neuburg, Chef der Leitstelle im Kreishaus, nicht. „Es gibt einen entscheidenden Unterschied bei den Systemen“, erklärt Neuburg: „Die SMS bleibt auf dem Server des jeweiligen Providers und wird zugestellt, sobald man ein Handynetz hat. Für Groupalarm braucht man mobile Daten oder WLAN. Hat man das nicht, wenn wir alarmieren, kommt die Info auf dem Smartphone nicht an, weil sie nicht auf einem Server gespeichert wird.“

So könne der Eindruck entstehen, dass die App nicht funktioniert habe. Zudem kann es bei Apple-Geräten passieren, dass der Alarm auf der Uhr aufläuft und nicht auf dem Handy. Ist das der Fall, bleibt das iPhone stumm. Der Grund sei, so Neuburg, dass Apple nur einen sogenannten kritischen Alarm versenden könne.

Die SMS-Funktion ist laut Neuburg weiterhin möglich. Dafür seien die Kommunen zuständig. Dort könne ganz individuell eingestellt werden, wer neben Groupalarm auch eine SMS mit den Begleitinformationen erhalten möchte. Gerade im Südkreis werde das gerne genutzt. Die Kosten für die SMS trägt – genau wie vor der App – die Kommune. (tom)