Georg Stoffels, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, im Gespräch mit Michael Schwarz über die aktuelle Lage der Betriebe.
HWK-Chef im InterviewWie steht es um die Handwerksbetriebe im Kreis Euskirchen?
Herr Stoffels, Krieg in Europa und Krisen als Dauerzustand. Dennoch schreiben Sie über Ihrem Bericht zur aktuellen Konjunkturumfrage: „Handwerk blickt optimistischer in die Zukunft“. Wie passt das zusammen?
Georg Stoffels: Es gibt unterschiedliche Parameter, die zu dieser positiven Einschätzung führen. Preissteigerungen in vielen Branchen, die allerdings die Kunden zu tragen haben, führen dazu, dass viele Betriebe positiv nach vorn schauen. Bei guter Auftragslage rechnen sie für die kommenden sechs Monate dann mit einer guten Umsatzentwicklung.
Im Kreis Euskirchen müssen viele Menschen nach der Flut sehr lange auf Handwerker warten. Woran liegt das?
Das ist nicht nur in den Flutgebieten so. Handwerker sind ein rares Gut. Das trifft auf viele Bereiche zu, gerade was den Klimabereich angeht – Stichwort: Wärmepumpen. Der Bedarf an Handwerksbetrieben ist sehr, sehr groß.
Schlägt hier also der Fachkräftemangel besonders zu?
Ja. Das sind ja alles keine Großunternehmen. Handwerksbetriebe haben im Schnitt fünf oder sechs Mitarbeiter. Die Auftragsbücher sind voll und die Betriebe sind ausgebucht. Im Flutgebiet, also auch im Kreis Euskirchen, sind zudem viele Betriebe selbst von der Flut betroffen. Darüber hinaus ist das Handwerk auch bei der Erstellung der Gutachten, die zur Erlangung der Fluthilfen notwendig sind, aktiv. Und diese Vielzahl von Aufgaben trifft dann auf einen Mangel an Fachkräften.
Kann sich der Mangel an Nachwuchskräften irgendwann auch auf die Zahl der Betriebe auswirken?
Das tut er eigentlich schon. Es ist schon seit geraumer Zeit ein Thema, dass viele Betriebe in fünf bis zehn Jahren, wenn sie nicht innerhalb der Familie übergeben werden können, keine Nachfolge finden. Die Fachkräftesicherung fängt an bei den Auszubildenden, bei denen wir intensiv dafür werben, dass mehr ins Handwerk gehen und dass man sich weiterbildet zur Meisterin oder zum Meister und damit auch die Möglichkeit schafft, Betriebe zu übernehmen.
Was kann der Staat tun?
Das Land NRW zahlt seit vielen Jahren eine Gründungsprämie, wenn Meisterinnen und Meister einen neuen Betrieb gründen, wodurch ja auch Arbeitsplätze entstehen. Diese wurde kürzlich auf 10 500 Euro erhöht. Und auch Betriebsübernahmen werden entsprechend unterstützt, wenn vorher keine andere Existenzgründung vom Staat kofinanziert wurde. Beides ist sehr gut, aber natürlich wäre eine Ausweitung der Starthilfen sehr wünschenswert.
Nochmal zur Wärmewende: Diese Zeitung hatte vor kurzem mit Heizungsbauern gesprochen, die über die Heizungspläne der Bundesregierung wenig erfreut waren, um es vorsichtig auszudrücken. Haben sie recht?
Ja, die Einschätzung teile ich. Die Pläne der Bundesregierung für das Gebäudeenergiegesetz, das bereits vom Kabinett verabschiedet worden ist, sind mit heißer Nadel gestrickt worden. Die Umsetzung schon ab 1. Januar 2024 halten wir für verfrüht. Es ist ein zu sportlicher Ansatz, dass ab kommenden Jahr – abgesehen von Ausnahmen – jede Heizungsanlage, die eingebaut wird, mit mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden soll. Es ist auch nicht technologieoffen. Eine zu starke Fokussierung auf Wärmepumpen, die in der Masse noch nicht verfügbar sind, ist nicht realistisch. Es sind auch viele Gebäude nicht ausreichend gedämmt. Das wurde zu wenig berücksichtigt.
Was fordern Sie von der Bundesregierung?
Eine Nachbesserung des Gesetzes, damit die Betriebe und die Bürger eine gewisse Planungssicherheit haben. Man hätte schon früher in den Diskurs, etwa mit den Handwerksfachverbänden, treten sollen. Man hätte die Fachleute der entsprechenden Branchen einbeziehen müssen.
Im Herbst des vergangenen Jahres haben wir über Bäcker im Kreis berichtet, die als energieintensive Betriebe unter den hohen Preisen für Gas und Öl litten. Hat sich die Lage entspannt?
Entspannt ist vielleicht etwas zu viel gesagt. Es hat sich aber nicht so dramatisch entwickelt, wie es im Herbst zu befürchten war. Es drohten damals auch Insolvenzen, das hat sich zum Glück bisher nicht bewahrheitet. Wir haben im Kammerbezirk keine nennenswerten Abmeldungen von Betrieben aus dem Nahrungsmittelbereich feststellen müssen. Die staatlichen Hilfen mit Strom- und Gaspreisbremsen sowie Härtefallregelungen haben da gewirkt. Die Bäcker, aber auch Fleischer und Konditoren schätzen ihre derzeitige Lage bei unserer Umfrage Ende März recht positiv ein. Allerdings blicken sie immer noch mit Sorge auf die nächsten Monate.
Welche Branchen bereiten Ihnen besonders Kummer?
Das Baugewerbe, das ja auch vornehmlich für die Klimawende verantwortlich ist.
Und das, obwohl es in den stark betroffenen Flutgebieten noch viel zu tun gibt?
Die Auftragsbücher sind noch voll, 83 Prozent der Betriebe im Bauhandwerk im Kammerbezirk schätzen ihre Lage als gut oder befriedigend ein. Nur der Blick nach vorn fällt etwas ernüchternd aus. 52 Prozent der Baubetriebe geben an, perspektiv ihre Investitionen zurückfahren zu müssen. Inflation, Baustoffpreise, die exorbitant gestiegen sind, steigende Bauzinsen und zurückgehende Baugenehmigungen – das sind Rahmenbedingungen, die sich auf das Baugewerbe negativ auswirken.
Wenn Sie die Lage des Handwerks in der Region mit einem Satz zusammenfassen müssten, wie würde der lauten?
Die in der Tat widrigen Umstände haben nicht auf die Stimmung durchgeschlagen, und trotz der Probleme in einigen Branchen blicken die meisten Betriebe immer noch positiv in die Zukunft.
Betriebsleitungen im Kreis sind vergleichsweise skeptisch
Die Handwerksbetriebe im Kreis Euskirchen blicken vergleichsweise skeptisch in die kommenden Monate. Das geht aus der aktuellen Konjunkturumfrage der Handwerkskammer Aachen hervor.
Zwar schätzten Ende März 87 Prozent der Betriebe im Kreis ihre derzeitige Lage als gut (34 Prozent) oder befriedigend (53) ein – kammerweit waren es 84. Doch beim Blick in die nächste Zeit trübt sich das Bild: 71 Prozent der teilnehmenden Betriebe im Kreis gehen von einer verbesserten (22 Prozent) oder gleichbleibenden (49) Geschäftslage aus, kammerweit sind es hingegen 75 Prozent.
Während im gesamten Kammerbezirk 67 Prozent mit einer stabilen oder verbesserten Umsatzlage kalkulieren, sind es in Euskirchen nur 55 Prozent. „Ein Grund dafür“, so heißt es seitens der Handwerkskammer, „dürften die noch immer spürbaren Folgen der Flutkatastrophe von 2021 sein, die auf der einen Seite zwar für viele zusätzliche Aufträge sorgte, aber auch viele Handwerksbetriebe bis heute in ihrer Existenz bedroht.“ Erfreulich sei die Homogenität im Kammerbezirk hinsichtlich der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt: 87 Prozent erwarten mindestens stabile Beschäftigungszahlen. Der Kreis Euskirchen nimmt hierbei aber mit 80 Prozent den niedrigsten Wert unter den Gebietskörperschaften der Handwerkskammer Aachen ein.
17 Prozent (Kammer: 27) im Kreis erwarten steigende Auftragszahlen, 45 Prozent denken, dass sie gleich bleiben (Kammer: 43), 38 Prozent (30) rechnen mit weniger Aufträgen. (sch)