Die Bundesregierung will bei der Migrationsberatung sparen. Das sorgt beim DRK und Politikern im Kreis Euskirchen für Unverständnis.
Ampel-PläneSorge im Kreis Euskirchen wegen geplanter Mittelkürzung für Migrationsberatung
1,2 Millionen Menschen – davon mehr als eine Million aus der Ukraine – sind im vergangenen Jahr nach Angaben der Bundesregierung nach Deutschland geflüchtet. Viele Kommunen und Kreise wissen nicht mehr, wie sie geflüchtete Menschen unterbringen sollen. Es fehlt überall an Kapazitäten.
Und die Situation könnte sich weiter zuspitzen. Nicht nur in der ohnehin angespannten Wohnungssituation, sondern auch auf der persönlichen Ebene. Der Grund: die Bundesregierung plant massive Kürzungen bei Programmen, die für die Integration besonders wichtig sind. So soll die Migrationsberatung für Erwachsene (MBE) um 30 Prozent gekürzt werden, die Förderung der Psychosozialen Zentren (PSZ) sogar um 70 Prozent.
Kürzungen bei Migrationsberatung: DRK im Kreis Euskirchen schlägt Alarm
Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege zeigen sich angesichts der Kürzungsvorhaben im vorgelegten Bundeshaushalt für 2024 alarmiert. „Überall droht, das lange und mühsam Aufgebaute, mit einem Federstrich im Namen der Schuldenbremse zunichtegemacht zu werden“, heißt es in einem offenen Brief der Wohlfahrtsverbände.
Auch beim Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes schrillen die Alarmglocken. „Sollte die Kürzung so kommen, sind auch bei uns Stellenanteile gefährdet“, sagt Boris Brandhoff, Leitung Migration/Integration und Stabsstelle Projektentwicklung und Fördermittel.
DRK fürchtet um die Qualität der Beratungen
Das habe zur Folge, dass potenzielle Klienten abgewiesen werden müssten. Der steigende Zeitdruck im Beratungsprozess würde dazu führen, dass sich die Beraterinnen auf die jeweils wichtigsten Problemlagen konzentrieren müssten, fürchtet der Experte: „Der ganzheitliche Blick auf die Klienten ginge dann verloren.“
Wegfallende Beratungskapazitäten bei der MBE könnten Brandhoff zufolge nicht durch andere Stellen aufgefangen werden, da die übrigen regulären Beratungsangebote im Bereich der Migrations- und Integrationsarbeit andere Zielgruppen haben.
Wenn die Beratungskapazitäten in der MBE sinken würden, wären die Beratungsstellen im Kreis Euskirchen unter anderem weniger gut in der Lage, zugewanderte Menschen in der Kommunikation mit Behörden zu unterstützen.
Migrationsberatung im Kreis Euskirchen wird seit 2005 gefördert
„Dies würde aufseiten der Behörden die Abläufe in der Arbeit mit den MBE-Zielgruppen erheblich erschweren“, so der DRK-Mitarbeiter. Aktuell kümmern sich mit Janine Frackmann und Ruth Schaefer zwei DRK-Mitarbeiterinnen um die Beratungen. Nach Angaben des DRK gibt es mehr als 350 Beratungsfälle pro Jahr. Damit liegt der Kreisverband nach eigenen Angaben deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt von 283 Beratungsfällen.
Das Förderprogramm, das nun gekürzt werden soll, gibt es seit 2005 und richtet sich an erwachsene Zuwanderer, die älter als 27 Jahre sind. „Wir helfen beispielsweise bei der Bewältigung von Alltagsproblemen wie Wohnungssuche, Schulden oder Bürgergeld sowie Kindergeld oder bei der Antragsstellung“, erklärt Brandhoff: „Gleichzeitig kümmern wir uns mit den Klienten um deren Spracherwerb, beispielsweise durch Vermittlung in Sprachkurse und Beantragung von Berechtigungen für Integrationskurse.“
Detlef Seif, Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Bereich Asyl und Migration im Innenausschuss, sieht die von der Ampel vorgesehenen Kürzungen sehr kritisch. „Die Beratung und Begleitung von erwachsenen Zuwanderern ist ein wichtiger Faktor für eine gelungene Integration. Eine misslungene Integration mit allen ihren Folgen gefährdet den sozialen Zusammenhalt“, sagt der Weilerswister.
Es sei widersinnig, dass die Kürzungen in einer Zeit stark gestiegenen Beratungsbedarfs erfolgten. Beratung und Begleitung müssten deshalb ausgebaut und nicht gekürzt werden. Seif: „Das Verhalten der Ampel ist widersinnig. Der Staat darf nicht auf der einen Seite zusätzliche Anreize für Migration schaffen und sich dann bei der erforderlichen Beratung aus der Affäre ziehen.“
Die Ampel-Koalition setze zusätzliche Aufnahmeprogramme um, öffne die Sprach- und Integrationskurse für Menschen ohne Bleibeperspektive und kürze dann die Beratungsleistungen. „Wenn wir die Menschen nicht an die Hand nehmen, wird uns dies später auf die Füße fallen“, sagt der Christdemokrat: „Wenn sich zivile Einrichtungen wie die Caritas mangels ausreichender Finanzierung zurückziehen, wird sich der Druck auf die öffentliche Verwaltung weiter erhöhen. Daran kann die Ampel kein Interesse haben.“
FDP-Abgeordneter Markus Herbrand will alle Möglichkeiten prüfen
Auch Markus Herbrand, Gemünder Bundestagsabgeordneter der FDP, sagt, dass man die bisherige Prioritätensetzung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Ausgestaltung der Integrationsleistungen genau anschauen werde. Neben den reinen Zahlen werde die Bewertung maßgeblich davon abhängen, wie erfolgreich die bisherige Programm- und Mittelgestaltung eingeschätzt wird.
„Wir sollten alle Möglichkeiten prüfen, um immer besser zu werden und nicht nur aus Prinzip an bestehenden Programmen festhalten“, so Herbrand. Erfolgreichere Integrationsprogramme seien ein Mehrwert für die gesamte Gesellschaft, auch wenn dafür mitunter einzelne bestehende Beratungsangebote wie die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer zurückgefahren werden.
Dafür sei beispielsweise bei den Integrationskursen aufgestockt worden. Die Integrationskurse sind Herbrand zufolge ein „grundsätzlich zu unterstützender Ansatz“.