Verärgerte KundenAuch Kreissparkasse Euskirchen kündigt alte Sparverträge
Kreis Euskirchen – Die Freude hielt sich in Grenzen, als er das Schreiben der Kreissparkasse Euskirchen (KSK) in den Händen hielt. Viele Jahre habe er monatlich einen bestimmten Betrag eingezahlt, berichtete ein Leser dieser Zeitung. Doch nun beende das Kreditinstitut den Vertrag. „Es ist richtig, dass wir unseren Kunden mit alten Prämiensparverträgen ein individuelles Vergleichsangebot unterbreitet haben“, bestätigte ein KSK-Sprecher: „In den Fällen, wo wir keine Einigung erzielen konnten, haben wir eine Kündigung ausgesprochen.“
Wie viele Kunden sind betroffen?
Auf Anfrage dieser Zeitung nennt die KSK keine konkrete Zahl. „Bezogen auf alle Prämiensparverträge sind davon lediglich sechs Prozent betroffen“, heißt es. Wie Monika Schiffer, Leiterin der Verbraucherzentrale Euskirchen, erklärte, habe eine Reihe betroffener Kunden Beratungsbedarf angemeldet.
Was macht die Betroffenen sauer?
Sie hatten sich auf künftige Prämien gefreut. Ein Leser ist zudem sauer über die Höhe des Vergleichsangebots, das ihm unterbreitet worden sei. Ein Experte habe ausgerechnet, dass ihm etwa ein Drittel der Prämien offeriert worden sei, die bei voller Laufzeit fällig gewesen wären. Hintergrund: Die Prämienstaffel steigt in Altverträgen jährlich und erreicht nach 15 Jahren die höchste Prämienstaffel in Höhe von 50 Prozent des festgesetzten Betrages, der in dem jeweiligen Jahr gespart wird. „Das war ja der Grund, warum wir damals einen Sparvertrag unterschrieben haben“, so ein Leser.
Ist es sinnvoll, sich zu wehren?
Hier gilt die Lieblingsantwort der Juristen: Es kommt drauf an. Und zwar darauf, was in dem jeweiligen Vertrag des jeweiligen Kunden steht. „Da gibt es keine pauschale Antwort“, sagt Verbraucherschützerin Schiffer.
Darf die Kreissparkasse so vorgehen?
Es kommt, wie gesagt auf den Einzelfall an, aber grundsätzlich ist das Vorgehen wohl rechtens. So haben Gerichte in anderen Fällen festgestellt, dass Kündigungen gemäß den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) möglich seien.
In den besagten Fällen sahen die AGB ein Kündigungsrecht bei „Vorliegen eines sachgerechten Grundes“ vor. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte final entschieden: Die Niedrigzinsphase reicht aus, um eine Kündigung der Verträge zu rechtfertigen. Es handele sich um einen sachgerechten Kündigungsgrund, wie er in den AGB verankert sei . „Es mag rechtens sein, aber ob es kundenfreundlich ist, steht auf einem anderem Blatt“, befand ein Betroffener im Gespräch mit dieser Zeitung.
Ist die KSK das einzige Institut, das kündigt?
Mitnichten. Und sie ist auch bei weitem nicht das Erste. Zahlreiche Institute haben alte Prämiensparverträge gekündigt. Das Thema beschäftigt Kunden, Verbraucherschützer und Gerichte bundesweit.
Wie begründet die KSK ihr Vorgehen?
Eine derart hohe Prämierung von Sparleistungen sei angesichts der Marktlage an Geld- und Kapitalmärkten wirtschaftlich nicht mehr vertretbar, teilt das Kreditinstitut in seiner Antwort mit. Von den Kündigungen seien ausschließlich Verträge betroffen, „welche nach unserer Rechtsauffassung die Kriterien der BGH-Rechtsprechung erfüllen“. Sie seien also unbefristet abgeschlossen worden und hätten die höchste Prämienstufe bereits erreicht.
Das Produkte entstand vor Jahrzehnten
In den 1990er-Jahren ein Renner
In den 90er-Jahren waren die Prämiensparverträge sehr beliebt. Lange Vertragslaufzeiten bedeuteten für die Kunden hohe Rendite. Sie sparen jeden Monat einen bestimmten Betrag, der jährlich verzinst wird. Zusätzlich enthalten die Prämiensparverträge die Klausel, dass nach einer Vertragslaufzeit von drei Jahren eine jährlich steigende Prämie in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes vom jährlichen Sparbeitrag gezahlt werden sollte. (sch)
Je länger die Laufzeit, desto mehr Zinsen gibt es
Die Prämien sind gestaffelt und direkt an die Vertragslaufzeit gebunden. Je länger die Laufzeit, desto höher der Zinssatz. Üblicherweise erreichen die Sparer so nach 15 Jahren die höchste Sparstufe – und auch die höchste Prämiengutschrift, die danach Jahr für Jahr kontinuierlich weiter gutgeschrieben wird. Die Hälfte des im jeweiligen Jahr eingezahlten Geldes wird dann als Prämie gutgeschrieben.
Eine klassische Win-win-Situation war das: Die Hochzinsphase sorgte dafür, dass die Sparkassen mit den Einlagen der Sparer arbeiten konnten und belohnten ihre Kunden mit den entsprechenden Zinsen. Das ging so lange gut, bis die Zinsen zum Sinkflug ansetzten. (sch)
Die KSK verweist auch darauf, dass derzeit über die Basisverzinsung der Verträge gestritten wird. Der BGH habe im Rahmen einer Musterfeststellungsklage Vorgaben für die Verzinsung alter Sparverträge gemacht und zur Ermittlung des „richtigen“ Referenzzinssatzes an das Oberlandesgericht in Dresden zurückverwiesen.
Die Entscheidung stehe noch aus, so die KSK: „Daraus resultiert neben dem wirtschaftlichen Aspekt auch eine Unsicherheit hinsichtlich der Basisverzinsung für unsere Kunden und für die Sparkasse. Das hat uns dazu bewogen, bei den von dieser Unsicherheit betroffenen Verträgen proaktiv über ein Vergleichsangebot Sicherheit für alle Beteiligten zu schaffen.“
Weiter heißt es in der Antwort der KSK: „Diese Vorgehensweise mag im Einzelfall nicht kundenfreundlich erscheinen, allerdings sind wir im Sinne aller Kunden verpflichtet, wirtschaftlich zu handeln und unsere Produkte an aktuelle Marktgegebenheiten anzupassen.“
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Die Kreissparkasse stehe derzeit mit betroffenen Kunden im Dialog und die Kundenberater stünden für fallbezogene Fragen jederzeit gerne zur Verfügung.
Was machen Volksbank und VR-Bank?
Sie kündigen nach Angaben ihrer Vorstandssprecher nicht. Vor allem durch die Fusionen mit anderen Kreditinstituten betreue die Volksbank Euskirchen 13 000 Sparverträge mit einem Gesamtvolumen von etwa 17 Millionen Euro angespart hätten. Dass die Prämienzahlungen dem Institut angesichts der Finanzmarktlage wehtun, verschweigt Lembicz zwar nicht: „Doch wir fordern ja auch Vertragstreue bei Krediten.“
Mark Heiter, Vorstandssprecher der VR-Bank Nordeifel erklärte: „Wir kündigen niemals raus. Wenn jemand auf uns zukommt, berechnen wir das nach der aktuellen Rechtslage neu.“