Lebenskrise dank Vanlife überwundenSelbstfindung im umgebauten Bus
- Das Unterwegssein ist zum neuen Zuhause einer Gemeinschaft von Abenteurern geworden.
- Christian Zahl und Maren Schwitalla haben dank Vanlife ihre Lebenskrisen überwunden.
- Das minimalistische Zuhause auf vier Rädern heißt Bob.
Kreis Euskirchen – Im Begriff Lebenskrise schwingt etwas Existenzielles mit. Das ganze Leben, wie es bisher war, wird völlig auf den Kopf gestellt. Doch eine Lebenskrise kann auch eine Chance sein. Dinge wandeln sich, und es gilt, eine neue Richtung einzuschlagen, eine Entscheidung zu treffen: Gebe ich den Weg frei für etwas Neues und hoffe darauf, dass das Unbekannte etwas Gutes birgt.
An solch einem Scheideweg steht Christian Zahl aus Simmerath vor gut drei Jahren. Seine Beziehung ist nach mehr als 20 Jahren zerbrochen. Er findet sich in einer psychologischen Behandlung wieder und weiß nicht weiter. „Machen Sie etwas völlig Verrücktes. Kommen Sie mal raus“, rät der Therapeut. „Und ich sagte nur: ,Nee, ich bin Kfz-Mechaniker – Wandern und so, das ist nichts für mich‘“, erinnert sich Christian. Dass es dann doch ganz anders kommt, hätte sich der heute 38-Jährige nie vorstellen können.
Rat des Psychologen
„Dann nehmen Sie sich halt ein Auto, werfen eine Matratze rein und fahren los“, war der ebenso praktische wie auch beruflich naheliegende Rat des Psychologen. Und das habe er dann einfach gemacht: „Eine Matratze und ein Apfel – und nach mir die Sintflut“, lacht Christian. So sei er damals losgefahren. Habe sich das erste Mal auf eine Reise gemacht, das Projekt „Vanlife“ begonnen, das sein Leben für immer verändern sollte.
Und nun sitzen wir hier. Christian Zahl, seine neue Liebe Maren Schwitalla und ich. Drei Jahre später. In dem Van, der Bob heißt und in Einruhr parkt. Ein Zuhause auf vier Rädern ist das. Die Wände und Decken des Innenraums sind mit naturbelassenem Holz verkleidet, ein Modul an der Seitenwand beherbergt Spüle, Kühlschrank, Herd und allerlei clever genutzten Stauraum, der hinter der selbstgebauten Fassade verschwindet.
Minimalistisch, gemütlich
Richtung Hecktür ist auf einer Empore ein Bett gebaut. Minimalistisch, gemütlich. Christian und Maren haben es sich davor bequem gemacht, mir wurde der zum Innenraum gedrehte Beifahrersitz angeboten — eines der praktischsten Dinge im Bus, wie Maren Schwitalla erzählt.
Sie startet damals fast parallel zu Christian ihre Reise. Aus ähnlichen Gründen und mit gleichem Ziel: Raus aus der Krise und wieder rein ins Leben. „Du bist dann erst einmal sehr stark mit dir selbst beschäftigt“, erzählt sie. Wenn man so unterwegs sei im Auto, dann merke man recht schnell, was man eigentlich brauche, probiere Dinge aus und wachse über sich selbst hinaus. Im Nachhinein sei das alles eine Art Selbstheilungsprozess gewesen, erzählen die beiden, die sich während eben dieses Prozesses kennenlernen.
Neue Form des Lebens
Das macht den Reiz der Bewegung „Vanlife“ aus: Maren und Christian sind nur zwei von vielen Menschen, die seit einigen Jahren eine neue Form des Lebens zelebrieren: ein Leben, das Freiheit und Flexibilität bedeutet, Abenteuer verspricht, Neugierde und Fernweh stillt. Eine Form von Reisen und Leben, in der man sich und seine Bedürfnisse reflektiert und vor allem rauskommt, um wieder bei sich selbst anzukommen. Das Unterwegssein ist zum neuen Zuhause einer Gemeinschaft von Abenteurern geworden.
Für Christian Zahl und Maren Schwitalla ist es das Gefühl, das hinter all dem steckt, und ihre Augen leuchten, wenn sie davon erzählen. „Wir fahren einfach los“, sagen sie und berichten von ihren Reisen durch Europa und ihren kurzen Trips durch die Eifel. Davon, wie es ist, rauszufahren, im Auto zu übernachten und am nächsten Morgen neugierig die Türen des Kofferraums zu öffnen und zu sehen, wo man gelandet ist. Denn selbst, wenn man nur ein paar Minuten rausfährt, steht man doch letztlich woanders, hat einen neuen Blick auf die Welt.
Fahrzeug nutzen, um rauszukommen
„Für mich haben diese Erfahrungen einfach alles verändert“, denkt Christian nach. „Vanlife“ ist für die beiden ein offenes Konzept, das jeder lebt, der ein Fahrzeug nutzt, um rauszukommen. Das kann der Wanderer ebenso sein wie der digitale Nomade, der im Auto lebt und arbeitet — und das sind nicht wenige.
Auch bei Christian und Maren greifen Beruf und dieses neue Lebensgefühl mittlerweile zusammen. Sie haben die Internetpräsenz Road&Board ins Leben gerufen, berichten auf YouTube, Instagram und ihrem Blog von ihren Erfahrungen, bieten Beratung rund um den Van an. Was braucht es, um anzufangen? Welches ist das richtige Fahrzeug für mich? Wie baue ich eine Standheizung ein? Und wie sieht so ein Teil überhaupt aus? Das sind einige der Fragen, die den Kfz-Mechaniker in den letzten Monaten oft erreicht und aus denen er und Maren ein Business aufgebaut haben.
Workshops und Neulinge vernetzen
Sie seien seitdem viel unterwegs, geben Workshops, unterstützen Neulinge und vernetzen sich vor allem mit anderen aus der Szene, die beispielsweise beim „Freiheitsmobil-Treffen“ zusammenkommen. Was genau das eigene „Freiheitsmobil“ ausmacht, entscheidet da jeder für sich selbst. Und es scheint tatsächlich etwas dran zu sein an diesem Leben quer durch alle Alters- und Berufsklassen.
Da gibt es den 18-Jährigen, der sich zielorientiert seinen Bus zu einem Studio auf Rädern umgebaut hat, um damit mobil als Fotograf arbeiten zu können. Oder die 76-Jährige, die vor einigen Jahren nach schwerer Krankheit ihre Wohnung verkauft hat und ins Wohnmobil gezogen ist — glücklich und frei.
Dachzeltnomade Thilo Vogel
Und da wäre noch „Dachzeltnomade“ Thilo Vogel, der seit 2016 fest im Kombi lebt, seitdem ein Event nach dem anderen initiiert und für viele aus der Community eine wahre Inspirationsquelle ist. Es ist alles möglich.
Und so individuell jedes dieser „Freiheitsmobile“ genutzt und nach den Bedürfnissen seines Besitzers aus- und umgebaut wird, so gleich sind doch die Beweggründe, die hinter alledem stecken: maximales Leben. Ein Leben, das sich nicht an einen Ort bindet, sondern jeden Tag woanders sein kann.