Burg KommernWie es ist, in einer Festung inklusive Backstube und Gefängnis zu leben
Kommern – Mitten im Ortskern von Kommern steht ein Kleinod, das allzu leicht in Vergessenheit gerät. Nur wenige Schritte durch das schmiedeeiserne Tor – schon strömt dem Besucher Geschichte aus jeder Steinritze und jedem Mauerstück entgegen. Seit 250 Jahren wohnt die Familie Abels/Seul auf der Kommerner Burg. Sie ist nicht adelig, stellte aber traditionsgemäß die Amtsmänner und Bürgermeister von Kommern.
Eine herrschaftliche Hoffassade des Hauptbaus, ein prachtvoller Landschaftspark mit seltenen Bäumen, ein schmucker Innenhof, wie es sie sonst nur in Schlössern gibt. Man sieht sie förmlich schon vorfahren, die Kutschen mit den edlen Pferden, die vor der einladenden Holztür stoppen, um den Besuch aussteigen zu lassen. Überall rankt wilder Wein.
Dore Seul, heute 76 Jahre alt und topfit, ist auf der Burg aufgewachsen, kennt jeden Winkel der dicken Mauern. Ihr Ururgroßvater, ein Kommerner Amtmann, hatte das Anwesen seinerzeit von Napoleon in Paris gekauft. Und im Paket mit dabei: ein Backofen. Den befeuert Seul heute noch. Einmal im Monat lädt die Chemie- und Sicherheitsingenieurin Frauen aus der Umgebung zum Backtag ein. Dann werden in der historischen Backstube wie zu Urgroßmutters Zeiten Brot und Brötchen gebacken. Es wird kräftig geknetet und geformt. Schnell duftet es himmlisch nach dem frischen Backwerk. Hinter der schmiedeeisernen Klappe herrschen Temperaturen von 350 Grad.
Wie alte Karten beweisen, gab es den Backofen schon 1770. Doch ist er wahrscheinlich wesentlich älter. Die Burg wurde um 1350 erbaut. Früher war der Backofen allerdings nicht überdacht, sondern außerhalb des Gebäudes, so Seul schmunzelnd: „Damals haben meine netten Vorfahren die Seitenflügel angebaut und dadurch den Backofen in das Gebäude integriert.“ Ein Glück. So kann man bei Wind und Wetter backen. Der Ofen ist riesig für heutige Verhältnisse. 60 Kilo Brot passen rein, sagt die Backfrau: „Früher hat man immer für alle Hausbewohner gebacken, deswegen brauchte man so einen großen Backofen. Es gab ja auch viele Bedienstete hier im Haus.“ Zwei Meter tief, anderthalb Meter breit, lauten die beachtlichen Maße. Drei Stunden rechnet sie zum Einheizen des Ofens.
Die historische Backstube bietet ein besonderes Ambiente. Mit einer Backmulde, sie stammt aus einer früheren Bäckerei aus Strempt, und einem uraltes Schränkchen aus der Speisekammer der Burg, fühlt man sich zurückversetzt in die „gute alte Zeit“. Seul nutzt letzteres heute zur Unterbringung der Backformen aus dem Haushalt ihrer Großmutter von 1900.
„Wir hatten früher sogar Palmen hier, die im Sommer im Innenhof aufgestellt worden sind“, erinnert sich Seul an vergangene Kinderjahre. Räumlichkeiten, die heute eher wie ein Wintergarten wirken, dienten früher als Gewächshaus. Stallungen boten zudem Platz für Pferde, Kühe und Schweine. Auch ein verzierter Taubenschlag im Jugendstil-Design schmückt den Innenhof.
Kein Entkommen
aus dem „Tippo“
Doch tief unten im Bauch des alten Gemäuers, inmitten vier Meter dicker Mauern, befindet sich ein schauriger Raum: das Gefängnis. Die Verhandlungen über Schuld und Unschuld können wohl auf der Burg stattgefunden haben. „Meine Vorfahren waren die Amtmänner der Herzöge von Arenberg und saßen auch zu Gericht“, berichtet Seul. Das Gericht bestand aus einem Schultheiß (Vorsitzenden) und sieben Schöffen.
Unweit davon, als Zeichen der Gerichtsherrschaft, stand bis vor wenigen Jahren auch die Gerichtssäule. Sie steht heute im Freilichtmuseum Kommern. Die schwere Eichentür und die Beschläge sind noch im Original erhalten. Sie machen schnell klar, dass es für schlimme Schurken hier kein Entkommen gab. Nur durch ein Mini-Fenster, das zudem vergittert war, konnten Wachen hineinschauen.
Darüber ist immer noch eine Inschrift zu entziffern: „Tippo“. Aus gutem Grund, wie Seul berichtet: „Man sprach zu der Zeit auch viel Französisch. Die Räume, wo man Dinge gelagert hat oder eben Menschen unterbrachte, hießen Depot. Doch die Eifeler machten daraus einfach Tippo, wahrscheinlich aus Unkenntnis der französischen Sprache.“
Viel mehr weiß man allerdings nicht über die Zeit, als die Kommerner Burg auch als Gefängnis diente. Überliefert ist auch nicht, ob die Gefangenen dort hinter den dicken Mauern ausschließlich bei Wasser und Brot aus dem Backofen im heutigen Ostflügel gehalten wurden.