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AusbildungDie Höhen und Tiefen der ersten Pflege-Generalistinnen im Kreis Euskirchen

Lesezeit 6 Minuten
Zwei Frauen zeigen auf einen Wegweiser, der zu den Stationen in einem Krankenhaus führt.

Hier geht’s hin: Corinna Leopold (links) und Manuela Rom haben sich entschieden, im Krankenhaus zu bleiben. Leopold beginnt auf der Station für Orthopädie und Unfallchirurgie und Rom auf der Station Innere 2, auf der kardiologische Patienten liegen.

Die ersten Pflege-Generalistinnen haben ihre Ausbildung beendet. Schon da haben sie erfahren, wie knapp ihre Zeit ist.

Sie sind die ersten ihrer Art am Kreiskrankenhaus Mechernich: Kamilla Bartsch, Corinna Leopold, Selina Loesener, Thorben Olma und Manuela Rom haben die Ausbildung zur Pflegefachkraft nach neuem generalistischen Modell erfolgreich abgeschlossen.

Mit diesem Abschluss können sie nun überall in der Pflege arbeiten, egal, ob Psychiatrie, Altenheim oder Krankenhaus. „Die Absolventinnen sind in der Lage, Menschen in jedem Setting pflegerisch zu versorgen“, sagt Sabine Vitten, stellvertretende Leiterin der Schule für Pflegeberufe am Kreiskrankenhaus Mechernich.

Fünf neue Pflegekräfte fürs Kreiskrankenhaus Mechernich

Vor diesem generalistischen Modell mussten Auszubildende sich zwischen Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege und Altenpflege entscheiden. Das Problem: Wer die Ausbildung zum Altenpfleger gemacht hatte, konnte damit später nicht im Krankenhaus arbeiten und umgekehrt. Der generalistische Ansatz mache die Ausbildung attraktiver, weil man damit nach dem Abschluss mehr Möglichkeiten habe, berichtet Vitten. Und dass neue Auszubildende und damit neue Pflegekräfte dringend gesucht werden, ist kein Geheimnis.

Lebenserfahrene Menschen sind echt bereichernd.
Sabine Vitten, stellvertretende Schulleiterin

Über fünf Neue kann sich nun das Kreiskrankenhaus freuen. Zu Beginn der Ausbildung bestand der Kurs noch aus zwölf Leuten. Drei machen die Prüfung zu einem späteren Zeitpunkt, vier haben abgebrochen. „Einige verliert man zwischendurch“, sagt Vitten. Das liege am berüchtigten Mittelkursblues, mutmaßt Absolventin Manuela Rom. Wenn man schon viele Anstrengungen hinter sich habe, aber das Ende der Ausbildung auch noch nicht in Sicht sei, fielen viele in ein Loch. Auch sie habe solche Tiefs gehabt. Da gelte es durchzuhalten.

Mit 50 Jahren vom Fernverkehr zur Pflege gewechselt

Rom ist 50 Jahre alt. Fast ihr halbes Leben hat sie als Berufskraftfahrerin im Fernverkehr gearbeitet. Den Job habe sie geliebt, aber mehr Zeit zu Hause verbringen wollen. In der Zeitung sah sie eine Anzeige für die neue Ausbildung in Mechernich. Und da sie schon als kleines Mädchen Krankenschwester habe werden wollen, bewarb sie sich.

„Ich war so froh, dass ich da die Chance bekommen habe für einen Neuanfang.“ Als Älteste im Kurs sei sie von allen liebevoll „Kursmutti“ genannt worden. „Lebenserfahrene Menschen sind echt bereichernd“, sagt Vitten dazu. Nicht nur für den Kurs, auch für die Pflege.

Corinna Leopold hat ebenfalls schon Erfahrungen in ganz anderen Welten gesammelt. Sie hat Archäologie studiert und anschließend in einem Hotel am Empfang gearbeitet. Als eines Tages ein Obdachloser vor der Tür des Hotels beinahe gestorben wäre, sei das ein Schlüsselmoment gewesen, berichtet die 34-Jährige. Sie will in einen sozialen Beruf und landete in der Schule für Pflegeberufe in Mechernich.

Die neue Ausbildung hat noch mit Vorurteilen zu kämpfen

Nicht alles sei in der Ausbildung so gelaufen, wie sie sich das gewünscht und vorgestellt hatten, berichten Rom und Leopold. Sie habe zwischendurch immer mal wieder gezweifelt, sagt Rom. Durch die generalistische Ausrichtung habe sie auch viel Zeit in Pflegebereichen außerhalb des Krankenhauses verbracht, beispielsweise in der Langzeitpflege. „Ich wollte aber ja ins Krankenhaus.“ Im Nachhinein sei es aber gut, schon in der Ausbildung diesen Rundumblick zu bekommen. „Ich kann’s nur empfehlen.“

Auszubildende werden meistens als zusätzliche Mitarbeitende gebraucht.
Corinna Leopold, Pflegefachkraft

So positiv blicken im Krankenhaus nicht alle auf die neue Ausbildungsform. Unter den Pflegekräften gebe es Vorurteile, berichtet Vitten. Etwa, dass man in der neuen Ausbildung „nichts Halbes und nichts Ganzes“ lerne. Dabei sei das Unsinn, betont Vitten. Die neue Ausbildung fasse das Beste aus den drei vorherigen zusammen.

Der Personalmangel machte sich früh bemerkbar

Den Gegenwind der Kollegen haben auch Leopold und Rom erfahren. Sie berichten beide davon, dass sie Unterrichtsinhalte nicht anwenden konnten, weil die jeweiligen älteren Kollegen nicht von ihrem altbekannten Weg abweichen wollten.

Mehrfach schildern sie Momente während der Ausbildung, in denen sie gedacht hätten: „So möchte ich den Pflegeberuf nicht ausüben.“ Die Schulleitung sei in solchen Fällen zwar immer ein guter Ansprechpartner gewesen, aber das wahre Problem sei ein strukturelles: der Personalmangel. „Auszubildende werden meistens als zusätzliche Mitarbeitende gebraucht“, berichtet Leopold. Da bleibe das Ausbilden schon mal auf der Strecke. Manchmal sei es so stressig gewesen, dass sie sich nicht mehr getraut habe, Fragen zu stellen, sagt Rom.

Die Pandemie hat die Lage in der Pflege verschärft

Das Personalproblem sei bekannt, seufzt Vitten. Die Pandemie habe die Lage noch verschlimmert. „Die Leute flüchten aus dem Beruf.“ Es brauche dringend Konzepte. Ihre Idee: Ältere Pflegekräfte, die die schwere körperliche Arbeit nicht mehr schaffen, übernehmen die Aufsicht über Auszubildende. Diese erledigen die körperlichen Arbeiten und können gleichzeitig von der erfahrenen Pflegekraft lernen. Das sei vermutlich erst einmal teurer, könnte sich aber auszahlen.

Damit die Ausbildung nicht zu sehr unter der Personalnot leide, seien sie dabei, die Zahl der Praxisanleiter zu erhöhen, berichtet Vitten weiter. „Wir stellen uns breiter auf.“ Elf Pflegekräfte habe sie in diesem Jahr schon in die Weiterbildung geschickt. Auch Rom will das machen. Es sei ihr ein Anliegen, Auszubildenden das Gefühl zu geben: „Du bist hier richtig.“ Das habe sie während ihrer Ausbildung nämlich nicht immer gespürt.

Trotz der Zweifel und Probleme haben sich Leopold und Rom dazu entschieden, eine Stelle im Kreiskrankenhaus anzunehmen. Rom fängt auf der Inneren 2 an, der Kardiologie. Leopold beginnt in der Orthopädie und Unfallchirurgie. Auch ihre drei Mitabsolventinnen, unter ihnen der erste Pflegefachmann im Regierungsbezirk Köln, bleiben dem Kreiskrankenhaus erhalten.

Im Herbst folgen dann die nächsten Absolventen. Zwei Ausbildungskurse starten jährlich in Mechernich. Sie erhoffe sich langfristig 30 bis 35 Abschlussprüflinge pro Jahr, berichtet Vitten. Nur so lasse sich der Pflegenotstand bekämpfen: mit mehr gutausgebildetem Personal.


Am Geld liegt es nicht

Zu schlechte Bezahlung – das Argument wird häufig in Debatten um die Pflege gebracht. Fragt man Sandra Schruff, Leiterin der Schule für Pflegeberufe am Kreiskrankenhaus Mechernich, ist das nicht der Kern des Problems. Im ersten Ausbildungsjahr verdienten ihre Schüler etwa 1100 Euro, das erhöhe sich bis zum dritten Ausbildungsjahr auf ca. 1400 Euro brutto.

„Im Vergleich zu anderen Ausbildungsberufen ist das keine schlechte Bezahlung“, sagt sie. Auch gebe es kaum noch Unterschiede zwischen Altenheimen und Krankenhäusern, was die Bezahlung von examinierten Pflegekräften angehe. „Es kann sich keiner mehr leisten, unter Tarif zu zahlen.“

Frage man die Pflegekräfte selbst, kritisierten diese viel mehr die Rahmenbedingungen. Das Finanzielle sei nicht das Problem. Die Wurzel der Krise in der Pflege sei der Personalmangel. Und dass dieser so groß sei, liege vor allem daran, dass man Jahrzehnte lang nichts dagegen unternommen habe, so Schruff. Auch seien die bürokratischen Hürden in der Ausbildung größer geworden, der demografische Wandel führe zu weniger Bewerbern und die Pflege habe nach wie vor ein schlechtes Image. (jre)


Ausbildung in der Pandemie

Care-Paket statt gemeinsames Frühstück – die ersten Auszubildenden in der Generalistik starteten im April 2020 kurz nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Homeschooling statt Klassenzimmer ist angesagt. „Es war wirklich ein schlimmer Start“, sagt Manuela Rom. Sie habe vorher mit Computern nichts zu tun gehabt und dann sei dieser auf einmal zu ihrem Klassenraum geworden. Die Pandemie begleitet sie während der gesamten Ausbildungszeit. Erst kurz vor der Examensfeier fällt die Maskenpflicht im Krankenhaus. (jre)