Mechernich„Ich bring' dich um!“ – Flüchtlingshelferin fühlt sich alleingelassen
Mechernich – Gisela Bueneman (79) aus Kommern bemüht sich ehrenamtlich seit mehreren Jahren sehr engagiert um die Mechernicher Container-Siedlung „Elisabethhütte“. Obwohl in der Flüchtlingsunterkunft manches nicht reibungslos läuft, lässt sie mit ihren Aktivitäten nicht nach. Doch nach einem Zwischenfall mit einer Flüchtlingsfrau, woraufhin sie die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hatte, schilderte sie dieser Zeitung ihre Probleme.
Als die Redaktion daraufhin Mechernichs Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick vorschlug, gemeinsam über die Probleme zu reden, stimmte dieser zu. Zwischen Schick, der Flüchtlingshelferin Gisela Bueneman, Willi Göbbel (Teamleiter Schulen/Jugend) und David Esch vom Gebäudemanagement entwickelte sich eine sehr rege Diskussion.
„Ich bring’ dich um!“
Gisela Bueneman berichtete, sie habe eine Frau zweimal darauf aufmerksam gemacht, sie möge schmutzige Windeln bitte nicht vor ihre Tür legen, sondern im Müll-Container entsorgen. Doch die sei ausgerastet und habe gedroht: „Ich bring’ dich um!“ Ein Stadtbediensteter habe den Vorfall mitbekommen, aber keinen Ton gesagt. „Da hätte ich erwartet, dass man der Frau mal die Meinung sagt“, ärgert sich Gisela Bueneman. Schließlich habe sie die Staatsanwaltschaft angeschrieben: Die habe geantwortet, sie solle in der Sache einen Schiedsmann bemühen.
Bueneman ist verärgert: „Ich wollte aus der ,Elisabethhütte’ ein Vorzeige-Objekt machen, was mir leider Gottes nicht gelungen ist.“ Sie sei fast jeden Tag dort. Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick meint dazu: „Mit der ,Elisabethhütte’, wo derzeit 72 Flüchtlinge leben, kümmert sich Frau Bueneman um einen sehr schwierigen Bereich. Da knallt es auch schon mal.“ Bueneman sagt von sich, dass sie dort die „Drecksarbeit“ mache.
Und Willi Göbbel ergänzt: „Das Engagement der Ehrenamtler dort hatte stark angefangen, aber es hat auch stark nachgelassen.“ Schick stellt eine gewisse Ernüchterung bei den Helfern fest: „Es gibt eine bestimmte Zahl von Flüchtlingen, die möchte sich integrieren und die Sprache lernen, auch um der Kinder willen. Und es gibt welche, die suchen nur die Segnungen des Wohlfahrtsstaats und die schnelle Mark. Die haben keinerlei Interesse, einer Arbeit nachzugehen.“
Dafür gibt es aber auch Gründe: So habe man für Arbeiten anfangs einen Euro pro Stunde zahlen dürfen, danach nur noch 50 Cent. Wer wolle dafür noch etwas tun? Schick ärgert sich auch darüber, dass manche Flüchtlinge einen Bogen um ehrenamtlich angebotene Deutschkurse machen.
Schick: „Man müsste die staatliche Hilfe viel stärker an Bedingungen knüpfen. Die Leute müssten ganz klar wissen: Wir bekommen nur Geld, wenn wir auch am Deutsch-Kurs teilnehmen.“ Bueneman hält dagegen, dass die Kurse besser angekündigt werden müssten.
Schick bestätigt, dass das Thema Sauberkeit ein großes Problem sei. In den Landeseinrichtungen würden Flüchtlinge professionell betreut, in den Kommunen sei viel weniger möglich.
Zahl der Ehrenamtler nimmt nicht ab
Alexander Neubauer, Ansprechpartner Flüchtlingsarbeit der Caritas, hat festgestellt, dass die Zahl der Ehrenamtler nicht abnimmt. Allerdings verlagere sich deren Engagement. „Zu Beginn gab es Ehrenamtliche, die die Geflüchteten schon fast entmündigt haben. Jetzt traut man ihnen selbst wieder etwas zu und steht nur bei Fragen zur Verfügung.“ Dann rückt er das Bild zurecht: „Es gibt bei den Flüchtlingen ein paar, die Mist bauen. Aber das ist ein wesentlich kleinerer Teil als der, der versucht, sich zu integrieren.“ Neubauer: „Das ist eine andere Kultur, die zu uns kommt. Wir müssen sie mit viel Rücksicht integrieren.“
Keine Finanzen für Mediatoren
Doch das entsprechende Personal dafür fehlt. Bürgermeister Dr. Schick macht darauf aufmerksam, dass Mechernich keine Finanzen habe, um professionelle Mediatoren zu bezahlen. In Sachen Elisabethhütte wolle er mit Frau Bueneman, den Hausmeistern und dem Flüchtlingsbeauftragten ein klärendes Gespräch führen. „Insgesamt sind wir nicht auf einem schlechten Weg“, sagt er. Doch der Bürgermeister lässt auch durchblicken, dass sowohl Verwaltung als auch Ehrenamtler zuweilen mit den Problemen einfach überfordert seien.
Zur Person
Gisela Bueneman (79) ist eine Frau, die zupackt und sich kümmert. Sie kann das Schicksal von Flüchtlingen nachempfinden, weil sie selbst flüchten musste. Sie wurde in Görlitz geboren. Ihr Vater war Architekt und wurde nach Kattowitz, dem heutigen polnischen Katowice, verpflichtet.
„Am 15. Januar 1945 mussten wir unsere Heimat verlassen. Die SS hat den Damen damals in den Po getreten, um alle in den Zug zu schaffen.“ Sie musste viele Kriegsgräuel erleben: „Wir haben Dresden in Flammen gesehen, mussten aus den Zügen raus und darunter Deckung suchen, weil wir von oben bombardiert wurden.“ Man habe auf der Flucht die Pferde geschlachtet, um etwas zu essen zu haben. Als Kind habe sie zahlreiche Tote sehen müssen.
Sie habe später 20 Jahre lang in den Vereinigten Staaten gelebt, wo ihr Mann Stadtplaner gewesen sei. „Dort habe ich Lehrgänge an der University in Washington DC besucht und einen sehr harten Management-Kurs mitgemacht. Der kommt mir auch jetzt noch zugute“, sagt sie. Da die Vorfahren ihres Mannes Deutsche waren, wollte er seinen Lebensabend in der Bundesrepublik verbringen.
„Wir waren kaum ein Jahr in Deutschland, da bekam mein Mann SMA (Spinale Muskelatrophie, auch bekannt als Muskelschwund).“ Sie habe ihn neun Jahre lang in Kommern gepflegt. Obwohl er auf dem Rücken liegen musste, sei er nicht wund geworden. „Die Ärzte fragten mich, wie ich das geschafft habe“, berichtet die Kümmererin sichtlich stolz. Doch vor fünf Jahren sei ihr Mann gestorben. (pe)