Hitze statt Chemie: Neun von Holzschädlingen befallene Fachwerkbauten des Freilichtmuseums Kommern werden mit der Thermomethode saniert.
HolzwurmbefallFreilichtmuseum Kommern rückt den Schädlingen mit heißer Luft zu Leibe
Das Rauschen der Heizgebläse stört die ländlich-idyllische Ruhe, die gewöhnlich an einem ganz normalen Wochentag über dem Kommerner Freilichtmuseum liegt. Vier mobile, ölbetriebene Heizanlagen mit einer maximalen Leistung von jeweils 450 Kilowatt stehen um die Zehntscheune aus Sechtem herum. Durch voluminöse Schläuche wird warme Luft ins Innere des Gebäudes geblasen.
„Das Aufheizen des Gebäudes muss möglichst langsam vonstattengehen“, erklärt Christoph Diers. Diers ist Chef der Firma IRT Innovative Restaurierungs-Technik aus Lippstadt und rückt mit seinem Team in den kommenden Wochen den Holzschädlingen zu Leibe, die sich in insgesamt neun Fachwerkgebäuden des Freilichtmuseums breitgemacht haben.
Bis auf eine Temperatur von 55 Grad Celsius wird die große Scheune, die aus dem Jahr 1734 stammt, in den kommenden Tagen aufgeheizt. „Das muss möglichst langsam erfolgen, um das Holz zu schonen“, nimmt Diers den Faden wieder auf. „Wenn zu schnell aufgeheizt wird, kann sich das Holz verziehen, was zu weiteren Schäden am Gebäude führen kann“, so der Fachmann.
Kommern: In neun Fachwerkbauten tickt „Totenuhr“
Ziel dieser Thermobehandlung ist der Kampf gegen den Bunten Nagekäfer – den einzigen „Holzwurm“, um an dieser Stelle einmal den populären Namen zu verwenden – der sich auch durch Eichenbalken frisst. „Wenn im Kern der Balken eine Temperatur von 55 Grad erreicht ist, wird der Käfer durch die einsetzende Eiweißdenaturierung in allen Entwicklungsstadien abgetötet“, erklärt Diers weiter.
Der Bunte (oder auch: Gescheckte) Nagekäfer wird übrigens auch Totenuhr genannt: Das Männchen schlägt in der Paarungszeit mit seinem Kopf gegen das Holz, um Weibchen anzulocken. „Auch Menschen können dieses Tickgeräusch hören“, erklärt der Schädlingsbekämpfer, wie der Käfer zu seinem eigenwilligen Namen kam.
Bevor in dieser Woche mit der Thermobehandlung der 48 Meter langen, 13 Meter breiten und knapp zehn Meter hohen Scheune begonnen wurde, waren umfangreiche Vorarbeiten notwendig. Bereits in der vergangenen Woche wurden an der Scheune mehrere Gefache entfernt, um die Zirkulation der aufgeheizten Luft beziehungsweise die Installation der Heizgebläse-Schläuche zu ermöglichen.
Freilichtmuseum Kommern setzt auf aufwendiges Thermoverfahren
Außerdem musste das Gebäude von allen vier Seiten in eine spezielle Folie „eingepackt“ werden, damit die eingeleitete Hitze nicht einfach wieder entweichen kann. Lediglich das reetgedeckte Dach, das bereits eine ausreichend gute Isolation mit sich bringt, wurde nicht mit der silbern glänzenden Folie versehen.
Durch den aufwendigen Einsatz dieses Verfahrens in den kommenden Monaten an insgesamt neun Gebäuden kann auf den Einsatz von anderen – zum Beispiel chemischen – Mitteln verzichtet werden. Vorteil: „Das Gebäude ist direkt nach der Behandlung wieder nutzbar“, freut sich Museumsdirektor Dr. Carsten Vorwig.
Während sich die Zehntscheune, die im Jahr 1973 an ihrem ursprünglichen Standort in Sechtem bei Bornheim abgebaut und nach ihrem Transport ins Freilichtmuseum in den 1980er-Jahren in der Baugruppe Eifel neu aufgebaut wurde, derzeit in der Aufheizphase befindet, starten am Haus aus Engelbleck in der Baugruppe Niederrhein bereits die Arbeiten für die nächste Behandlung.
Firma hat 30 Jahre Erfahrung mit der Thermomethode
Aus Vierkanthölzern wird von den Schädlingsbekämpfern dabei zunächst eine Lattenkonstruktion im Abstand von rund 30 Zentimetern um das Gebäude herum aufgebaut. Im nächsten Arbeitsschritt wird darauf die Thermofolie befestigt. „Das ist wichtig, weil die Fachwerkbalken von allen Seiten aufgeheizt werden müssen“, erklärt Diers, der eine 30-jährige Erfahrung mit dieser Thermomethode hat.
„Besonders wichtig ist, dass wir bei den Ölbrennern eine getrennte Rauchgasführung haben“, betont Diers. Die Abgase werden getrennt abgeleitet, um die Brandgefahr in den aus Holz, Stroh und Lehm bestehenden Fachwerkbauten zu minimieren. Brennbar ist dabei nicht nur die Scheune als solche, sondern auch die zahlreichen weiteren Gegenstände, die während der Thermobehandlung eingelagert wurden: Möbel, einzelne Fachwerkbalken, hölzerne Fensterrahmen, Türen und andere Bauteile stapeln sich in der großen Scheune und werden ebenfalls vom Holzwurm befreit.
Vier der neun von Holzschädlingen befallenen Gebäude sollen noch in diesem Jahr saniert werden. „Über die Wintermonate wäre der Energieeinsatz zu groß, deshalb starten wir erst im Frühjahr mit den restlichen Gebäuden“, so Museumssprecher Daniel Manner.