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Handweberin in Mechernich-FloisdorfNeue Chance für altes Handwerk

Lesezeit 3 Minuten

In der Floisdorfer Werkstatt von Anne Haag stehen drei Webstühle, an denen sie ihre Kenntnisse in Kursen weitergibt.

Mechernich-Floisdorf – Weben wird in Rupperath und im Freilichtmuseum Kommern quasi als lebendige Geschichte ins Gedächtnis gerufen. Das war es im Kreis Euskirchen nach Erkenntnissen von Anne Haag dann aber auch schon. Das neben Wirkerei und Töpferei älteste Handwerk der Menschheit ist vom Aussterben bedroht.

Als eigenständiger Beruf ist die Weberei mittlerweile sogar aufgrund von Nachwuchsmangel aus der Handwerksrolle gestrichen worden. Junge Leute, die im Zuge einer anerkannten Ausbildung das Weben erlernen möchten, können dies nur noch im Verbund mit Stricken, Filzen und Klöppeln tun. „Textilgestalter im Handwerk“ darf sich derjenige nennen, der die Lehrzeit mit einer Prüfung abgeschlossen hat.

Anachronistisch anmutender Weg

Anne Haag hat nun einen fast schon anachronistisch anmutenden Weg eingeschlagen. Sie machte im November keine Handweberei-Werkstatt dicht, sondern in Floisdorf, Am Tötschberg 3, eine auf. Dabei ist ihr vorrangiges Ziel, die alte Handwerkskunst an andere Menschen weiterzugeben. „Wenn ich 25 wäre, würde ich das anders aufziehen“, so Haag. Sie hält es durchaus für möglich, dass junge Leute vom Verkauf handgewebter Textilien ihren Lebensunterhalt bestreiten können.

Haag hat zwar nichts dagegen, wenn Kunden bei ihr Stoffe oder Kleidungsstücke gegen Entgelt bestellen. Aber sie ist halt keine 25 mehr, sondern 65. Am wichtigsten ist Anne Haag, dass die Kenntnisse über Weberei nicht gänzlich verloren gehen. Sie bietet Kurse an. Mittwochs und donnerstags hat sie jeweils von 9 bis 17 Uhr ihre Werkstatttage, an denen Interessenten ganz unverbindlich bei ihr vorbei kommen können. Andere Termine können unter ☎ 02443/307752 vereinbart werden.

Drei Webstühle

An drei Webstühlen geht es mit unterschiedlichsten Materialien um „Kette“ und „Schuss“. So heißen die Techniken, mit denen Längs- beziehungsweise Querfäden eingespannt werden. Die 65-Jährige kennt sich damit bestens aus, obwohl sie zunächst beruflich völlig andere Wege beschritten hat. Sie war als Bauzeichnerin in einem Architekturbüro beschäftigt, lernte aber auch den Beruf der Erzieherin. Unter anderem im Waldorfkindergarten in Schwerfen war die gebürtige Opladenerin im Einsatz, die seit 27 Jahren in Floisdorf lebt. Da in Waldorfkindergärten auch der Umgang mit Werkstoffen wie Wolle eine erhebliche Rolle spielt, wurde Haags Interesse für die Weberei geweckt.

Die Affinität zu Textilien hatte sie allerdings bereits von ihrer Mutter geerbt, die ein Miederwarengeschäft führte. An der Volkshochschule in Düren lernte Anne Haag die Grundzüge der Weberei, die sie später als Autodidaktin perfektionierte.

Besuchern des Freilichtmuseums Kommern könnte sie bekannt vorkommen. 14 Jahre lang gab Haag dort im Auftrag des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) die Weberin „Frau Karl“. Mit 65 wurde sie dort in Rente geschickt.

Die Arbeit an ihren beiden gebraucht gekauften Webstühlen und dem dritten, den sie von einer Freundin erbte, wollte sie aber nicht aufgeben. Im Gegenteil: Der Abschied vom Kahlenbusch war für sie mit einer erheblichen Erweiterung des Sortiments verbunden. Als Frau Karl aus dem hohen Venn verarbeitete sie ausschließlich Wolle zu der dort üblichen dunklen Kleidung.

In Floisdorf zeigt sie den Interessenten den Umgang mit den unterschiedlichsten Materialien – selbst Papier kann verwebt werden. Und, so Anne Haag: „Im Museum war ich bei der Arbeit etwas limitiert, am Webstuhl kann man alle nur erdenklichen Kleidungsstücke herstellen.“