In Düsseldorf und Berlin wird an Reformen der Krankenhausplanungen gearbeitet. Das Kreiskrankenhaus hat einige Forderungen.
KlinikreformenKreiskrankenhaus Mechernich fordert eine „auskömmliche Finanzierung“
Laumann oder Lauterbach? Laumann und Lauterbach? Laumann gegen Lauterbach? Von allem ein bisschen? Die Gemengelage in der Krankenhausplanung ist komplex. Über den richtigen Weg wird zwischen Landes- und Bundesgesundheitsministerium gestritten, die Minister vorneweg. Mittendrin sind die Kliniken, die finanzielle Sorgen drücken, denen der Personalmangel zu schaffen macht und die gespannt auf das warten, was aus Düsseldorf und Berlin kommt.
Die Ausgangslage
Bundes- und Landesrecht spielen für die Kliniken eine Rolle. Die eigentliche Krankenhausplanung sowie die Finanzierung der Infrastruktur liegen in der Hand der Länder. Behandlung und Betriebskosten werden durch die Patienten beziehungsweise deren Krankenkassen bezahlt. Wie das geschieht – derzeit per Fallpauschalen pro behandeltem Patienten – wird auf Bundesebene geregelt.
Die Kritik
Gerade die Fallpauschalen stehen in der Kritik – und das nicht erst seit Corona und hohen Inflationsraten. Nach der Beobachtung der Kreiskrankenhaus-Geschäftsführer Martin Milde und Thorsten Schütze führten die dazu, dass die Kliniken immer mehr Fälle behandeln mussten und sich zudem auf immer neue Felder gestürzt haben, um wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Das habe gerade in Ballungszentren dazu geführt, dass fast jede Klinik alles mache – das sei versorgungstechnisch nicht sinnvoll. Mit Nachdruck weisen die Geschäftsführer darauf hin, dass eine Differenzierung zwischen Stadt und Land unerlässlich sei.
Der Laumann-Plan
Krankenhäuser zählt NRW-Minister Karl-Josef Laumann zur Daseinsvorsorge. Einem „ruinösen Wettbewerb um Patienten, Fallzahlen, Ärzte und Pflegepersonal“ soll entgegengewirkt werden. Die „Plangröße Bett“ soll nicht mehr die Grundlage bilden – das sieht der 2022 vorgestellte NRW-Krankenhausplan vor, für den derzeit die regionalen Konzepte erarbeitet werden. Stattdessen sollen 64 Leistungsgruppen die Basis bilden. Sichergestellt werden soll die wohnortnahe Versorgung bei den gängigen Krankheiten inklusive Intensivmedizin. Für hoch spezialisierte Behandlungen wie Transplantationen wird es weiterhin längere Wege geben. Chirurgie und Innere Medizin sollen für 90 Prozent der Bevölkerung binnen 20 Minuten Autofahrt erreichbar sein, Geburtshilfe sowie Kinder- und Jugendmedizin in 40 Minuten.
Milde und Schütze gehen davon aus, dass sich in ihren Häusern in Mechernich (418 Betten) und Schleiden (105) nichts gravierend ändern wird. Die Leistungen, die bislang erbracht werden, sind auch nach den neuen Leistungsgruppen beantragt worden. Sie gehen mit Blick auf den Kreis und die Kliniken vor Ort nicht davon aus, dass das Angebot zusammengestrichen wird. „Was wir erbringen, ist wichtig für die Versorgung im Kreis. Und was wir machen, machen wir gut“, sagt Milde.
Der Lauterbach-Plan
Eine Revolution hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Ende 2022 für die Krankenhäuser ausgerufen – und seine Kollegen in den Ländern auf die Palme gebracht. Einige Ideen, etwa die der Klinik-Levels vom Grund- bis zum Maximalversorger, gehen eindeutig Richtung Krankenhausplanung, die nun mal Ländersache ist. Lauterbachs Aussagen über „billige Medizin“ zum Zwecke der Gewinnmaximierung treiben auch den Mechernichern die Zornesröte ins Gesicht. „Das ist eine bodenlose Unverschämtheit“, sagt Milde – gerade nach drei Jahren Corona sei das ein Schlag ins Gesicht jeder Pflegekraft und jedes Arztes.
Milde und Schütze stimmen jedoch mit dem Minister überein, dass die Kliniken derzeit von der Ökonomie getrieben sind und das Fallpauschalensystem nach 20 Jahren am Ende ist. Schütze: „Die Feuerwehr wird doch auch nicht nach der Anzahl der Brände bezahlt, die sie löscht. Aber wir bekommen nur Geld für jeden Patienten, den wir aufnehmen.“ Und die sind in den Corona-Jahren teils ausgeblieben: 15 Prozent weniger stationäre Patienten seien es seit 2019.
Dass nun auch Vorhaltepauschalen in die Finanzierung einbezogen werden sollen, begrüßen er und Milde. Gespannt sind sie, wie hoch die ausfallen. 40 Prozent der Gesamtkosten? 60 Prozent? Schütze sagt gleich, dass sie in Bereichen wie der Geburtshilfe oder der Kinder- und Jugendmedizin höher sein müssen.
Die Finanzlage
„Es muss etwas passieren, sonst ist nichts mehr zum Reformieren da“, sagt Milde mit Blick auf die Finanzen. 2020 und 2021 hat die Kreiskrankenhaus GmbH eine „gute schwarze Null“ (Milde) erzielt – trotz Corona und dank Corona, da es Freihaltepauschalen gab, etwa für Betten, die leer blieben. Doch diese Pauschale gibt’s seit April 2022 nicht mehr, die Bilanz rutscht in die roten Zahlen. Wie hoch die sind, vermag Milde aufgrund noch fehlender Abschlüsse nicht zu sagen. Nur soviel sagt er zum Verlust: „Es ist noch hinzukriegen und wird uns nicht umwerfen.“
Nein, der Pleitegeier kreist nicht über dem Kreiskrankenhaus. Doch rosig ist die Lage nicht. Schütze verweist auf die Fallpauschalen, die um gerade mal 4,32 Prozent erhöht worden seien. Die Preissteigerungen werden damit nicht ausgeglichen. Und angesichts von 70 Prozent Lohnkosten im Konzern und einer im Raum stehenden Tarifforderung von 10,5 Prozent dürften auch die anstehenden Gehaltserhöhungen einen kräftigen Batzen ausmachen. Bei 17.000 Euro, die etwa aus dem angesichts von Energiekrise und Inflation aufgelegten Hilfsprogramm für die Kliniken in Mechernich angekommen sind, bezeichnet Schütze das dann auch als „Schaufenster-Milliarden“.
Zehren kann die Kreiskrankenhaus GmbH von der in den vergangenen Jahrzehnten auf- und ausgebauten Infrastruktur. Doch ein dauerhaftes Ruhekissen ist das nicht. Etwa eine Million Euro erhält das Unternehmen jeweils als Baupauschale und als Pauschale für neue Apparate. Dass man damit nicht weit kommt, macht Milde am Beispiel des im Sommer in Betrieb genommenen Linksherzkathetermessplatzes deutlich. Räume und Medizintechnik haben 1,8 Millionen Euro gekostet.
Der Ausblick
Die Forderung aus Mechernich ist klar: „Die Länder müssen ihrer Pflicht zur Finanzierung der Infrastruktur nachkommen“, so Milde. Schütze ergänzt: „Wir brauchen eine auskömmliche Finanzierung.“ Für sie steht fest: Es muss unbedingt mehr Geld in das chronisch unterfinanzierte System fließen.
96 Prozent der Kliniken können ihre Ausgaben gemäß einer Mitteilung der Deutschen Krankenhausgesellschaft nicht mehr aus den laufenden Einnahmen finanzieren. Experten befürchten eine Insolvenzwelle, von der 10 bis 20 Prozent der Kliniken bundesweit bedroht sein könnten. Im Nachbarkreis Düren haben die Nordkreis-Kliniken im November Insolvenz angemeldet: Das Haus in Linnich ist Ende März geschlossen worden, das in Jülich hat die Stadt übernommen.
Laumann hat angekündigt, 2,5 Milliarden Euro bis 2027 in die Umsetzung des Krankenhausplans stecken zu wollen – die Kritik der Opposition, dass das nicht reicht, hat nicht lange auf sich warten lassen. Vonseiten des Bundes ist in Sachen Finanzen noch nichts verlautbart.
Milde und Schütze gehen davon aus, dass nach Abschluss der Regionalplanungen etwa im Mai bis spätestens Ende des Jahres die Feststellungsbescheide vom Land da sind und Planungssicherheit in Sachen Krankenhausplan herrscht. Und zum 1. Januar 2024 soll Lauterbachs Reform in Kraft treten.
Mit Flexpool gegen Fachkräftemangel
Der Fachkräftemangel in der Pflege wie bei den Ärzten macht auch dem Kreiskrankenhaus zu schaffen. Um kurzfristige Engpässe zu überbrücken, wird derzeit zuweilen auf Honorarkräfte zurückgegriffen, die über Agenturen engagiert werden. Doch das hat Nachteile, wie Geschäftsführer Thorsten Schütze berichtet: „Das ist irre teuer. Und: Die Kräfte kennen unser Haus nicht, sie haben keine Bindung dazu.“
Abhilfe schaffen will die Kreiskrankenhaus GmbH nun mit einem Flexpool, der im Sommer an den Start geht. Rund 100 Kräfte will man dafür gewinnen – und auch welche zurückgewinnen, die wegen der Arbeitszeiten den Klinik-Sektor verlassen haben. Ein Krankenhaus sei nun mal ein 24/7-Betrieb – doch es gebe Menschen, die nicht im Schichtmodell arbeiten können oder wollen.
„Frei ist frei“ soll der Überbegriff dieses Pools sein, für den laut Schütze jüngere wie ältere Mitarbeiter gesucht werden. Für sie sollen fixe Arbeitszeiten vereinbart werden. Die Einsatzorte innerhalb des Krankenhauses sind jedoch flexibel. Es soll aber niemand ins kalte Wasser geschmissen werden und etwa auf einer Station arbeiten, die er oder sie gar nicht kennt. Daher wird es laut Schütze eine Einarbeitung von mehreren Monaten geben. Und die Flexpool-Kräfte werden demnach nur da eingesetzt, wo sie auch eingearbeitet sind. Eine „Win-win-Situation“, von der beide Seiten profitieren, verspricht sich Schütze. (rha)