Klappern in BleibuirWie Eifeler Kinder einen alten Osterbrauch retteten
Mechernich-Bleibuir – Am Abend des Gründonnerstags läuten zum letzten Mal bis Ostern die Kirchenglocken. Am Karfreitag und Karsamstag schweigen sie. Stattdessen wird an den beiden Tagen in vielen Dörfern der Eifel von Kindern geklappert. Zum Beispiel in Bleibuir. Der Lärm der Holzschlaginstrumente hat auch hier Tradition.
1987, 1988, 1989, … bis zur Jahreszahl 1995 reicht die Reihe, mit Bleistift untereinander geschrieben, auf dem merkwürdigen Schlaginstrument. Max Langs Klapper ist 32 Jahre alt, ein Erbstück. Der Elfjährige aus Bleibuir hat sie in dritter Generation übernommen.
„Die hat mein Opa gemacht“, sagt der Junge. Und schon geh’s los: Rund ein Dutzend Kinder, dazu drei Jugendliche als Aufsicht, üben kurz. „Hack, hack, haggeldihack“ skandiert die kleine Gruppe. Im Rhythmus der Worte werden die Klappern geschlagen.
Das wird am Freitag und Samstag sieben Mal im Ober- und im Unterdorf von Bleibuir zu hören sein, wenn die Klapperkinder ihren Kirchenglocken-Ersatzdienst leisten. Dann schweigt das Geläut der Pfarrkirche St. Agnes, auch das Uhrzeitenläuten fällt aus. Da klappern Max Lang und die anderen zwischen fünf und elf Jahre alten Kinder eben als unüberhörbarer Ersatz: morgens um 6 Uhr, mittags um 12, am Abend um 18 Uhr, rund 45 Minuten dauert eine Runde. Der siebte Gang ist am Freitag um 15 Uhr der Weckruf zur Karfreitagsliturgie.
Die Fortführung des Brauchs stand in Bleibuir auch schon auf der Kippe. Jugendliche wie Julia Braun (19), die seit ihrem sechsten Lebensjahr geklappert hat – weil es in ihrer Familie immer so war – hat 2013 mit einigen Freundinnen in Eigeninitiative die Tradition gerettet: „Wir sind einfach los und haben die Kinder an der Haustür abgeholt, die mitgehen durften.“ Und Sonja Roggendorf, deren Töchter Theresa (7) und Kathrin (11) gerade mit Max Lang das „Hack, hack, haggeldihack“ geprobt haben, zählte mit ihrer Schwester und ein paar Freundinnen einst zu den ersten Mädchen, die als Klapperkinder durch Bleibuir gegangen sind. Auch damals war klar: Was einst den Messdienern, es waren damals nur Jungs, vorbehalten war, drohte auszusterben.
„Klappern gehört zum Dorf wie die Kirmes oder der Karneval“
Roggendorf, aber auch Max Langs Vater Jochen oder André Neubauer, dessen fünfjährige Tochter Leonie in diesem Jahr zum ersten Mal als Klapperkind dabei ist, ist der „Lärm“ der Holzschlaginstrumente – dessen Erzeugung den Kindern natürlich einen Heidenspaß macht – wichtig. „Die Tradition fortzuführen ist ja noch nicht mal aus kirchlichen Gründen wichtig. Das Klappern gehört zum Dorf wie die Kirmes oder der Karneval“, sagt Jochen Lang.
Alter Brauch und verschiedene Legenden
Das Klappern oder Klepppern ist in Deutschland schon mindestens seit dem 15. Jahrhundert nachgewiesen. Für Österreich hat es die Unesco 2015 als „immaterielles Kulturerbe“ unter Schutz gestellt.
Die Kirchenglocken seien seien nach Rom geflogen und kämen in der Osternacht zurück, besagt die Legende. Ganz unterschiedliche Begründungen gibt es, was die Glocken im Rom tun: Die Bandbreite reicht von beichten über den päpstlichen Segen bis hin zu Milchbrei essen oder zum Ostereier-Abholen. Der Hintergrund ist jedoch klar: Angesichts des Todes Jesu am Kreuz wäre festliches Glockengeläut nicht angemessen.
Tradition hat das Kleppern, was manche Zeitgenossen sich nicht mehr erklären können, oder sogar als ärgerliche Ruhestörung empfinden, heute noch in vielen Dörfern der Eifel . Eine regelrechte „Klapperhochburg“ dürfte ist die Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) Selige Helena Stollenwerk Simmerath sein, wo in 13 Dörfern, zum Beispiel in Einruhr, Woffelsbach und Rurberg geklappert wird.
Eine Belohnung für die Klepperdienste gibt es für die Kinder in zahlreichen Orten. Bei einem ihrer Kleppergänge ziehen sie auch von Tür zu Tür und erhalten Ostereier, Süßigkeiten oder Geld, die anschließend aufgeteilt werden. (sli)
André Neubauer sieht so einen kleinen Baustein gesichert, der für den „Zusammenhalt der Dorfgemeinschaft wichtig ist“. Und Sonja Roggendorf betont, „dass das Klappern bei uns in Bleibuir aus dem Dorf selbst heraus entstanden ist. Wir tragen die Tradition von uns aus weiter, nicht auf Bitten der Kirche.“
Eins unterscheidet das Klappern in Bleibuir von den Gängen andernorts in der Eifel: Es wird nicht mit Weckrufen im Dorfdialekt begleitet. In Mirbach, unmittelbar an der Grenze zwischen NRW und Rheinland-Pfalz, hieß es zum Beispiel einst am frühen Morgen des Ostersonntags von den Klepperkindern: „Lück stont opp, Lück stont opp, sonst is der Herrjott vür Üch opp.“ Die Mirbacher wurden so rechtzeitig gerufen. Sonst sei Christus ja schon vor ihnen aufge- oder -erstanden.In Bleibuir bleibt es beim klaren, knappen „Hack, hack, haggeldihack“. Und die Kinder nutzen nur die klassische Klapper, keine Ratschen oder Raspeln, wie sie etwa in Stadtkyll üblich sind.
Für ihren Kirchenglockenläuten-Ersatzdienst werden die Kinder in Bleibuir beim vorletzten Klappergang am Mittag des Karsamstags mit Ostereiern belohnt. Einen Tag später wird Max Lang seine alte Klapper wieder gut verstauen. Er könnte die darauf mit Bleistift notierte „Klapper-Ahnen-Zahlenreihe“ mit dem Bleistift um eine Zahl ergänzen: 2019 – hätte er nicht zu viel Respekt vor dem Erbstück.