Momente der Nähe und FreudeSängerin Mary Adhiambo lebt im Pflegeheim in Mechernich
- Im Januar lebt Adhiambo schon zehn Jahre im Heim für Schwerst- und Langzeitpflege der Communio in Christo in Mechernich.
- Sie muss, wie die meisten Bewohner dort, bis zu ihrem Lebensende betreut werden.
- Jeder Bewohner hat seine eigene Geschichte – oft ziemlich heftige Schicksale.
Mechernich – Mary Adhiambo sitzt am Fenster. Von hier aus hat sie einen guten Blick auf den Hof. Sie sieht genau, wer kommt und wer geht. Auf der Fensterbank vor ihr steht ein kleiner Holz-Weihnachtsbaum, an der Fensterscheibe hängen glitzernde Kugeln und bunte Sterne.
Adhiambo lebt im Heim für Schwerst- und Langzeitpflege der Communio in Christo in Mechernich. Im Januar werden es zehn Jahre, dass sie hier ist. „Jemand hat gesagt, wir müssen das feiern“, sagt die 40-Jährige lachend. Sie ist ein fröhlicher Mensch. Im Gespräch lacht sie viel. Wäre da nicht ihr Rollstuhl, man würde sich unweigerlich fragen, weshalb sie in einem Pflegeheim lebt.
Angewiesen auf intensive Pflege
Unter den 111 Bewohnern des Heims sind Menschen mit schweren neurologischen Erkrankungen, Menschen die im Wachkoma liegen oder beatmet werden müssen. Jeder Bewohner ist auf eine intensive Pflege angewiesen. Fast alle sind noch relativ jung: Das Durchschnittsalter liegt bei 40 Jahren. Die Jüngste ist gerade einmal drei Jahre alt.
35 Jahre Communio in Christo
Die Communio in Christo wurde am 8. Dezember 1984 von Mutter Marie Therese gegründet. Sie ist ein kirchlicher Verein, der erst 2018 seine kirchenrechtliche Anerkennung erhielt. Nächstenliebe ist das Credo des Vereins, in dem jeder Christ, der mindestens 18 Jahre alt ist, Mitglied werden kann.
In den 35 Jahren ihres Bestehens hat die Communio in Christo viel geleistet. So ist das Sozialwerk Communio in Christo ein bedeutender Arbeitgeber in der Region. Neben dem Langzeitpflegeheim betreibt es in Mechernich das Hospiz Stella Maris sowie in Blankenheim das Seniorenheim Haus Effata. Rund 300 Mitarbeiter kümmern sich an den drei Standorten um pflegebedürftige Menschen. 2020 jährt sich die Gründung des Langzeitpflegeheims zum 30. Mal. Damals war es noch eine Mischung aus Hospiz und Heim. Heute sind die beiden Bereiche getrennt.
Feier zum 35. Gründungstag
Leiter der Communio ist immer ein Priester. Seit 1985 hat Generalsuperior Karl-Heinz Haus das Amt inne. Verantwortlich für das Sozialwerk ist Norbert Arnold.
Zum 35. Gründungstag der Communio feierte Domprobst Rolf-Peter Cremer einen Gottesdienst in der Aula des Mechernicher Schulzentrums, an dem auch der Aachener Bischof Dr. Helmut Dieser und Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick teilnahmen. Den Festvortrag hielt Joachim Frank. Der Redakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ist Publizist und Theologe. Zum Abschluss der Feierlichkeiten nahm Generalsuperior Haus in der Kapelle der Communio drei neue Mitglieder auf: Father Albert Msafiri Lubuva aus Tansania, Father Mbikoyezu John Gbemboyo Joseph aus dem Südsudan und Simone Rees aus Neuss. (jre)
„Hier besuchen die Eltern ihre Kinder, und nicht die Kinder ihre Eltern“, nennt Sonja Plönnes den deutlichsten Unterschied zu einem Altenpflegeheim. Plönnes arbeitet seit neun Jahren in dem Langzeitpflegeheim, seit Juni leitet sie es. Nahezu alle Bewohner seien so schwer krank und pflegebedürftig, dass sie ihr restliches Leben in der Einrichtung verbringen müssen. Nur selten verbessere sich ihr Zustand so, dass sie ein eigenständigeres Leben führen und ausziehen könnten, erklärt sie.
Großer Wert auf Selbständigkeit und Äußeres
Auch Adhiambo wird hier wohl bis an ihr Lebensende betreut werden. Sie möchte nicht, dass die Diagnose, die ihr die Ärzte gestellt haben, öffentlich wird. Dass sie über ihr Leben im Heim berichten kann, ist etwas Besonderes. Viele ihrer Mitbewohner können das nicht. Sie mache noch viel selbst, sagt Adhiambo. Sich waschen, das Bett machen, sich ankleiden – sie ist stolz, dass sie das alles alleine kann.
Sie legt großen Wert auf ihr Äußeres. „Immer, wenn ich etwas anziehe, sagen die anderen: ’Oh, du bist aber schick’“, sagt sie und streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Bevor sie hier einzog, hat Adhiambo als Sängerin einer bekannten Band auf der Bühne gestanden. „Man muss viele Dinge aufgeben, wenn man hier wohnt“, erklärt die Leiterin ernst.
Auch die Seelsorge kümmert sich
Betreut werden Adhiambo und die anderen Bewohner von Pflegern, Betreuungsassistenten, Physiotherapeuten, Logopäden, Psychologen und Musiktherapeuten. Sogar Therapie-Hunde gibt es in der Einrichtung. Seelsorgerisch kümmern sich die Schwestern und Priester der Communio in Christo um die Bewohner. Jeden Sonntag gibt es eine Messe und auch an den Feiertagen werden Gottesdienste angeboten. Adhiambo geht gerne dorthin. Ihr Glaube ist ihr sehr wichtig. An der Tür zu ihrem Badezimmer hängt ein kleines Schälchen mit Weihwasser. Jeden Abend segne sie sich damit, erzählt sie.
Die Messen im Heim seien immer gut besucht, sagt Plönnes. Einer, der ebenfalls sehr gerne dorthin geht, ist Stephan Schmitz-Krahe. Er lebt seit gut anderthalb Jahren in dem Mechernicher Pflegeheim. Der 56-Jährige sitzt wie Adhiambo im Rollstuhl, trägt Brille und hat schütteres Haar. Er wirkt trotz seines Schicksals zufrieden. Er drückt sich gewählt und eloquent aus, auch wenn ihm manchmal ein Wort partout nicht einfallen will. Das überspielt er dann mit seinem Humor. Zwinkernd schäkert er mit Sonja Plönnes und verkündet, er wolle mit seinem Zimmernachbar nach Davos ziehen. Schließlich wohnten da die Reichen und Schönen, sagt er und lacht. Auf seinem Schreibtisch liegt ein Buch: „Englisch lernen mit Witzen“.
Ziemlich oft heftige Biografien
Schmitz-Krahe hat Latein und Griechisch studiert. „Ich bin klassischer Philologe“, erklärt er stolz. „Als Herr Schmitz-Krahe zu uns kam, hatten wir das Problem, einen adäquaten Gesprächspartner für ihn zu finden, der seine Interessen teilt“, berichtet Plönnes. Inzwischen trifft sich Schmitz-Krahe oft in der Cafeteria mit einer Bewohnerin und deren Vater. Mit ihnen könne er sich gut unterhalten.
Die Bewohner im Heim hätten oft ziemlich heftige Biografien, erzählt Plönnes. Die meisten seien durch Geschehnisse aus ihrem bisherigen Leben gerissen worden – ob aufgrund eines Autounfalls, einer Hirnblutung oder einer Erbkrankheit. Deshalb sei für alle Bewohner ein persönliches Verhältnis zu den Betreuern sehr wichtig, erklärt Plönnes. Damit sie sich in dem Pflegeheim zuhause fühlen können. Jetzt in der Weihnachtszeit zum Beispiel werde mit den Bewohnern viel gebastelt und gebacken. Auch die Flure und Zimmer sind geschmückt: Überall finden sich Weihnachtsbäume, Lichterketten und Weihnachtssterne. Im Flur hinter der Cafeteria steht eine große Krippe.
„Wenn ich es Ihnen sage: Es ist super“
Die meisten Pfleger und Betreuer arbeiten schon viele Jahre in dem Heim. Jeder neue Mitarbeiter werde ein halbes Jahr lang eingearbeitet, erklärt Plönnes. Das scheint sich zu bewähren: Schmitz-Krahe lobt das Personal immer wieder in den höchsten Tönen. Alle seien sehr freundlich und der Koch sogar „exklusiv“. „Wenn ich es Ihnen sage: Es ist super“, fasst er sein Leben im Heim zusammen.
Plönnes erzählt, dass sie oft gefragt werde, wie die Bewohner und Mitarbeiter es schafften, ständig umgeben zu sein von Krankheit, traurigen Schicksalen und auch Tod. „Es sind die Momente“, erklärt sie: „Da ist so viel Freude, so viel Nähe“, versucht sie in Worte zu fassen, was das Leben und Arbeiten in dem Pflegeheim ausmacht. Wer Stephan Schmitz-Krahe und Mary Adhiambo besucht, mit ihnen lacht und die Herzlichkeit der beiden erlebt, kann das ein bisschen nachfühlen.
Betreuer und Pfleger werden zu Familie
Dabei hat gerade Adhiambo schmerzlich erfahren müssen, was es bedeuten kann, so lange in einer Pflegeeinrichtung zu wohnen. Am Anfang habe sie noch viele Besucher gehabt, erzählt sie. Doch Jahr um Jahr seien es weniger geworden. Ihre Ehe sei während der Jahre im Pflegeheim zerbrochen. Ihre inzwischen erwachsenen Kinder sehe sie nur selten.
Das meint Plönnes, wenn sie von heftigen Biografien spricht. Adhiambo ist traurig, dass sie ihre Familie so selten sieht. Aber sie habe eine gute Freundin, die jeden Dienstag komme. Und: „Ich habe Betreuer und Pfleger – die sind meine Familie!“
Hauseigene „Partys“ für Jung und Alt
Auf dem Flur ein Stockwerk tiefer dröhnt laute Pop-Musik aus einem Zimmer. „Da macht einer Party“, sagt Plönnes zu einem Bewohner, der gerade vorbeigeht. Das Heim sei eben eine Einrichtung für junge Leute, erklärt sie. Die Kinder und Jugendlichen, die hier lebten, müssten auch ganz normal zur Schule und in die Kita gehen. Bei den Festen würden keine alten Schlager gespielt, sondern aktuelle Musik, erzählt Plönnes. Sogar eine Cocktailbar habe es schon gegeben.
Auch an Silvester gibt es ein Fest mit Getränken und Feuerwerk: Alle Bewohner, die möchten, versammeln sich dann vor dem Pflegeheim. „Wir sitzen zusammen und trinken “, freut sich Mary Adhiambo auf den Jahreswechsel.
Stephan Schmitz-Krahe wird bei dieser Runde allerdings nicht dabei sein. Da steht ihm der Sinn nicht nach.„Es ist das neue Jahr, was ist das denn?“, sagt er: „Der 1. Januar, der 17. Februar, der 5. Juli, das ist doch alles gleich.“ Wünsche fürs neue Jahr haben die beiden kaum. „Ich mache alles mit, was kommt“, verkündet Adhiambo und lacht.