Die Tafel in Mechernich teilte die Ausgabe im vergangenen Jahr auf zwei Tage auf. Der Andrang war zu groß. Doch es gibt auch Lichtblicke.
Team spürt die NotMechernicher Tafel musste 2022 mehr als doppelt so viele Menschen versorgen
In einem „normalen“ Lebensmittelgeschäft wäre man sicher froh, wenn sich die Zahl der Kundinnen und Kunden innerhalb eines Jahres verdoppeln würde. Bei den Tafeln, die zumeist gespendete Lebensmittel an Bedürftige abgeben, sieht man das Kundenwachstum aber mit zunehmender Sorge. Auch in Mechernich.
„Die Kunden haben sich seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt“, sagt der Mechernicher Tafel-Vorsitzende Wolfgang Weilerswist. Das mache ihn sehr nachdenklich. Der Andrang sei an einem Tag nicht mehr zu schaffen gewesen. Daher habe man die rund 350 Kunden auf eine Ausgabe am Dienstag und eine am Freitag aufgeteilt.
Worauf er diesen Anstieg zurückführt? „70 Prozent machen sicherlich Geflüchtete aus der Ukraine aus“, sagt Weilerswist: „Eine sehr höfliche und zuvorkommende Klientel übrigens.“ Gleichzeitig werde es bei vielen Menschen aber immer enger im Geldbeutel: Steigende Preise für Lebensmittel, Energie und Dienstleistungen brächten ganz viele Menschen an die Grenze ihrer finanziellen Möglichkeiten – und darüber hinaus.
Auch Supermärkte schnallen den Gürtel enger
Die wirtschaftlich schwierige Lage spüre das Tafel-Team aber auch an anderer Stelle. „Die Supermärkte kalkulieren knapper. Das ist natürlich einerseits gut, weil weniger weggeschmissen wird. Andererseits bleibt dann aber weniger Ware, die wir gespendet bekommen“, so Weilerswist.
Freuen konnten sich die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer über ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Denn seit kurzem besitzt die Mechernicher Tafel ein nagelneues Tiefkühlfahrzeug. Das kostet laut Wolfgang Weilerswist neu eigentlich um die 100.000 Euro. Der Hersteller Mercedes unterstütze die Tafel allerdings mit 50 Prozent Rabatt. Kein Wunder, dass der Mechernicher Tafel-Chef bei der Präsentation des Fahrzeugs einen Werbe-Slogan bemühte: „Das Beste für die Besten.“ Und das Beste, das sei ja klar, seien die verlässlichen Helfer der Tafel, die immer da seien, wenn man sie brauche. Die Mechernicher setzen mit dem Tiefkühlfahrzeug ihre wichtige Funktion in der Tiefkühllogistik der NRW-Tafeln fort – als eines von wenigen Tiefkühlverteilzentren.
Nachbarschaftshilfe aus Köln
Damit das so bleibt, hat auch die Kölner Tafel Stiftung 15.000 Euro zum Fahrzeug beigesteuert. „Es ist schön, dass wir helfen können“, stellte deren Geschäftsführer Harald Augustin während der Weihnachtsfeier des Mechernicher Tafel-Teams fest. Die Stiftung sei gegründet worden, damit die Tafeln auf Dauer finanziell Gelder zur Verfügung gestellt bekommen – vornehmlich natürlich in der Domstadt. Aber auch für diese wichtige Nachbarschaftshilfe setze sich die Stiftung gerne ein.
Zu den Groß-Spendern gehört zudem der Discounter Lidl, der aus dem Topf der Pfand-Spenden weitere 10.000 Euro zum neuen Fahrzeug beisteuerte. Auch die Mechernich-Stiftung leistete ihren Beitrag. „Wir schätzen die Arbeit der Tafel sehr. Was Sie alle hier leisten, verdient unser aller Anerkennung“, sagte Vorsitzender Ralf Claßen. Er betonte, dass auch die Mechernich-Stiftung spüre, dass die Not immer größer werde: „In dieser schwierigen Zeit müssen wir uns umso mehr gegenseitig helfen und unterstützen“, so Claßen, der gemeinsam mit Pfarrer Dr. Michael Stöhr, seinem Vorstandskollegen in der Stiftung, einen symbolischen Scheck über 5000 Euro an die Tafel überreichte.
Stöhr hatte zum Abschluss aber auch mahnende Worte: „Dieses private Engagement ist richtig toll, und wir sind auch sehr dankbar dafür, aber wir müssen auch darauf achten, dass sich der Staat nicht aus seiner sozialen Verantwortung stiehlt und sagt: ‚Die Tafeln machen das schon‘.“