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Selbständig in MechernichEinkochen statt Krankenversicherungen

Lesezeit 6 Minuten

Ihre Kücheneinrichtung genügt professionellen Ansprüchen, so dass Sylvia Maria Brielmaier hier gerne ihre fantasievollen Kreationen anrührt.

Mechernich-Kallmuth – „Für mich ist es die größte Freude, wenn ich die Gesichter der Leute beim Probieren meiner Curds betrachte: Erst ist man kritisch, dann entspannen sich die Gesichtszüge und dann höre ich: Oh, ist das lecker!“ Sylvia Maria Brielmaier (45) aus Kallmuth ist hundertprozentig überzeugt von dem, was sie tut. Im Juli 2014 hat sie sich mit ihrer „Kompotterie“ selbstständig gemacht und bietet seitdem selbst konzipierte „Genussferkeleien“ an. Damit und mit ihrem Onlineshop sorgt sie ganz allmählich für immer mehr Aufmerksamkeit. Jetzt hat auch der erste Fernsehsender angebissen: Am 24. November (ab 9.05 Uhr) ist sie live in der Sendereihe „Volle Kanne“ im ZDF zu sehen.

Edel aber nicht zu exquisit

Ihre selbstentwickelten Curds, Kompotte oder Gelees sind ideale Geschenke, zumal die mit Goldfarbe beschriebenen Gläser sehr geschmackvoll wirken. Da gibt es beispielsweise ein Himbeer-Limette-Cashew Curd, Gelees mit Blattgold, so etwa Pflaume mit Zwetschgenkernlikör und einen Sauerkirsch-Schoko-Fruchtaufstrich (siehe „Die Kompotterie“). Die Präsentpackungen aus Birkenrinde haben etwas Edles. Die angebotenen Aufstriche sind exotisch, von ihr selbst entwickelt und werden von neugierigen Genuss-Menschen gerne probiert. Preislich bewegt sie sich in einem Segment, das als durchaus edel, aber noch nicht als zu exquisit empfunden wird. Und ihr Webshop macht einiges daher.

Eigentlich versteht man unter Lemon Curd einen klassischen englischen Aufstrich, der Butter, Ei und Zucker enthält. „Das wird nachmittags gerne zu Scones oder sonstigem Gebäck zum Tee gereicht“, erläutert sie. Im Kühlschrank halte es sich allerdings lediglich drei bis vier Tage. Wenn man so etwas haltbarer machen wolle, müsse man Zusatz- und Konservierungsstoffe verwenden. „Ich esse viele Biosachen, deshalb habe ich geguckt, wie es anders gehen könnte“, erklärt sie. Butter hat sie durch Kokosöl ersetzt, statt des Eis verwendet sie eine Zitrusfaser, die bei der Pektinproduktion übrigbleibt. Die sieht aus wie Apfelmus, ist aber geschmacksneutral. Sie wird benutzt, um Sahne zu ersetzen und eine Cremigkeit in die Produkte zu bringen.

Sylvia Maria Brielmaier begann zu experimentieren und stellte irgendwann fest: „Boah, das ist so lecker!“ Danach experimentierte sie mit verschiedenen Zitrusfrüchten, mit Nuss- und Mandelmusen. Selbstbewusst sagt sie heute: „Wer mich kopieren möchte, der muss probieren.“ Es ist nämlich die Art der Zubereitung, die Reihenfolge, die Temperatur, die das Geheimnis ihrer cremigen Schöpfungen ausmachen. Sie verwende fast ausschließlich Bio-Zutaten, würde sich das auch gerne zertifizieren lassen, aber Aufwand und Kosten seien für sie als Existenzgründer noch nicht tragbar.

Grinsen von rechts nach links

Die Leidenschaft fürs Einkochen habe sie von ihrem Vater geerbt, sagt sie. Der habe schon immer Beeren im Wald gesammelt. „Und ich komme aus einer Sparer-Familie“, erläutert die Schwäbin. Am besten gehe es ihr, wenn sie am Kochtopf stehen könne, den Duft von Früchten rieche und „ein Grinsen von rechts bis links im Gesicht stehen“ habe. Früher habe sie sich gedacht: „Warum kann ich das nicht den ganzen Tag lang machen?“ Dann sei immer ein Teufelchen gekommen, habe sich auf ihre Schulter gesetzt, und gesagt: „Also, vom Marmelädchen-Kochen kannst du doch nicht leben.“

Gebürtig kommt sie aus Ravensburg in Schwaben, in Marburg hat sie Psychologie studiert – ganze 17 Semester lang. „Die letzten drei Jahre habe ich für meine Diplomarbeit gebraucht.“ Es war eine medizinisch-psychologische Arbeit, die sich mit dem Stoffwechsel von überaktiven Jungen befasste. Schon damals zeigte sich eben, dass Sylvia Maria Brielmaier ein sehr gründlicher Mensch ist.

Wie es nach dem Studium weiterging, lesen Sie hier:

Nach dem Studium habe sie ein Jahr lang etwas ganz anderes machen wollen. Ein Freund habe damals ein Maklerunternehmen in Erftstadt aufgebaut. „Er brauchte gerade ein Orga-Talent, das ihm helfen konnte. Ich habe eingewilligt“, erinnert sie sich. Daraufhin habe sie zehn Jahre im Krankenversicherungsbereich gearbeitet, zuletzt für die R+V Krankenversicherung als Betreuerin von Versicherungsmaklern. Unter anderem waren auch Coaching und Weiterbildung ihre Aufgaben. Mutter Hilde Brielmaier (80) frage sie aber heute noch, warum sie eigentlich Psychologie studiert habe, wenn sie beruflich doch einen anderen Weg eingeschlagen habe. „Für mich hat das beigetragen zu dem, was ich heute bin und kann“, verteidigt sie sich.Der beruflichen Veränderung ging ein Ortswechsel voraus: „Erftstadt war mir auf Dauer zu flach“, erzählt sie. Sie habe sich dann gesagt: „Ich ziehe in die Eifel, ich brauch’ Berge.“ Sie zog nach Kallmuth, in ein idyllisches Burggebäude an der Kirche. Hier hatte sie Muße, ihrem Hobby nachzugehen.

Edle Note durch Blattgold

So beschenkte sie ihre Kunden gerne zu Weihnachten mit einer Kleinigkeit. Es sollte etwas Hochwertiges sein, aber nicht übertrieben viel kosten. Also kochte sie Gelees, bei denen Blattgold für die edle Note sorgte. „Wo ich das denn her hätte, wurde ich danach oft gefragt“, erinnert sie sich. Sie recherchierte und stellte fest, dass es noch keine Gelees mit Blattgold zu kaufen gab. „Das Lebensmittelrecht sieht nicht vor, dass man Gold in Gelees steckt“, erfuhr sie. Erlaubt seien jedoch Goldflocken im Likör, und der dürfe durchaus ins Gelee. Eine Geschäftsidee begann sich auszubilden.

„Dann habe ich einen Lebensmittelkontrolleur kontaktiert und ihn gefragt, was ich machen müsste, um eine gewerbliche Produktion hinzukriegen?“, erzählt sie. Doch er war skeptisch und meinte zunächst, in einer privaten Wohnung gehe so etwas nicht. Doch Sylvia Maria Brielmaier war da anderer Meinung und ließ sich eine gewerbliche Küche einbauen, so dass auch der Mann vom Amt zufrieden sein musste.

Und warum hat sie ihren lukrativen Job bei der Versicherung aufgegeben? „Ich war nicht mehr erfüllt davon“, bekennt sie. Sie habe „heftige Arbeitszeiten“ gehabt und immer sehr lange am Rechner gesessen. Und es gab Probleme mit dem Rücken. „Ist es dass, was ich auch künftig weiter tun will?“, fragte sie sich. Aber auch der Gang in die Selbstständigkeit sei nicht einfach gewesen.: „Ich komme aus Schwaben und bin daher auch sehr sicherheitsbewusst.“ Finanziell hatte sie sich eine solide Grundlage geschaffen: „Ich hatte sehr gut verdient und so viel Geld auf die Seite gelegt, dass ich mich davon zwei Jahre lang durchhangeln kann“, sagte sie. Ihren vorherigen Job beendete sie Ende 2013.

Sie besuchte bei der IHK Aachen ein Existenzgründungsseminar, ließ sich coachen. Ein Existenzgründungs-Workshop bei der Frauen-Unternehmensberatung Geld & Rosen in Euskirchen, bei dem Themen wie Steuern und Businessplan behandelt wurden, folgte. Sie dachte über Vertriebswege nach, ein Onlineshop musste her. Konzipiert wurde der von SYN-Marketing in Satzvey. Marco Balg machte die Fotos und baute die Webseite. Ihr gewerbliches Logo sei von Nachbar Michael Hochgürtel entwickelt worden.

„Selfmade“-Frau aus Überzeugung

„Gleichzeitig wusste ich, dass die Leute auch eine Möglichkeit haben müssen, meine Sachen kennenzulernen.“ Deshalb präsentiert sie ihre Produkte gerne in Schlössern und Burgen, wo hochwertige Ware gefragt ist, wie zum Beispiel auf der Country Home auf Schloss Eicks.

Sie ist ganz offenbar eine „Selfmade“-Frau aus Überzeugung: „Ich genieße es, alles selbst entscheiden zu können. Das ist Fluch und Segen zugleich, denn ich bin auch für alles, was schiefgeht, verantwortlich“, sagt sie.

Schon damals zeigte sich eben, dass Sylvia Maria Brielmaier ein sehr gründlicher Mensch ist.