Skurrile KunstMechernicher erschafft lebensechte Tierfiguren aus PE-Hartschaum
- Wolfgang Herbst aus Lückerath gestaltet ganz besondere Kunstwerke.
- Mit dem Filetiermesser zaubert er lebensechte Tierfiguren aus PE-Hartschaum.
- Wie er sein Hobby zum Beruf machte und seinen ganz eigenen Markt aufbaute.
Mechernich-Lückerath – Steinbock, Riesen-Tarantel, ein Dinosaurier oder der röhrende Rothirsch, zwei Geier, davor ein Elchkalb oder auch ein Nashorn: Dieser bunte Zoo steht in Lückerath im Garten und der Werkstatt von Wolfgang Herbst. Der gebürtige Kölner gestaltet aus PE-Hartschaum alle nur denkbaren Tierfiguren. Im Januar ist er mit seiner Familie von Zülpich nach Lückerath gezogen. Dort hat er für seine Profession einfach mehr Platz.
Der Mann ist ein wahrer Künstler am Filetiermesser. Die Tierfiguren, die der 59-jährige Zwei-Meter-Mann maßstabsgetreu erschafft, wirken oft verblüffend lebendig.
Aus Hobby wird Beruf
Vor 15 Jahren habe er sein Hobby zum Beruf gemacht, sagt der gelernte Gärtnermeister und Agraringenieur. Seine Befürchtung damals: „Wildschweine, es werden nur Wildschweine sein….“ Doch obwohl ein Schwarzkittel sein erster Auftrag war, kam es doch anders.
Das Material
Polyethylen (PE) ist mit nur 24 bis 30 Kilo je Kubikmeter vergleichsweise leicht. Zugleich ist es sehr dicht, witterungsbeständig und fest. Es gehört zur Gruppe der Polyolefine.
Weltweit ist es der mit Abstand am häufigsten verwendete Standard-Kunststoff und wird in erster Linie für Verpackungen verwendet, auch für Knieschoner oder etwa für Inlays von Koffern. PE zerbröselt nicht, für Wolfgang Herbst und die Bogenschützen ein entscheidender Vorteil: Wenn eine Figur durch einen Pfeil beschädigt wurde, können Fell oder Gefieder leicht repariert werden. (sli)
Herbst ist dem Bogensport verbunden, er hat Kontakte zur Bogenwerkstatt in Hellenthal und der Bogengemeinschaft Mensch und Natur in Vossenack und besucht die Fachmessen der Szene. Wer „Ziele“ für ein Bogenturnier braucht – Tierfiguren, nicht die Pappe auf der Staffelei oder am Baum – der kann Herbst fragen. Über 250 Tierfiguren hat er mittlerweile so angefertigt. In der Szene ist er bundesweit bekannt.
Ein-Mann-Kollektiv
Herbst ist Autodidakt in seinem Kunsthandwerk. Er hat sich seinen Markt für die Unikate selbst aufgebaut. Aus zwei Meter langen, einen Meter breiten und zehn Zentimeter starken, schwarzen PE-Platten schweißt er auf Basis einer Modellzeichnung zusammen, was er an Material braucht. Und dann geht es, etwa für die 4,50 Meter große Giraffe, die in der Atelierscheune an der Wand steht, an die Feinarbeit. Das Modellieren gleicht der Arbeit eines Holzschnitzers, nur das er statt Stechbeitel und Schnitzwerkzeug halt ein Filetiermesser verwendet. Den Abfall sammelt Herbst in großen Säcken und bringt ihn zum Herstellerwerk zurück.
„Ein paar Tage“ hat er etwa für das 3,50 Meter große Nashorn gebraucht. Überlebensgroß wirkt der auf den Hinterbeinen stehende gewaltige Steinbock im Garten direkt am Zaun der Durchgangsstraße von Lückerath. Er ist Teil der Staffage in diesem Open-Air-Showroom. Herbst greift sich den naturgetreu modellierten Alpenbewohner und stellt ihn ein paar Meter entfernt wieder auf. Kein Kunststück, denn PE-Hartschaum hat auch den Vorteil des geringen Gewichts (siehe „Das Material“).
Hauptsache Naturgetreu!
Hat Herbst ein Tier geschnitten, wird es mit Fassadenfarbe angemalt. Bei der Palette gilt: Naturgetreu! So röhrt der Rothirsch unter dem Obstbaum in Herbsts Garten in braun-rotem Fell. Der etwas kleiner als das Original wirkende afrikanische Elefantenbulle trottet in Grau daher. Nur beim Dinosaurier, wohl ein Allosaurus, hat Herbst in die bunten Farbtöpfe gegriffen. Das aber nicht nur zum Spaß. Ein Bogenschütze aus der Schweiz möchte für ein Turnier das Gelände mit prähistorischen Tieren als Ziele bestücken und wendete sich an den Spezialisten.
Es kann aber auch mal ein Drache sein, der auf einer Fachmesse einen Firmenstand schmücken soll. Für einen Gastronom in Hergarten baute Herbst einen Bison, ein Pferdefreund ließ sich den Lieblingsgalopper in Originalgröße und mit geflecktem Fell bauen. Das Nilpferd sperrt nach wie vor das Riesenmaul in Lückerath auf. „Auf dem bin ich im vergangenen Jahr auf dem Zülpicher See gepaddelt – zur Freude der Kinder“, sagt Herbst grinsend. PE-Hartschaum schwimmt auch gut.
„Fuchs und Gans am Baumstamm“ sind unterdessen noch kaum zu erkennen. Das Ensemble soll ein Ziel für Bogenschützen werden, ein Hornissennest am Holzstapel einen privaten Garten schmücken. Beides ist in Arbeit. Während unter den scharfen Schnitten mit dem Filetiermesser die Späne fliegen, glotzt von gegenüber regungslos eine Riesen-Tarantel herüber.