Vergessene GründerväterKreuser-Brüder waren für Mechernichs Entwicklung maßgeblich
Mechernich – Wilhelm, Carl, Hilarius und Werner – so hießen die vier Kreuser Brüder, die Mitte des 19. Jahrhunderts das Bleibergwerk in Mechernich kauften und daraus eine Großindustrie machten. Aus der einstigen kleinen Siedlung wurde eine Stadt mit Bahnanschluss. „Meines Erachtens wäre Mechernich nicht das, was es heute ist, wenn es die vier nicht gegeben hätte“, sagt Peter-Lorenz Könen. Für den Lokalhistoriker ist es daher unbegreiflich, das nichts in dieser Stadt an die Brüder erinnere.
Die Emil-Kreuser-Straße in der Innenstadt sei nach dem Sohn einer der Brüder benannt, im Übrigen habe dieser selbst dafür bezahlt, und die Kreuser-Stiftung gehe ebenfalls auf einen Sohn der vier Brüder zurück. Dabei waren es ihre Väter, die die Stadt Mechernich maßgeblich prägten. „Die haben epochal viel geleistet und keiner weiß was“, sagt Könen. Er will das ändern.
Könen stößt bei seinen Recherchen auf verborgene Informationen
Seit Monaten schon wälzt er historisches Quellenmaterial in den Archiven. Eine Frage, die ihn bei seinen Nachforschungen besonders umtreibt: Woher hatten die vier Brüder das Geld, um das Bleibergwerk zu kaufen? 600 000 Taler sollen sie dem Vorbesitzer Graf Julius zu Lippe gezahlt haben. Umgerechnet seien das heute vermutlich mehrere Millionen Euro, sagt Könen. „Und die schüttelt man ja nicht aus dem Ärmel.“
Bei seinen Nachforschungen stieß er darauf, dass schon der Großvater der vier, Johannes Theodor Kreuser, Bleihändler war. Komplette Neulinge im Bleigeschäft waren die Brüder also nicht. Ihr Vater Johann Joseph Kreuser sei Ackerer gewesen, habe aber zudem auch Anteile an einer Schmelzhütte besessen. Solche Hüttenanteile brachten einiges an Geld, sagt Könen. Doch auch das erkläre noch nicht das Vermögen der vier Brüder. Könen hat allerdings Vermutungen, woher die vier das Geld hatten, will diese aber erst veröffentlichen, wenn er sich sicher ist.
1850 jedenfalls kauften die vier Brüder bereits die Hälfte des Bleibergwerks von Graf Julius zu Lippe, zwei Jahre später zahlten sie ihn ganz aus. „Und dann ging das so richtig ab“, sagt Könen. Unter der Regie des Grafen sei das Ganze eher ein kleiner Bergwerksbetrieb gewesen. Die Gebrüder Kreuser jedoch bauten daraus eine Großindustrie. „Die vier, die haben sich wirklich reich gemacht“, berichtet Könen.
Der Fünfte im Bunde
Es habe allerdings noch einen fünften im Bunde gegeben: Mathias Krings. Der Gerbereibesitzer aus Wesseling habe das Bleibergwerk von 1853 bis etwa 1861 mitgeführt, sei also auch ein Geldgeber gewesen, weiß Könen. Über ihn werde heute ebenfalls kaum noch gesprochen.
In den 1850er Jahren gründeten die fünf Bergwerksbesitzer dann den Mechernicher Bergwerkaktienverein, der über die Steuer nun auch Geld in die Ortskasse spülte.
Mehrere Tausend Mitarbeiter sollen die Brüder im Bergwerk zeitweise beschäftigt haben. Und die mussten irgendwo wohnen: Mehr als 200 Arbeiterhäuser ließen die Brüder bauen. Mechernich, das bis dato nicht viel mehr als ein Ein-Straßen-Dorf gewesen sei, wuchs und wuchs, berichtet Könen.
Gerissenes Spiel eines Bruders
Für die vielen Menschen ließen die Brüder dann auch eine Kirche bauen. Sie boten an, die Hälfte zu bezahlen, wenn der Ort Mechernich die andere Hälfte übernehme. Doch das konnte sich Mechernich nicht leisten. Daraufhin überschrieb der Ort den Brüdern Grund und Boden und die zahlten im Gegenzug die gesamte Kirche.
„Die waren ja auch noch clever“, berichtet Könen begeistert. Manch einer von ihnen war dabei vielleicht zu gerissen. Werner Kreuser, der Jüngste im Bunde, war der erste Generaldirektor des Aktienvereins, wurde allerdings schon ein Jahr später von seinen Brüdern aus dem Amt gedrängt.
Was war passiert? Der jüngste Bruder hatte ein Geschäft aufgemacht, in dem die Bergarbeiterfamilien anschreiben konnten. Am Ende des Monats wurden die Ausgaben in dem Laden dann mit dem Lohn verrechnet. Werner Kreuser habe natürlich nicht nur Alltägliches in seinem Laden verkauft, sondern auch Güter, die die Familien hier noch nie gesehen hatten, weiß Könen. Und so kam es, dass sich die Bergleute reihenweise verschuldeten. „Wenn einer oben auf ist, gibt es keinen mehr, der einem Moral predigt“, meint Könen dazu.
Konzert auf Bonner Friedhof
Durch einen Zufall stieß Peter-Lorenz Könen bei seinen Nachforschungen auf das Grab von Hilarius Kreuser und seiner Frau Josepha. Eine Anfrage bei der Fördergesellschaft Alter Friedhof in Bonn zu einem Hochkreuz brachte dort eigene Recherchen ins Rollen. Denn auf dem Friedhof gibt es ein Grab der Familie Kreuser. Zusammen mit der Vorsitzenden des Vereins, Eva Hüttenhein, fand Könen schließlich heraus, dass dort der dritte Kreuser-Bruder nebst Ehefrau beerdigt wurde.
Vor wenigen Wochen spielte deshalb der Musikverein Harmonie aus Weyer an dieser Grabstätte zu Ehren der Kreuser-Familie das Steiger Lied.
Alles in allem aber hätten die vier Kreuser-Brüder sehr viel für die Stadt getan, alleine schon durch den Bahnanschluss. „Die Kreusers haben hier explosionsartig in 30 Jahren den Altkreis Schleiden revolutioniert.“ Doch heute werde in Mechernich kaum noch daraufhingewiesen. „Da steht dann in der Dorfchronik von Glehn drin, es hat nie große Familien in Glehn gegeben“, berichtet Könen. Dabei seien die vier Brüder genau dort aufgewachsen. „Das kann doch wohl nicht wahr sein“, ruft er aus. Es sei ihm unbegreiflich, dass die Geschichte so schnell in Vergessenheit gerate.
Das einzige, was in den Köpfen der Menschen in Mechernich noch verankert sei, ist die Behauptung, die Kreusers hätten den armen Bergleuten das Geld aus der Tasche gezogen. In Wahrheit sei dies auf die Söhne der vier Brüder zurückzuführen. Die gründeten später mehrere Stiftungen, das Geld dafür sollen sie unteranderem vom Lohn der Bergleute abgezwackt haben. „Man kennt die zweite Generation und schimpft über die ganze Familie“, ärgert sich Könen.
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Mit seiner Forschung will er nun die vier Brüder und ihre Bedeutung für Mechernich wieder in Erinnerung rufen. Und falls es in der Stadt noch einmal eine Straße zu benennen gebe, dann hätten Wilhelm, Carl, Hilarius und Werner vielleicht eine Chance.