Vor 24 JahrenSex-Krieg in der Eifel - wie Bewohner ein Bordell verhinderten
- Einwohner des 300-Seelen-Dorfes Katzvey in der Eifel wollen ein Bordell mitten im Ort verhindern.
- Wilhelm Mausbach schreibt Brandbriefe an die Verwaltung, sogar den NRW-Innenminister.
- Am Ende hatte er Erfolg.
Mechernich-Katzvey – Schlendert man durch die verwinkelten Straßen des friedlichen 300-Seelen-Orts Katzvey bei Mechernich in der Eifel, zeigt sich Idylle pur: Der Wind streicht leise durch die Blätter der akkurat geschnittenen Hecken, die Bewohner der schmucken Einfamilienhäuser, darunter einige pittoreske Fachwerkbauten, sind nur vereinzelt zu sehen. Gedämpft werden Motorengeräusche von der nahen Landstraße 61 herüber getragen, stören die Ruhe aber kaum.
Ganz anders das Bild im Sommer des Jahres 1982: Es ist noch warm draußen, an diesem lauen Juni-Abend vor 34 Jahren. Menschen stehen auf der Straße, sie sind aufgebracht, diskutieren. Mitten im beschaulichen Katzvey, hat vor kurzem ein Bordell eröffnet – der „Club Exclusive“. Drei Damen bieten darin erotische Abenteuer an. Schon wieder. Bereits wenige Jahre zuvor hatten sich zwei solche Gewerbe in dem kleinen Ort niedergelassen.
„Wir konnten es nicht fassen. Katzvey wurde zum St. Pauli von Mechernich“, erinnert sich Wilhelm Mausbach. Der 75-Jährige hat die Geschehnisse damals hautnah miterlebt.Die Anwohner waren wütend, hatten unter anderem Sorge um ihre Kinder. „Durch so ein Gewerbe wird doch auch immer Gesindel angezogen“, diktierte ein Anwohner einem Reporter seinerzeit in den Block. Vermeintliche Beweise ließen dann auch nicht lange auf sich warten. Als die jungen Besucher eines Ferienhofs mit ihren Pferden auf einem Feldweg unterwegs waren, der am Etablissement entlang führte, sahen sie sich plötzlich barbusigen Damen gegenüber. Am helllichten Tag. Für die Katzveyer war das zu viel des Guten. Es begann eine Zeit voller Mahnwachen, Pöbeleien und Revolverhelden – und am Ende blieb vom Bordell nicht mehr übrig als ein Häuflein Schutt und Asche.
Wilhelm Mausbach war seinerzeit mittendrin. Seitenweise schrieb er Briefe – an die Stadt- und Kreisverwaltung, sogar an den damaligen Innenminister Nordrhein-Westfalens, Herbert Schnoor (SPD), und an den Petitionsausschuss des Bundestags. Die Antworten waren zumeist unbefriedigend.
Rechtlich war der Ansiedlung des horizontalen Gewerbes nur schwer beizukommen. Zwar, so bedeuteten die Verantwortlichen der Mechernicher Stadtverwaltung, habe man kein großes Interesse daran, „dass sich diese Art von Gewerbe wie ein Flächenbrand ausbreitet“. Einfach zu verhindern sei dies jedoch nicht, da „die Niederlassung solcher »Damen« seitens der Rechtsprechung nicht mehr mit den gleichen strengen Maßstäben gesehen wird, wie dies früher durchweg geschah“.
Freier sollen Anwohner belästigt haben
Und das, obwohl die Belästigungen damals eklatant gewesen seien, so Mausbach. Gleich mehrere Anwohner beschwerten sich beim Ordnungsamt, dass sie nachts von fremden Leuten aus dem Bett geklingelt würden, die sich auf der Suche nach dem Bordell verirrt hatten. Eine Dame hatte vergessen ihre Eingangstür abzuschließen und wurde prompt auf dem Hausflur von einem Unbekannten mit der Frage „Was kostet es denn?“ überrascht.
Willi Mausbach hat noch heute seine Zweifel, ob die Stadtverwaltung damals tatsächlich ein Interesse daran gehabt habe, den Club zu verbieten. Schließlich habe es Gerüchte gegeben, dass Mitarbeiter der Behörde dort selbst an Feierlichkeiten teilgenommen hätten. Bewiesen wurden diese Vorwürfe zwar nie. „Widerlegt wurden sie aber auch nicht“, so der 75-Jährige. Er sei bei der Verwaltung jedenfalls auf heftigen Widerstand gestoßen und hatte sogar eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Stadtdirektor angestrengt.
„Kampflos wollten wir unseren Ort den Freiern nicht überlassen“, sagt Mausbach. Gemeinsam mit rund 40 Dorfbewohnern schloss man sich zu einer Bürgerinitiative zusammen. Die Aktivisten versammelten sich fortan regelmäßig auf einem Grundstück nahe der Zufahrt des Etablissements. Autofahrer, die in Richtung „Club Exclusive“ abbogen, wurden kurzerhand angehalten. „Da haben wir dann gefragt, ob die Ehefrau denn auch weiß, wo sich der Herr des Hauses herumtreibt.“ Peinlich berührt habe sich der ein oder andere potenzielle Kunde daraufhin aus dem Staub gemacht – für die Club-Betreiber die pure Provokation. Wenn es um ihr Geschäft ging, verstanden sie keinen Spaß.
Hausherr wehrte sich gegen die Aktivisten
Wie aus Polizeiprotokollen von damals hervorgeht, wollte sich der Hausherr diese Aktionen nicht einfach so gefallen lassen und feuerte bei den nächsten Begegnungen diverse Tiraden ab: „Ihr dreckigen Bauernsäue, wer hier in Zukunft auf der Straße steht, den fahre ich kaputt“, bedrohte er die Katzveyer. Wahlweise drohte er damit, eine Pistole zu holen und jeden „wie im Wilden Westen“ abzuknallen, oder aber ihnen „eine Bombe zwischen die Beine zu werfen“.
Nahmen die Betroffenen die wüsten Beschimpfungen noch als Säbelrasseln hin, wurde es wenige Wochen später tatsächlich haarig: Dorfbewohner berichteten davon, dass die Kaninchen eines Aktivisten auf grausame Weise massakriert worden seien, ein weiterer Aktivist wurde angefahren und dabei verletzt. Den augenscheinlich betrunkenen Nackedei, der durch den Ort irrte und die Leute erschreckte, sah man fast schon als harmlos an. „Je länger die Auseinandersetzung ging, desto mehr eskalierte sie“, so Mausbach.
Der vorläufige Höhepunkt folgte an einem Samstag im Herbst 1982: Die Dorfbewohner gingen – wie fast jedes Wochenende – ihren üblichen Beschäftigungen nach: Der Rasen wird gemäht, die Straße gekehrt, Haus und Auto werden geputzt. Da taucht unvermittelt ein mit Sandalen, heller Trainingsjacke und dunkler Jeans bekleideter Mann auf, der auf einem Damenrad seine Runden durch den Ort dreht. Vor einem Haus in der Nähe des Bordells stoppt er und steigt ab. Gerade als die Hausherrin das Fenster öffnet, um ihn anzusprechen, zieht der offensichtlich betrunkene Mann eine Pistole aus der Jacke und bedroht sie: „Wenn noch einmal was über den Club in die Zeitung kommt, dann knall ich dich ab.“ Von Panik ergriffen wählt die Frau den Notruf. Doch noch bevor die Beamten eintreffen, beschimpft und bedroht der Revolverheld weitere Anwohner.
Ein Nachbar versucht, den Fremden mit Schäferhunden zu verjagen – vergeblich. Stattdessen braucht es mehrere Männer, um den Angreifer zu überwältigen. Auf der Polizeiwache stellt sich später heraus, dass es sich bei der Waffe nur um eine Gaspistole handelte. Doch der Schock saß tief. Ein Gutes schien der Vorfall immerhin zu haben: Auf Anweisung der Kölner Bezirksregierung verschaffte sich die Oberkreisdirektion Euskirchen vor Ort einen Überblick und verfügte: Der Club muss schließen, er stelle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, wie mehrere Vorfälle mit Gästen des Hauses bewiesen hätten.
Ruhe kehrte damit aber noch lange nicht ein in Katzvey. Das Verwaltungsgericht Aachen hatte die Schließung des Etablissements erstinstanzlich zwar für rechtens erklärt, die Clubbesitzer interessierte das jedoch nur am Rande. Sie umgingen die Verfügung kurzerhand mit einem Trick: „Nur für Paare“ hieß fortan die Devise des Freudenhauses. Da die männlichen Besucher nun immer mit einer Dame als Begleitung kämen, könne es wohl kaum noch zu Anpöbelungen durch Betrunkene kommen, lautete die Logik des Hausherren. Die Rechtsstreitigkeiten zogen sich anschließend über Jahre hin, bis sich die Angelegenheit 1986 endgültig erledigt hatte: Der Club brannte vollständig ab. Brandstiftung. Wer das Haus damals angezündet hat, wurde nie geklärt.Zum Weiterlesen: Günter Hochgürtel hat die Geschehnisse, die er seinerzeit als Redakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“ hautnah miterlebte, als Basis für seinen Roman „Landlust“ verwendet. (Edition Archipoeta, 8,90 Euro)