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Wandel im EhrenamtGrüne Damen aus Mechernich drohen auszusterben

Lesezeit 5 Minuten
Marianne Kesseler steht in einem grünen Kittel am Bett eines Patienten in einem Zwei-Bett-Zimmer der Unfallstation im Kreiskrankenhaus Mechernich.

Eine aussterbende Art? Marianne Kesseler ist 84 Jahre alt und seit 36 Jahren mit Leib und Seele in der freiwilligen Krankenhaushilfe tätig.

Die Mitglieder der freiwilligen Krankenhaushilfe sind fast alle mehr als 70 Jahre alt. Der Nachwuchs fehlt. Das Problem haben viele Vereine im Kreis.

Marianne Kesseler schüttelt die Bettdecke auf und deckt den Patienten vor ihr im Bett zu. Sie habe sich vorgenommen, das Graupensuppenrezept einmal nachzukochen, von dem er ihr beim letzten Besuch erzählt habe, berichtet sie dabei dem Patienten. Da gebe es aber bessere, sagt der Patient etwas verlegen. Und bedankt sich für die Hilfe.

Es ist Mittwochvormittag. Auf der Unfallstation im Kreiskrankenhaus Mechernich herrscht reges Treiben: Medikamente werden verteilt, Patienten zu Untersuchungen abgeholt. Und mittendrin Marianne Kesseler, 84 Jahre alt und seit knapp 36 Jahren Grüne Dame. „Ich war schon immer im sozialen Bereich tätig, das macht mir einfach Spaß“, sagt sie.

Die Grünen Damen sind eine ehrenamtliche Krankenhaushilfe. „Wir übernehmen kleinere Dienste für die Patienten“, erklärt Kesseler. Etwa, wenn jemand einen Schokoriegel aus dem Kiosk haben möchte oder einfach jemanden zum Reden braucht. Kurz: Sie nehmen sich Zeit für das, was im Klinikalltag sonst vielleicht untergeht. „Das ist das Kostbarste, was wir haben: unsere Zeit“, sagt Kesseler.

Pandemie und Flut weckten in vielen den Drang, sich einzubringen

Die freiwillige Krankenhaushilfe der Grünen Damen gebe es seit etwa 37 Jahren in Mechernich. Die Mitglieder der Gruppe sind alle deutlich älter. Der Großteil ist in den 1940er oder Anfang der 1950er Jahre geboren. Der Nachwuchs fehlt. Und damit sind die Grünen Damen nicht allein. Egal, ob Eifelverein, Dorfverschönerungsverein oder Sportverein – immer wieder klagen Gruppen im Kreis über Nachwuchsmangel.

„Die Zeiten sind vorbei, wo die Leute einfach kamen“, beschreibt Wolfgang Andres, Sprecher des Kreises Euskirchen, das Problem. Er sitzt im Büro von Tamara Empt, Mitarbeiterin der Ehrenamtsagentur des Kreises. Diese wurde vor drei Jahren gegründet, um das Ehrenamt auf dem Land zu stärken. „Es zeigt sich, dass der ehrenamtliche Einsatz schon beliebt ist, gerade bei jungen Leuten“, analysiert Empt die Situation. Gerade die Pandemie und die Flutkatastrophe hätten das deutlich gemacht. Allerdings verändere sich die Art des Engagements. Es sei nicht mehr selbstverständlich, dass man in einen Verein aus dem Ort eintrete.

Das ist das Kostbarste, was wir haben: Unsere Zeit
Marianne Kesseler

Junge Leute seien heute mobiler und hätten dadurch mehr Auswahl an Freizeitmöglichkeiten, so Empt. Auch scheuten viele Verpflichtungen. Die meisten engagierten sich lieber projektbezogen. Es sei beispielsweise kaum ein Problem, Helfer für ein Sommerfest zu finden, einen Nachfolger für einen Vorstandsposten im Verein zu gewinnen hingegen schon.

Das könnte auch das Problem der Grünen Damen sein. Hört man Marianne Kesseler zu, gewinnt man schnell den Eindruck: Grüne Dame oder Grüner Herr (auch Männer dürfen mitmachen) wird man nicht nebenbei und auch nicht nur für ein paar Monate. Man muss Zeit mitbringen. Mindesten einmal pro Woche sollte man mehr als eine Stunde im Krankenhaus Patienten besuchen.

Hinzu kommen monatliche Gruppensitzungen. Zuverlässigkeit sei dabei mit das Wichtigste, sagt Kesseler. Es könne sein, dass das den ein oder die andere abschrecke, führt sie weiter aus. Aber im Grunde sei dies auch kein Ehrenamt für jemanden, der nur ab und zu etwas machen wolle. Zeit sei eben das Wichtigste in dieser Rolle. Wer die nicht habe, sei in der freiwilligen Krankenhaushilfe falsch.

Vereine im Kreis Euskirchen müssen mehr auf junge Menschen zu gehen

Tamara Empt ist der Auffassung, dass Vereine und Gruppen flexibler werden müssen, wenn ihnen an Nachwuchs gelegen ist. Es sei an den Vorständen, auf junge Leute zuzugehen, Strukturen gegebenenfalls anzupassen und sich auf neue Ideen einzulassen. Denn junge Menschen hätten durchaus Lust, sich einzubringen. „Wertschätzung und Anerkennung ist schon etwas, das junge Leute suchen“, so Empt.

Für die Expertin ist eine Sache besonders bedenklich: Im Zuge des Nachwuchsmangels strichen bereits aktive ehrenamtliche Kräfte früher die Segel. Umso wichtiger sei es, dass die Vereine dem entgegen wirkten. Junge Menschen erreiche man am besten über die Sozialen Netzwerke. Auch eine ansprechende Homepage sei maßgeblich. „Die Vereine müssten viel mehr Tools an die Hand bekommen, um den Nachwuchsmangel zu bekämpfen“, bemängelt sie. Die Ehrenamtsagentur versuche daher zu unterstützen.

Grüne Damen aus Mechernich haben kein Instagram

Einen Social-Media-Auftritt haben die Grünen Damen nicht. Online findet man sie auf der Homepage ihres Trägers, der Caritas Eifel. Die beste Werbung ist aber Marianne Kessler. Sie geht ganz in ihrem Amt auf, ist immer herzlich, nie aufdringlich und kommt schnell ins Gespräch. Dass viele Menschen ihr schon das Herz ausgeschüttet haben, kann man sich gut vorstellen.

Dabei ist ihr eins wichtig: Die Grünen Damen unterliegen der Schweigepflicht. Daher brauche es neben Zeit und Zuverlässigkeit auch ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein für dieses Ehrenamt. Schließlich erfahre man intimste Details aus dem Leben der Patienten.

Kesseler hat schon viel erlebt: Einmal hielt sie einer Sterbenden die Hand, ein anderes Mal ermöglichte sie einer Mutter eine letzte Zigarette. Aber nicht immer sei es so emotional fordernd, berichtet sie. Oft mache sie einfach Besorgungen oder gehe mit jemanden spazieren. Oder sie schüttelt einem Patienten die Bettdecke auf, während sie sich mit ihm über Graupensuppe unterhält.


Kreis Euskirchen hilft bei der Suche nach dem passenden Ehrenamt

Um Engagement zu fördern, wurde im Rahmen des vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Projekts „Hauptamt stärkt Ehrenamt“ die „Ehrensache. Ehrenamtsagentur Kreis Euskirchen“ eingerichtet.

Die Agentur arbeitet als Vermittler. Sowohl Vereine als auch Menschen auf der Suche nach einem Ehrenamt füllen zunächst einen Fragebogen aus. Die Agentur gleicht die Ergebnisse dann ab und versucht so, für jeden Verein den passenden Menschen und für jeden Menschen das passende Ehrenamt zu finden. „Die meisten wollen schon irgendetwas mit Menschen machen“, berichtet Tamara Empt. Nicht so viel Nachfrage gebe es im Bereich Umwelt, Klima und Gartenarbeit.

Menschen fürs Ehrenamt begeistern, das will auch der Verein Feder aus Euskirchen. „Individuelle Beratung, zielgerichtete Vermittlung und persönliche Begleitung ist die eigene Note von Feder“, heißt es in einer Mitteilung. Der Verein arbeitet kostenlos. Die persönliche Beratung findet jeden Dienstagnachmittag zwischen 15 und 17 Uhr im Café Insel, Frauenberger Str. 2-4, statt. Der Verein vermittelt nicht nur, sondern hat auch eigene Projekte wie die Taschengeldbörse oder die Kulturbühne.