Eigeninitiative besonderer ArtWohnprojekt für Menschen mit Autismus entsteht in Weyer
Mechernich-Weyer – Wie geht es weiter für mein Kind, wenn ich selber nicht mehr in der Lage bin, mich zu kümmern? Irgendwann müssen sich Eltern von Kindern mit Behinderung dieser Frage stellen – und für viele sind die Perspektiven, die sich auftun, mit großer Unsicherheit verbunden.
„Ich kenne Eltern, die anderthalb Jahre nach einer passenden Unterbringung für ihr Kind gesucht haben – deutschlandweit“, erzählt Manu Arns, Mutter zweier Söhne, dem 23-jährigen Luca und dem 20-jährigen Leon, der mit seinem frühkindlichen Autismus rund um die Uhr betreut werden muss.
Die Idee, die Sache selber in die Hand zu nehmen, entstand nach und nach und wurde schließlich zu einem handfesten Plan, den Familie Arns nun umsetzt: Auf einem Grundstück an der Hauptstraße von Weyer entsteht ein Gebäude mit knapp 600 Quadratmetern Wohnfläche auf drei Geschossen, aufgeteilt in fünf separat zugängliche, frei vermietete Wohnungen und einen Bereich, in dem vier Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung ein neues Zuhause finden werden und dessen Zugang an der Straße Am Pützend liegt. Der Garten des Gebäudes wird allen Bewohnerinnen und Bewohnern zugänglich sein und soll zukünftig Platz für Begegnung bieten.
Bruder ist der Bauherr
Bauherr und Eigentümer des knapp Zwei-Millionen-Euro-Projekts ist Leons Bruder Luca, der gerade erst seinen Abschluss als staatlich geprüfter Holztechniker abgelegt hat und parallel dazu die Meisterschule besucht. Er und Vater Heinz Arns verbringen derzeit viele Stunden auf der Baustelle. In Eigenleistung ziehen sie den Rohbau des inklusiven Wohnprojektes hoch. Keineswegs ohne entsprechende Expertise: Heinz Arns ist Bauunternehmer, wenn auch zwischenzeitlich spezialisiert auf Straßen- und Tiefbau. Seinen Sohn Luca hat er vorübergehend bei sich angestellt, um das Projekt gemeinsam stemmen zu können. „Am Ende werde ich hier nahezu jeden Stein persönlich in der Hand gehabt haben“, scherzt der 23-Jährige.
Betreuung in Appartements
„Anders na und?!“ heißt der eigens gegründete Trägerverein zur Förderung von innovativer Wohnformen für Menschen mit Autismus, der in dem privaten Neubau in Weyer das inklusive Wohnprojekt mit Inhalten füllt. In dem Niedrigenergie-Haus befinden sich fünf Wohnungen, die auf dem freien Wohnungsmarkt zur Miete angeboten werden sollen.Abgetrennt von diesem Bereich entsteht ein Wohn- und Lebensraum für vier Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung (ASS), die in ihren eigenen Appartements und den Gemeinschaftsräumen von Fach- und Assistenzkräften 1:1 betreut werden. Das inhaltliche Konzept wird der Verein in Zusammenarbeit mit den Fachkräften entwickeln. Insgesamt werden etwa 18 Arbeitsplätze im Bereich Assistenz, Heilerziehung/Sozialpädagogik und Hauswirtschaft entstehen. Wer sich über die Arbeit des Vereins und Möglichkeiten der Unterstützung informieren will, erhält mehr Informationen unter Tel. 01 76/63 77 79 06 oder auf der Homepage des Vereins unter www.andersnaund.de. (hn)
Wie lange es dauern wird, bis die ersten Menschen in das Haus einziehen können? „Wir schätzen, noch ein gutes Jahr“, sagt Heinz Arns. Der Mangel an Baumaterialien mache exakteres Planen derzeit schwierig. „Gerade sind beispielsweise Ytong-Steine schwer zu bekommen.“
Leons Familie hatte ursprünglich geplant, einen Träger zu finden, der ein von ihnen geplantes und eigenständig gebaute s Wohnhaus für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung übernehmen könnte. Etliche Gespräche wurden geführt, doch letztlich sprach aus Sicht der potenziellen Träger „mangelnde Infrastruktur“ in Weyer gegen die zukünftige Zusammenarbeit.
Reizarme Umgebung
Manu Arns sieht das anders: „Menschen wie Leon können eh nicht alleine zu Fuß zum Einkaufen gehen oder einen Arzt besuchen, es muss immer jemand dabei sein und sie begleiten.“ Die ländliche Umgebung von Weyer sei zudem eher ein Pluspunkt: „So reizarm wie möglich, das ist bei Menschen mit ASS das Beste.“ Die beruhigende Wirkung der ländlichen Umgebung konnte Familie Arns während der Corona-Lockdowns erfahren, als Leon zu Hause bleiben musste und dort sehr viel Zeit in der Natur verbrachte. Sein Drang, sich selber zu schlagen und zu verletzen, sei in dieser Phase nahezu verschwunden gewesen.
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„Loslassen wird sicher noch schwer für uns“, sagt Leons Vater Heinz Arns, immerhin brauche sein Sohn, der nicht sprechen könne, „für nahezu jeden Moment in seinem Leben Hilfe“. Mit dem Hausbau und der Realisierung des inklusiven Wohnprojekts aber sei dieser Schritt gangbar: „Er bleibt in unserer Nähe.“