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Mit Schweigemarsch an Gräueltaten der Nazis erinnert

Lesezeit 3 Minuten

150 Menschen nahmen am Schweigemarsch durch Bad Münstereifel teil.

Bad Münstereifel – Ohne ein Wort zu sprechen, ihren Blick auf den Boden gerichtet, standen rund 150 Männer und Frauen am Donnerstagabend in der Bad Münstereifeler Innenstadt im Kreis. In der Mitte lag eine rote Rose auf dem Boden, und Kerzen erhellten eine kleine Gedenktafel. In einem Fenster waren Fotografien der 1938 in dem Haus beheimateten jüdischen Familie zu sehen, ebenfalls von schummrigem Kerzenschein erleuchtet. „Es ist ein beklemmendes Gefühl, wenn man sich klar macht, was diese Menschen während des Nazi-Regimes durchlitten haben“, schilderte Hans Sporn flüsternd seine Gefühle.

Insgesamt 26 Stolpersteine waren 2009 in Bad Münstereifel im Gedenken an die einst in der Stadt lebenden Juden verlegt worden. Anlässlich des 80. Jahrestages der Pogrome wurde am Donnerstagabend während eines Trauermarschs an diese ehemaligen Bürger der Stadt, die in Konzentrationslager deportiert worden waren, erinnert.

„Erinnerungen sind sehr wichtig“, betonte der 17-jährige Max: „Wir sind in der Verantwortung, kommenden Generationen von dieser Vergangenheit zu berichten. Denn so etwas darf niemals in Vergessenheit geraten.“ Bei einem Projektkurs zum Thema Erinnerungskultur hatten sich die Schüler des St.-Michael Gymnasiums mit der Geschichte des Nazi-Regimes in ihrer Heimat befasst.

Die Stolpersteine, die sie in Vorbereitung auf den Schweigemarsch besucht und gereinigt hatten, waren dabei wichtiger Bestandteil der Vergangenheitsaufarbeitung. „Auch wenn wir diese Menschen nicht persönlich kannten, haben wir heute die Möglichkeit und die Pflicht, ihrer zu gedenken“, stimmte Klassenkamerad Alexander zu.

Nach dem rund 45-minütigen Gang durch die Innenstadt versammelten sich die Schweigemarsch-Teilnehmer in der evangelischen Kirche, um das Erlebte sacken zu lassen. Kleine Holzstelen, die die Schüler nach ihrem Besuch im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau gestaltet hatten, sowie weitere Fotografien der jüdischen Familien zeugten auch dort von den grausamen Ereignissen in der Geschichte Münstereifels.

Um diese Eindrücke noch zu verstärken, zitierte der Bad Münstereifeler Stadtarchivar Harald Bongart aus einem Gespräch mit einer 2017 verstorbenen Zeitzeugin, mit der er über die Zeit der Pogrome gesprochen hatte.

„Christa Meyer hatte einen katholischen Vater und eine jüdische Mutter. Sie wurde getauft und christlich erzogen“, berichtete der Geschichtswissenschaftler. Dennoch galt Christa Meyer nach den Vorstellungen der Nationalsozialisten als „Halbjüdin“.

Ihre Erlebnisse schilderte sie mit folgenden bewegenden Worten: „Ein unvergesslicher Tag war auch der 9. November 1938, die Reichskristallnacht. Tagsüber war ich bei Nathans einen Stoff abholen, den meine Mutter für mich dort ausgesucht hatte. Sie nähte mir alle Kleider selbst. Als ich gerade aus dem Laden war und in die Unnaustraße einbiegen wollte, hielt ein Lkw, aus dem SA-Männer heraussprangen und in den Laden rannten. Wie ich später hörte, haben sie die Tuchballen zerschnitten, mit Tinte begossen und den Schäferhund erschossen. Ich bin schnell und verängstigt nach Hause gelaufen.“

Weitere Erzählungen über die Angst ihrer Familie und Nachbarn und die spätere Deportation nach Köln-Müngersdorf hinterließen sichtliche Spuren der Betroffenheit bei allen Zuhörern.

„Es ist ein schwieriges und trauriges Thema“, sagte der evangelische Pfarrer Frank Raschke: „Doch heute ist wichtiger denn je, dass wir alle dafür eintreten, eine Wiederholung dieser Ereignisse zu verhindern.“ Denn, so zitierte Bad Münstereifels Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian eine ehemalige Gefangene des KZ Auschwitz, Ester Bejerano: „Die heute Lebenden tragen keine Schuld an den Verbrechen, sie machen sich aber mitschuldig, wenn sie nichts davon wissen wollen, was damals geschah.“