Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Nachruf auf Christel LammelEin Leben für die jüdische Kunst

Lesezeit 3 Minuten

Nettersheim-Zingsheim – Nur acht Monate nach ihrem Mann Manfred ist am 8. Juni Christel Lammel im Alter von 72 Jahren plötzlich und unerwartet gestorben. Das Ehepaar Lammel hatte vor 36 Jahren in Bad Münstereifel Deutschlands erste und lange Zeit einzige Galerie für jüdische Kunst und Literatur eröffnet. Die Initialzündung für ihre jahrzehntelange Sammlertätigkeit war eine Reise nach Israel Anfang der 1970er-Jahre. Das junge nichtjüdische Ehepaar, beide Jahrgang 1943, das in der Schulzeit so gut wie nichts über die Schoah erfahren hatte, lernte dort mit seinen drei kleinen Kindern in einem Kibbuz jüdische Künstler kennen und schätzen, darunter auch Überlebende des Holocaust. Jahrzehnte später noch berichtete Christel Lammel, die 2012 mit dem Rheinlandtaler ausgezeichnet wurde, wie überrascht sie über die liebevolle Aufnahme gewesen seien, zumal sie doch aus dem Land der Täter kamen.

Es ist Manfred und Christel Lammels Verdienst, zahlreiche Holocaust-Künstler aus Israel in Europa bekannt gemacht zu haben. Viele von ihnen kamen auf Einladung der Lammels zum ersten Mal nach der Schoah wieder nach Deutschland. Sie wohnten bei den Lammels, die in den Anfangsjahren der Galerie noch keine Kunstwerke kaufen konnten, sondern in Kommission nahmen – ein Zeichen für das große Vertrauen zwischen den Kreativen und ihren Galeristen. In den Gesprächen mit den neuen Freunden, die auch in Israel nicht auf Rosen gebettet waren, entdeckten die beiden, wie wenig sie über jüdische Geschichte, Religion und Kultur wussten.

Lebenswerk im Dienste der Versöhnung

Das gemeinsame Lebenswerk von Christel und Manfred Lammel im Dienste von Versöhnung und Wiedergutmachung blieb nicht frei von Anfeindungen. Manches Mal ging in ihrem Geschäft in Bad Münstereifel eine Scheibe zu Bruch. Zermürbt von solchen Attacken, schlossen die Lammels 2004 ihre Galerie in der Kurstadt und zogen nach Zingsheim, wo sie ihre Arbeit fortsetzten und zu Ausstellungen und Lesungen im intimen Kreis luden. Vor sechs Jahren, 2009, schlossen sie ihre Galerie. Diesen Rückzug begründete Christel Lammel damit, dass sie für ihre Arbeit die ganze Kraft brauche, und „halbe Sachen machen wir nicht“.

Eine große Genugtuung erfuhr das Galeristenpaar noch im November 2013. Da eröffnete das jüdische Museum in Brüssel unter dem Titel „Une passion allemande pour l’art juif – La collection Lammel“ („Eine deutsche Leidenschaft für jüdische Kunst – Die Sammlung Lammel“) eine große Ausstellung mit mehr als 650 Werken, die die Lammels in 40 Jahren zusammengetragen und dem Museum überlassen hatten. In der Schau waren so international renommierte Künstler wie Naftali Bezem, Jakob Pins, Jakob Steinhardt, Elie Abrahami, Max Liebermann, Friedel Stern und viele andere vertreten. Manfred Lammel, damals schon gezeichnet von einer seltenen Krankheit, die ihn am Sprechen hinderte, ließ es sich nicht nehmen, die Eröffnungsfeier aus dem Rollstuhl zu verfolgen.

Ein weiterer Teil der einzigartigen Sammlung ging an das Jüdische Deportations- und Widerstandsmuseum im belgischen Mechelen. Dort wie in Brüssel wird sehr zur Freude von Christel und Manfred Lammel mit ihrem Nachlass auch wissenschaftlich gearbeitet. In den vergangenen Jahren lebte das Paar sehr zurückgezogen, Christel Lammel pflegte ihren Mann bis zu dessen Tod am 26. Oktober vergangenen Jahres. Die Urne mit der Asche seiner Frau Christel wird am heutigen Samstag neben der seinen im Bad Münstereifeler Friedwald beigesetzt.