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Weiter unversorgte GebieteIrritationen über Breitband-Ausbau in Nettersheim

Lesezeit 5 Minuten

Die oberste Asphaltdecke brachten am Mittwoch die Arbeiter der Blankenheimer Tiefbaufirma in Roderath auf.

  1. Die Telekom hat in manchen Gebieten Bürgern Anschlüsse gekündigt – ohne eine Alternative zu haben.
  2. Der Referent des Landrats und ein Telekom-Sprecher beziehen Stellung.

Nettersheim – Immer weiter schreiten die Arbeiten zum Ausbau des Breitbandnetzes in der Gemeinde Nettersheim voran. Doch eitel Sonnenschein und ungehemmter Surfspaß sind immer noch nicht Alltag bei den Bewohnern der unterversorgten Gebiete. Winfried Dederichs, in Roderath ansässig und als sachkundiger Bürger für die CDU im Entwicklungs-, Planungs-, Bau und Umweltausschuss der Gemeinde, berichtete in der jüngsten Sitzung von den Irritationen der Anwohner.

Die K34 in Frohngau wird zeitgleich saniert.

So hätten die Bürger von der Telekom die Kündigung ihrer Anschlüsse erhalten – dabei sei noch nicht einmal das Glasfaserkabel in die gerade verlegten Leerrohre eingeschossen worden. „Das ist gerade für die Gewerbebetriebe im Ort ein Problem“, sagte Dederichs. Die Telekom habe noch gar keine Alternative, die sie anbieten könne.

Mischlösungen aus Kupferkabel und Funknetz

Bürgermeister Wilfried Pracht berichtete von weiteren Ungereimtheiten: „Da werden in der Helterstraße in Frohngau die Leitungen an den Häusern vorbeigezogen, die aber gar nicht angeschlossen werden.“ Das könne niemandem erklärt werden, monierte er.

Roderath stellte bislang einen der größten Problemfälle in Bezug auf die Versorgung mit schnellem Internet in der Gemeinde und sogar im Kreis dar. Während man in den Nachbarorten teilweise in Eigenleistung mit Schaufel und Minibagger die Rohre im Eifelboden versenkt hatte, durch die die Glasfaserkabel bis in den Ortskern gezogen wurden, fand sich in Roderath nicht mal ein Betreiber, der ein erfolgreiches Angebot für den Netzausbau vorlegte. Die Nutzer behalfen sich mit Mischlösungen aus Kupferkabel und Funknetz.

DSL-Ausbau

Das Förderprogramm zum Breitbandausbau für den Kreis Euskirchen wird vom Bund mit rund 14,657 Millionen Euro ausgestattet. Dazu kommen rund 12,97 Millionen Euro vom Land NRW und rund 1,687 Millionen Euro Eigenanteil der Kommunen.

Die eigentlich vorgesehene Kostenverteilung von 50 Prozent Bund, 40 Prozent Land und 10 Prozent Eigenanteil wird nicht erreicht, da das Land den Eigenanteil für die Kommunen im Haushaltssicherungskonzept (HSK) übernimmt. Im Kreis sind dies Weilerswist, Hellenthal, Bad Münstereifel sowie das mittlerweile nicht mehr im HSK befindliche Zülpich.

Bei Tiefbauarbeiten auf einer Länge von insgesamt rund 404 Kilometern werden derzeit rund 519 Kilometer Glasfaserkabel im Zusammenhang mit dem Förderprojekt zum Breitbandausbau im Kreis Euskirchen von der Telekom verlegt. Damit sollen insgesamt 7224 bislang unterversorgte Haushalte, Schulen oder öffentliche Gebäude, die weniger als 30 Mbit an Bandbreite zur Verfügung haben, an das schnelle Internet angeschlossen werden.

Laut Kompetenzzentrum Gigabit NRW verfügten Mitte 2018 in der Gemeinde Nettersheim bislang 50,2 Prozent über mehr als 50 MBit-Leitungen, 74 Prozent standen mehr als 30 Mbit zur Verfügung und 81,2 Prozent mehr als 16 Mbit Bandbreite.

Kreisweit waren für 76 Prozent mehr als 50 Mbit, 83,7 Prozent mehr als 30 und 87,1 Prozent mehr als 16 Mbit verfügbar. Schlusslicht in NRW war der Oberbergische Kreis, bei dem kreisweit 66 Prozent mehr als 50 Mbit, 74,7 Prozent mehr als 30 und 80,3 mehr als 16 Mbit Bandbreite hatten. (sev)

Dass zur Zeit alle Verträge gekündigt werden, hat nach übereinstimmender Aussage von Telekom-Sprecher André Hofmann und Marcus Derichs, Referent des Euskirchener Landrats, nichts mit dem gleichzeitig erfolgenden Ausbau des DSL-Netzes zu tun. „Das muss man voneinander trennen“, sagten beide unabhängig voneinander im Gespräch mit dieser Redaktion.

Hofmann erläuterte den Hintergrund der Kündigungen: „Das geschieht bundesweit, weil wir komplett von analog auf digital umstellen.“ Es sei schlicht so, dass für die mittlerweile veraltete Technik keine Ersatzteile mehr zu bekommen seien.

„Wir wollen die Kunden ja nicht loswerden“

Deshalb würden alle Kunden in einem automatisierten Verfahren mehrfach angeschrieben, damit die Vertragsumstellung vollzogen werde. „Erst, wenn keine Reaktion von den Kunden kommt, erfolgt die Kündigung“, sagte er. Und: „Wir müssen umstellen, da kommen wir nicht dran vorbei.“ Die Telekom sei aber bemüht, alle Möglichkeiten auszuloten, wie zum Beispiel Übergangsverträge. „Wir wollen die Kunden ja nicht loswerden“, warb Hofmann um Verständnis. Es seien Hotlines eingerichtet worden, um in schwierigen Fällen gemeinsam Lösungen zu finden.

Für Winfried Dederichs heißt das, dass er zunächst auf das über Funk übertragene Internet verzichten und einen Router verwenden muss, der mit der niedrigen Datenrate zurechtkommt, die aktuell noch in Roderath Realität ist. Dieser Router könne dann aber auch die DSL-Geschwindigkeit ausnutzen, wenn die neuen Anschlüsse gelegt seien. „Ein Jahr soll der Vertrag laufen“, so Dederichs.

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Bei Peter Dederichs, Schreinermeister im Ort, wurde die Kündigung des Telefonanschlusses in Absprache mit der Telekom kurzerhand verschoben. „Vom 25. September ist die jetzt auf den 31. Oktober verlegt worden“, sagt er auf Anfrage.

Weit komplizierter ist ein weiteres Problem, das bei dem augenblicklichen Ausbau des Netzes in Nettersheim zutage getreten ist. So sei es nach jetzigem Stand nicht vorgesehen, die Häuser an der Helterstraße mit Glasfaser zu versorgen, teilte Pracht mit. Die Aussage sei, dass diese Häuser bereits vor sieben Jahren Fördergelder erhalten haben, als die Orte schnelles Internet bekommen haben.

„Die Dörfer hatten in Eigenleistung dafür gesorgt, dass Glasfaser bis an die Schaltschränke innerorts gelegt werden konnte“, erinnert Pracht an die konzertierten Aktionen der Dorfbewohner. Diese würden nun nicht weiter ausgebaut, monierte er. Es sei nicht verständlich, dass, wie beim Ausbau im Rosenthal geplant, ein Haus angeschlossen werde – ein danebenstehendes aber nicht. „Wir müssen da hart argumentieren“, so Pracht.

Es gebe Bereiche, zum Beispiel im Ortskern von Nettersheim, wie das Bürohaus Schmitz oder die Werkhäuser an der Kaninhecke, die unterversorgt seien. Diese müssten in einer Nachplanung in den Ausbau mit einbezogen werden, forderte Pracht. Er schlug vor, gemeindeweise, am besten ortsweise, einen runden Tisch zu initiieren, an dem Problemfälle unter Beteiligung von Telekom, Kreis Euskirchen, Bürgern und Gemeindeverwaltung erörtert würden. „Dort könnten gute Lösungen gefunden werden“, so Pracht.

„Es ist leider richtig, dass die Leitung in der Helterstraße an den Häusern vorbeigeht“, sagt Marcus Derichs auf Anfrage. Es gebe in dem aktuellen Förderprogramm eine Aufgreifschwelle von 30 Mbit. Die Planung dafür sei nach Mitteilungen der Telekom erfolgt. „Wir haben keine Möglichkeit, das zu kontrollieren“, so Derichs. Was die unterversorgten Bereiche in Nettersheim angehe, sei am Montag beim Kreis ein Antrag auf Änderung der Förderung eingegangen, der die noch nicht erfassten Bereiche umfasse. Dies werde nun geprüft. Allerdings werde das nicht beim Kreis entschieden, sondern vom Fördergeber Atene Kom in Berlin.