AboAbonnieren

Pflege wertvoller StreuobstwiesenDr. Sprunkel hat ihr Herz an die Bäume verloren

Lesezeit 4 Minuten

Sehr konzentriert geht Dr. Elke Sprunkel beim Schnitt der alten Obstbäume zu Werke.

Kreis Euskirchen – Es klingt so, als würde Dr. Elke Sprunkel einer längst vergessenen Pädagogik das Wort reden. „Die brauchen einen Erziehungsschnitt“, sagt sie mit einem entschlossenen Gesicht und blickt kritisch in Beisein von Martin Holzportz über die schneebedeckte Weide am Schleidener Hohenfried.

Die liegt idyllisch in der spätnachmittäglichen Sonne. Ob sich die Zöglinge, auf die sie sich bezieht, nun fürchten, ist fraglich. Weglaufen können sie auf jeden Fall nicht. Sprunkels Ansprache gilt den etwa 50 Apfelbäumen, denen die beiden Experten des Streuobst-Netzwerkes zu Leibe rücken wollen. Das Netzwerk ist das Resultat eines Leader-Projekts zum Schutz der letzten verbliebenen Streuobstwiesen in der Eifel.

Supermärkte übernahmen Funktion der Versorgung

Schnittkurse

Neue Kurse, in denen die Grundkenntnisse zum Schnitt von Obstbäumen vermittelt werden, gibt es von mehreren Veranstaltern. Das Streuobstwiesen-Netzwerk Nordeifel (SoNNe eG) bietet Kurse für Samstag, 10. März, von 10 bis 17 Uhr für Anfänger und für Samstag, 24. März, von 10 bis 17 Uhr für Fortgeschrittene an. Sie finden in Vettweiß auf Burg Gladbach statt und kosten jeweils 40 Euro. Kontakt und Anmeldung unter Telefon 0 24 41/77 78 13 oder online:

www.sonne-streuobstwiesen.de/dokumente/Seminarflyer2018HP.pdf

Im LVR-Freilichtmuseum Kommern stehen Kurse am Freitag, 16. Februar, und am Freitag, 16. März, an. Sie dauern von 10 bis 16 Uhr und richten sich an Anfänger. Sie finden am Waldhaus statt und kosten jeweils 40 Euro. Kontakt und Anmeldung unter Telefon 0 24 43/9 98 01 47.

www.kommern.lvr.de/de/mehr_erfahren/foerderverein_2/kurse_fuer_erwachsene/kursefuererwachsene.html#dt

Weitere Informationen gibt es beim Kompetenz-Netzwerk Streuobstwiesen. Im Internet sind auch die Ansprechpartner für die Kreise Euskirchen, Düren und Aachen zu finden. (sev)

www.streuobstwiesen.net

„Früher waren sie am Rand der Dörfer zu finden“, erzählt Sprunkel. Sie koordiniert das Projekt in der Biostation des Kreises Euskirchen in Nettersheim. In früheren Zeiten seien die Bäume wichtig für die Versorgung der Menschen mit Obst gewesen. Doch in den 1950er Jahren hätten mehr und mehr Supermärkte diese Funktion übernommen. Die Streuobstwiesen hätten ihre Bedeutung verloren.

In den 1980er Jahren wurde ihre Rodung aus Mitteln der Europäischen Union subventioniert. Wiesen wurden aufgegeben, das jahrhundertealte Wissen ging immer mehr verloren. Doch als wichtige Rückzugsorte für seltene Pflanzen, Vogel- und Insektenarten erlangen sie nun neue Bedeutung. „Sie sind eine Quelle für unbehandeltes und irrsinnig leckeres Obst“, so Sprunkel.

In dem Projekt „Kompetenz-Netzwerk Streuobstwiesen“, das in der Biologischen Station angesiedelt ist, soll das verloren gegangene Wissen über die Pflege der Bäume gesammelt werden. Die Gartenbaumeisterin Ursula Gerke, die 2009 das Projekt in Gang gebracht hat, hat sich das kleine Einmaleins angelesen. Denn die Generationen, die die Bäume gehütet haben, gibt es nicht mehr. „Die alten Obstbaumwarte, die noch alles über die einheimischen Sorten wussten, waren, als das Leader-Projekt in Gang kam, alle schon gestorben“, bedauert Sprunkel.

„Wie geht es dem Baum?“

Daher müssen die Akteure die kleinen Tricks, die nicht schriftlich publiziert worden sind, selbst ausprobieren. „Man muss den Charakter des Baumes erfahren“, nennt Sprunkel dies. Zu allererst erfährt der Baum eine Ansprache. Mit Holzportz, Streuobst-Pädagoge und aktiv im „Streuobstwiesen-Netzwerk Nordeifel“ (SoNNe), diskutiert sie über den Wuchs des Baumes. „Jeder Baum ist anders und hat andere Probleme“, sagt Holzportz. Er stellt sich folgendes Frage: „Wie geht es dem Baum, und wie kann ich ihm etwas Gutes tun?“

Im Fokus stehen die Äste, die senkrecht nach oben wachsen. „Wichtig sind drei bis maximal fünf Leitäste“, erläutert Sprunkel. Vor allem müsse der Baum eine gute Statik haben und nicht zuletzt die Möglichkeit bieten, bei der Ernte hoch zu klettern.

Die in dem Kompetenz-Netzwerk organisierten Obstbaumwarte sind zwar alle in der Lage, Bäume auf Bestellung zu pflegen, doch das sei eigentlich nicht wünschenswert, macht Sprunkel deutlich. „Wenn die Besitzer der Bäume merken, dass das nicht preiswert ist, lassen sie die Bäume nicht mehr pflegen“, schildert sie das Dilemma.

Mit der „Ansprache“ beginnen Elke Sprunkel und Martin Holzportz die Arbeit.

Deshalb sei es so wichtig, den Besitzer zu zeigen, wie sie ihre Bäume beschneiden müssen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt darauf, in jedem Dorf möglichst einen Ansprechpartner für das Streuobst zu haben. „Deshalb wollen wir Obstbaumwarte ausbilden und suchen Menschen, die sich gerne dafür engagieren wollen“, sagt Sprunkel. Das seien Leute, die nicht nur ihren eigenen Baum pflegen wollten, sondern sich für den Schutz der Streuobstwiesen einsetzen wollten: „Es erfordert viel Fachwissen, wenn man sich um die Bäume kümmern will.“

Deshalb sei es unabdingbar, ein Netzwerk zu haben, in dem man sich austauschen könne. Und noch etwas sei nötig: „Man muss sein Herz an die Bäume verlieren“, sagt die Landschafts-Ökologin. Nur so könne die Eifeler Landschaft mit den charakteristischen Streuobstwiesen erhalten werden.

Im kommenden Herbst werde dazu von der Biostation des Kreises Euskirchen ein neuer Kursus angeboten.