Angst vor GestankBürger wehren sich gegen geplante Pilzfarm in Satzvey
Obergartzem/Satzvey – Für Franz-Josef Graf Beissel ist das Projekt „eine reine Öko-Sache“. Doch das sehen immer mehr Bürger aus Satzvey und Obergartzem ganz anders. Öko hin oder her, sie haben akute Bauchschmerzen wegen des Vorhabens, das Graf Beissel auf seinem Grund und Boden mit dem niederländischen Unternehmen Funghi Farms auf dem Motocross-Gelände bei Satzvey etablieren möchte.
Vielen Anwohnern stößt der Plan, auf dem 23 Hektar großen Areal eine Pilzzucht-Anlage zu errichten, jedenfalls bitter auf. Einer von ihnen ist der Obergartzemer Wolfgang Münch, der von seiner Frau Josefine und Tochter Sabine Hollad unterstützt wird: „Wir wohnen seit 37 Jahren im Ort. Inzwischen sind wir von Industrie und Gewerbe umzingelt.“
Milch-Fabrik soll 2021 in Betrieb genommen werden
Das sagt Bürgermeister Schick
Der Mechernicher Bürgermeister Dr. Hans-Peter Schick (CDU) erklärte, dass das Areal von Franz-Josef Graf Beissel im Flächennutzungsplan als Sonderfläche für Motocross ausgewiesen ist. Der Graf habe einen Antrag gestellt, seinen Grund und Boden in eine landwirtschaftliche Fläche umzuwidmen. Über diesen Antrag, so Schick, müsse nun der Stadtrat und die Kölner Bezirksregierung beraten. Wenn dem der Rat und die Bezirksregierung zustimmen würden, könnte der Graf oder das Unternehmen Funghi Farms einen Antrag auf Privilegierung stellen. Darüber entscheide die Landwirtschaftskammer Rheinland.
Sollte die Kammer zu dem Ergebnis kommen, dass es sich um ein privilegiertes Vorhaben handelt, wären der Stadt gemäß Baurecht die Hände gebunden. Schick: „Es ist aber überhaupt noch nichts entschieden.“ (pws)
Und Münch wird noch deutlicher: „Obergartzem ist zu einem Industrie-Standort mit ein bisschen Dorf mutiert.“ An Naherholung sei kaum noch zu denken. Die Rede ist von den Gewerbegebieten Obergartzem I, das Ende der 1970er-Jahre errichtet wurde, und den Gewerbegebieten II und III.
Und die Expansion geht weiter: 2021 will die Hochwald Foods GmbH eine große Milch-Fabrik bei Obergartzem in Betrieb nehmen. Für die tägliche Produktion benötigt das Unternehmen bis zu 2000 Kubikmeter Wasser täglich.
Die Bürger wissen, dass auch die Pilzfarm einen hohen Wasserverbrauch haben würde. „Wo soll das Wasser denn herkommen?“, fragt Uwe Wedegärtner vom Naturschutzbund Euskirchen. Im Dürresommer habe es im Kreis ja ohnehin schon einen extremen Wassermangel gegeben. Jetzt kämen noch Hochwald und unter Umständen die Pilzfarm hinzu.
Pilzfarm wäre nicht in die Natur integriert
„Man sollte den Klimawandel nicht vergessen. Bei einem weiteren Sommer wie im vergangenen Jahr geht die Pilzanlage mit Sicherheit in die Knie“, so Wedegärtner. Er und sein Nabu-Kollege Günter Lessenich bemängeln zudem, dass es noch kein Artenschutzgutachten gibt. Dabei liege das Motocross-Gelände im Landschaftsschutzgebiet. Dort gebe es sogar Feuchtgebiete, in denen seltene Amphibien wie die Kreuzkröte heimisch sein dürften.
Das könnte Sie auch interessieren:
Für Hans-Josef Strick, der sich nach eigenem Bekunden Sorgen macht, wäre eine Pilzfarm ohnehin kein Agrar-, sondern ein Industrie-Unternehmen. Das sieht auch Wedegärtner so: „Wir reden hier über eine Hallenproduktion, die nicht in die Natur integriert ist.“
Die Anwohner befürchten „Stroh-Tourismus“ und Geruchsbelästigung. Josef Becker hat sich in den Niederlanden eine Produktionsstätte von Fungi Farms angeschaut: „Da hat es schon übel gerochen.“ Das sei auch von den dortigen Anwohnern beklagt worden.
80 bis 100 Arbeitsplätze entstünden auf der Pilzfarm
Petra Augel aus Satzvey macht sich Sorgen wegen einer Zunahme des Schwerlastverkehrs im Fall einer Realisierung: „Für die 330 Tonnen Stroh in der Woche werden 18 Lkw benötigt. Für die rund 760 Tonnen Substrat müssten 30 Laster fahren.“ Hinzu käme noch der Transport von 100 Tonnen Pilzen.
Augel rechnet unter dem Strich mit etwa 70 Lkw-Fahrten pro Woche und findet das unzumutbar.
Die 80 bis 100 Arbeitsplätze, die in der Pilzfarm entstehen könnten, halten die Kritiker aus Satzvey und Obergartzem für kein Kriterium, das für die Realisierung sprechen würde. „Da wird wohl kaum einer aus unserer Region einen Job bekommen. Dort werden nur Stellen im Billiglohn-Sektor entstehen“, meint Nabu-Mann Uwe Wedegärtner.
„Es geht ja nicht nur um uns. Unter der Pilzzucht-Anlage müssten auch die kommenden Generationen leiden“, schickt Sabine Hollad einen flammenden Appell in die Richtung der Mechernicher Stadtverordneten. Die hätten es jetzt in der Hand.