Schlechteste Straßen in NRW?Euskirchener werden wohl weiter zahlen müssen
- „In Bad Münstereifel gibt es die schlechtesten Straßen im Kreis Euskirchen, vielleicht sogar in NRW“, sagt Frank Terschanski, stellvertretender Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Bad Münstereifel.
- Dafür müssen die Euskirchner zu großen Teilen aufkommen – weil nur wenig in den Straßenbau investiert worden ist.
- Interessensgruppen und Parteien versuchen, daran etwas zu ändern. Wie geht es weiter mit den schlechten Straßen?
Kreis Euskirchen – Im Stadtgebiet gebe es 250 Straßen, bei denen keine Ersterschließungskosten abgerechnet worden seien. Laut Terschanksi sind das gut 48 Prozent der Kurstadtstraßen. „Das ist für die Verkehrsteilnehmer ein Ärgernis, aber auch für die Anwohner“, so der Bad Münstereifeler.
Schließlich müssten die sich laut Baugesetzbuch mit 90 Prozent an den Erschließungskosten beteiligen – auch bei Erschließungen, die mitunter schon Jahrzehnte zurückliegen.
Anwohner an Kosten beteiligt
Ist eine Straße erschlossen und muss später saniert werden, werden an diesen Kosten ebenfalls die Anwohner beteiligt. Wie hoch der Prozentsatz ist, ist in der jeweiligen Satzung des Kommunalabgabengesetzes (KAG) der Kommune fixiert. In Bad Münstereifel tragen bei einer Anliegerstraße die Anwohner aktuell 80, in Dahlem 50 und in Schleiden 65 Prozent der Kosten, Ob Grundstücksgröße oder Geschossigkeit oder beides entscheidend sind, ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich geregelt.
Laut Stefan Kämmerling, Kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, sind NRW, Bremen und Sachsen-Anhalt die einzigen Bundesländer, in denen Beiträge erhoben werden. Alle anderen haben sie entweder komplett abgeschafft oder den Kommunen überlassen, ob sie Gebühren erheben möchten. „Das System ist ungerecht, weil die Beiträge von den Kommunen festgelegt werden. Die SPD ist deshalb für eine Abschaffung des KAG“, sagte er in einer Diskussionsveranstaltung zum Thema „Straßenbaubeiträge“ im Bad Münstereifeler Rathaus vor etwa 100 Zuhörern.
Familien fürchten finanzielle Probleme
Die SPD mache sich deshalb dafür stark, 127 Millionen Euro in den Landeshaushalt zu stellen und im Gegenzug auf das KAG zu verzichten. „Die Summe saugen wir uns nicht aus den Fingern, sie ist das Ergebnis eines Berichts der Landesregierung, die die Einnahmen aus dem KAG auf etwa 127 Millionen Euro beziffert“, so Kämmerling. Während die Sozialdemokraten das KAG abschaffen wollen, plant die Landesregierung, einen Förderfonds in Höhe von 65 Millionen Euro einzurichten und die Straßenbaubeiträge zu senken.
Besonders junge Familien, die sich ein Haus gekauft haben, fürchten laut Kämmerling finanzielle Probleme, wenn die teils vier- oder gar fünfstelligen Anliegerbeiträge auf sie zukommen. „Aber auch Rentner, die ihre Häuser vor 40 Jahren gebaut und nun abgezahlt haben, sehen sorgenvoll in die Zukunft, wenn ihre Straße saniert wird“, so Kämmerling.
Das sei alles nicht nötig, zumal manch eine der 397 Städte und Gemeinden in NRW bereits ganz darauf verzichte, die Anlieger für den Straßenbau zur Kasse zu bitten. Andere verlangen den Höchstsatz.
Interessengemeinschaft wollte Bau verhindern
Entscheidend für die geplante Neuregelung der Landesregierung ist der Stichtag 1. Januar 2018. Der Ratsbeschluss für die jeweilige Straßenbaumaßnahme muss nach diesem Stichtag gefallen sein. Dann können Hausbesitzer wohl auf eine Halbierung ihrer Kosten hoffen. Alle Bauvorhaben, die vor 2018 beschlossen wurden, werden nach der alten Regelung abgerechnet.
Die hatte die Gemünderin Lydia Schumacher so aufgeregt, dass sie inzwischen zu einer Vorkämpferin gegen die Straßenbaubeiträge wurde. 2017 versuchte ihre Interessengemeinschaft (IG) „Schöne Straße an leeren Häusern – nein danke!“ , den Rat zu überzeugen, die Bauvorhaben für drei Straßen auf Eis zu legen. Das Vorhaben der IG scheiterte.
Förderfonds
Die NRW-Regierung will die Bürger bei den Straßenbaubeiträgen um etwa die Hälfte der Kosten entlasten und hierfür einen Förderfonds einrichten. Somit wird das Land die Gebühren, mit denen Anlieger an der Sanierung oder dem Umbau „ihrer“ Straße beteiligt werden, nicht abschaffen. Aus dem Gesetzentwurf geht unter anderem hervor, dass Anlieger die Beiträge in Raten zahlen können. Der Förderfonds soll nicht ins Gesetz integriert werden. Über ihn muss jedes Jahr in den Etatberatungen neu verhandelt werden. (tom)
Aufgeben will Schumacher, die mittlerweile Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft der Bürgerinitiativen gegen Straßenbaubeiträge in NRW, „Schluss mit STRABS“ ist, jedoch nicht: „Wir werden mit allen Mitteln aktiv bleiben und für eine Abschaffung der Beiträge kämpfen.
Auch, weil ein Großteil der Gebühren gar nicht dort ankommt, wo sie hin sollten. Das liegt am enormen Bearbeitungsaufwand, der nicht nur Ressourcen, sondern auch Geld frisst.“
420.000 Menschen unterzeichnen Petition zur Abschaffung von Beiträgen
Die Zahl von mehr als 420 000 Unterzeichnern einer Petition zur Abschaffung der Beiträge an die Landesregierung spreche eine deutliche Sprache, so Schumacher im Gespräch mit dieser Zeitung.
In Zülpich sollte es solche Abrechnungsbescheide aus der jüngeren Vergangenheit nicht geben. In der Römerstadt herrscht laut dem Beigeordneten Ottmar Voigt beim Straßenbau nämlich seit Jahren Sanierungsstau. „Wegen der ungeklärten Situation haben wir keine Straßen mehr erneuert“, erläutert Voigt.
Den geplanten Förderfonds sieht er kritisch. „Was passiert denn, wenn der Topf leer ist? Viele Städte und Kommunen haben sicherlich seit Jahren nichts getan. Das könnte ein Windhundrennen werden“, befürchtet der Beigeordnete.
Der Nettersheimer Bürgermeister Wilfried Pracht sagt: „Ich weiß gar nicht, wann wir als Gemeinde den letzten Bescheid verschickt haben.“ Ziel sei es seit Jahren, den Bürger so wenig wie möglich finanziell zu belasten. Deshalb sei das Konzept „Historische Straßen“ ins Leben gerufen worden.
„Die Anlieger können sich mit Eigenleistungen wie Pflasterverlegung einbringen, um die Beiträge zu senken. Das funktioniert ebenfalls seit Jahren“, freut sich der Bürgermeister. Lediglich beim Ausbau eines asphaltierten Wirtschaftsweges zu einer Straße, so Pracht, müssten sich die Anwohner finanziell beteiligen.