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Nach FluthilfeIn Gemünd tätiger Verein rettet Pferde vor dem Krieg aus der Ukraine

Lesezeit 5 Minuten
Pferde aus der Ukraine (1)

Sowohl die Helferinnen und Helfer von Fortuna Hilft retten die Tiere als auch befreundete Transportunternehmer.

Schleiden-Gemünd – Seit der Hochwasserkatastrophe 2021 engagiert sich Klaudia Skodnik im Kreis Euskirchen, vor allem in Gemünd, mit dem Malzirkus und dem mittelalterlichen Sommercamp für die jüngsten Flutbetroffenen. Mit ihrem Verein Fortuna Hilft sei sie im vergangenen Jahr so häufig vor Ort gewesen, dass sie sich in der Eifel bereits heimischer fühle als zu Hause in Bad Homburg. Von der Fluthilfe sei es ein nahtloser Übergang zur Unterstützung ukrainischer Geflüchteter gewesen, berichtet Skodnik weiter. Vor allem über die Facebook-Seite des Vereins hätten Helfer Bedürftige vermittelt. „Das ging dann so schnell, fast wie von allein“, erinnert sie sich.

Für viele ukrainische Geflüchtete habe der Verein Unterkünfte und Unterstützung in Deutschland vermittelt. Doch schnell habe sich dabei ein neues Problem ergeben. „Viele Ukrainerinnen besaßen Haustiere. Einen Hund kann man vielleicht mitnehmen, aber ein Pferd, das ist schwierig“, sagt Skodnik: „Da der Verein sich ohnehin für Mensch und Tier engagiert, war für uns sofort klar, wir helfen auch hier.“ Die Tiere sollten also nach Deutschland gebracht werden. Doch ganz so einfach sei es nicht, Pferde aus einem Kriegsgebiet zu retten.

Pferde aus der Ukraine haben zum Teil Schussverletzungen

„Zuerst einmal müssen wir schauen, wie es den Pferden vor Ort überhaupt geht. Das ist durch Verwandte, Freunde oder Bekannte der Geflüchteten geschehen, aber auch durch unsere Leute.“ Viele Menschen hätten ihre Tiere vor ihrer Flucht freigelassen. „Das klingt erstmal komisch, ist aber in der Situation die beste Lösung“, erklärt Skodnik. Denn: „Die Bombenangriffe betreffen vor allem Gebäude. Das heißt, Pferde, die im Stall stehen, sterben eher als Pferde, die einfach frei herumlaufen.“

Klaudia Skodnik Fortuna Hilft

Über Facebook erhält Klaudia Skodnik, 1. Vorsitzende von Fortuna Hilft, zahlreiche Hilfsanfragen. So auch von Geflüchteten aus der Ukraine, die ihre Pferde nach Deutschland holen möchten.

Aber selbst dann komme es häufig vor, dass die Tiere wieder zurück in die Ställe rennen und durch den Beschuss getötet werden. „Zwar sind Pferde Fluchttiere, aber sie kehren häufig an den Ort zurück, an dem sie sich sicher fühlen. Deshalb kommt es zum Beispiel auch oft vor, dass Pferde zurück in brennende Ställe rennen, selbst wenn man sie aus ihren Boxen hat laufen lassen“, erklärt die Helferin.

Seien die Pferde durch Vereinshelfer oder Bekannte in der Ukraine wieder eingefangen, gehe es für sie zuerst in einen Quarantänestall an der Grenze. „Sechs Wochen müssen die Pferde da bleiben, bevor wir sie abholen können“, so Skodnik. Hier werde der Gesundheitszustand der Tiere geprüft. Auch alle notwendigen Impfungen müssten wiederholt werden. „Die meisten Tiere haben ja keine Papiere mehr. Das ist ja nicht das erste, woran man denkt, wenn man vor dem Krieg flieht, den Impfpass vom Pferd mitzunehmen“, erklärt Skodnik. Auch die Verletzungen der Tiere versorgen die Ärzte hier. „Natürlich hatten wir auch Pferde mit Schussverletzungen.“

Pferde für Ukraine-Geflüchtete ein Stück Heimat

Sobald die Quarantäne überstanden sei, könne die Reise nach Deutschland losgehen. „Da sind wir sehr froh über die Hilfe von Equitrans. Die fahren mit großen Lastern an die Grenze und holen die Pferde da ab.“ Etwa drei Tage dauere der Transport, weil die Fahrer viele Zwischenstopps einlegen müssten. „Für Pferde ist das Fahren enorm anstrengend, weil sie sich die ganze Zeit ausbalancieren müssen“, erklärt die Helferin. Deshalb sei etwa alle sechs Stunden eine Pause notwendig. Viele Tiere seien zudem stark unterernährt und verängstigt. „Da ist die Fahrt noch zusätzlich belastend“, so Skodnik.

Pferde aus der Ukraine

Oftmals sind die Pferde unterernährt, weil sie in der Ukraine aus Schutz vor Bombenangriffen freigelassen wurden.

Der Verein vermittle die Pferde dann an Ställe, die sich in direkter Nähe zu den Unterkünften der geflüchteten Ukrainer befinden. „Eigentlich finden wir immer einen Stallbesitzer, der sich bereit erklärt, die Pferde für eine gewisse Zeit aufzunehmen“, sagt die Ehrenamtlerin. Oft ist ihr zufolge auch die Verpflegung mit Heu gewährleistet, teils geben die Ukrainerinnen und Ukrainer etwas zurück, indem sie auf dem Hof helfen oder die Pferde selbst versorgen. Spezielles Kraftfutter stelle meist der Verein, so die Helferin weiter. Finanziert werde das alles aus Spenden, etwa vom Tierschutzbund.

Hilfe für Mensch und Tier

Betroffenen vor Ort helfen – dem hat sich der Verein „Fortuna Hilft“ verschrieben. Wie viele andere war der Verein nach der Flutkatastrophe 2021 im Kreis unterwegs.

Neben Tierrettungsaktionen organisieren die Mitglieder vor allem Freizeitangebote für betroffene Kinder. „Viele Kinder brauchen einen Raum nur für sich, um das Erlebte zu verarbeiten. Oft trauen sie sich nicht, ihre Gefühle bezüglich der Katastrophe mitzuteilen, wenn sie sehen, dass es Mama und Papa gerade selbst nicht gut geht“, sagt Skodnik. Deshalb sei es umso wichtiger, nach wie vor Auszeiten für Kinder zu organisieren, die potenziell traumatisierende Ereignisse miterlebt haben. (enp)

„Der Moment, wenn die Pferde dann ankommen, ist immer sehr ergreifend“, so Skodnik: „Da kommen mir gleich ein wenig die Tränen.“ Für die Besitzerinnen – es seien hauptsächlich Frauen vor Ort, die ihre Männer aufgrund des Krieges zurücklassen mussten – seien die Pferde mehr als nur Haus- und Nutztiere. „Die Pferde sind für viele das Letzte, was noch aus der Heimat geblieben ist. Das ist für sie wie ein Lichtblick, für den es sich lohnt, weiterzumachen, wenn alles andere zerstört wurde“, ist Skodnik überzeugt.

Es sei durchaus schon vorgekommen, dass die Besitzerinnen zusammengebrochen seien, sagt sie weiter. Auch den Tieren merke man etwas an: „Pferde sind schon so, dass sie ihre Besitzer wiedererkennen und sich freuen, wenn sie wieder bei vertrauten Personen sind.“ Sollten sich Familien entscheiden, nach Kriegsende wieder in die Ukraine zurückzukehren, so wolle der Verein auch die Rückreise der Pferde organisieren, sagt Skodnik.

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All das sei nur zu schaffen durch die zahlreichen Unterstützerinnen und Unterstützer des Vereins, betont sie immer wieder: „Es ist unfassbar, wie viel man erreichen kann, wenn man zusammenarbeitet. Sowohl nach der Flut als auch jetzt in dieser Krise.“