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Jugendherberge in GemündHerbergseltern Wieczorek sind im Neubau nicht mehr dabei

Lesezeit 4 Minuten

Café und Bäkerei statt Jugendherberge: Die ehemaligen Herbergseltern Ute und Christian Wieczorek orientieren sich neu.

Gemünd – Wenn Ute und Christian Wieczorek auf das Trümmerfeld blicken, das einmal ihr Arbeitsplatz war, wird ihnen manchmal schwer ums Herz. „Eine gewisse Wehmut ist schon dabei“, gesteht er am Zaun der Baustelle der Jugendherberge in Gemünd. 26 Jahre waren die Wieczoreks die Herbergseltern in einem der ältesten Jugendherbergs-Standorte im Rheinland. Doch nun zermalmt der Abrissbagger die letzten Klumpen des Gebäudes, das zuletzt doch arg in die Jahre gekommen war und modernen Ansprüchen nicht mehr genügte.

„Wir haben seit zehn Jahren gesagt, dass ein Neubau fällig ist“, macht er deutlich. Denn der besondere Charme des über 90 Jahre alten Gebäudes war nur die eine Seite der Medaille. Antiquierte Zimmer, Sanitäreinrichtungen, die modernen Ansprüchen nicht mehr genügten, und auch ein Platzangebot, das nicht mehr zeitgemäß war, die andere. Im nächsten Jahr soll der Neubau in Betrieb genommen werden – ein ambitionierter Zeitplan, wie Wieczorek meint.

Doch Besorgnis verspürt er dabei nicht. Denn das Ehepaar hat dem Jugendherbergswerk den Rücken gekehrt und wird nicht das neue Gebäude leiten. Die Trennung erfolge nicht im Zwist, berichten die beiden, Differenzen habe es nicht gegeben. Bereits Ende 2015 sei ihre die Entscheidung gefallen, sich neu zu orientieren. „Der Familienrat hatte getagt“, erzählt Ute Wieczorek augenzwinkernd. Der Familienbetrieb ihrer Eltern rief nach Unterstützung und erforderte Entscheidungen.

„Jetzt orientieren wir uns also in Richtung Ahrweiler“, verraten die beiden. Denn das alteingesessene Café und Bäckerei Degen, bisher unter Leitung der Mutter von Ute Wieczorek, braucht einen Nachfolger. „Es muss dort investiert werden – Zeit und Geld“, so sagt ihr Mann. Besonders in Hinsicht auf Marketing und betriebswirtschaftliche Abläufe würden viele Dinge heute anders laufen. „Unterm Strich war das die richtige Entscheidung“, sind die beiden sicher. Doch Schleiden und Gemünd bleiben sie treu. Von ihrer Joggingstrecke rund um Herhahn werfen sie immer wieder Blicke auf ihren einstigen Arbeitsplatz. „Der Neubau wird ein neues Kapitel aufschlagen. Das freut uns für Stadt und Region“, so Christian Wieczorek. An der Gegend und der Eifel würden sie hängen nach den vielen Jahren.

1929, einen Monat nach der Jugendherberge in Radevormwald wurde Gemünd eröffnet. „Das spricht für sich, dass es den Standort so lange gibt“, findet er. Auch in der Leitung habe Kontinuität geherrscht, das habe dem Haus gut getan. Die Wieczoreks waren erst die vierten Herbergseltern in Gemünd. „Besonders lange war Cilly Feld da, die von 1929 bis Ende der 60er das Haus führte“, so Ute Wieczorek.

Doch in all den Jahren hat sich die Klientel gewandelt. Waren es bisher vor allem Seminarteilnehmer, Grundschüler sowie Fünft- und Sechstklässler, würden nun ältere Schüler anvisiert. Statt den 162 Betten in 27 Zimmern wird es 192 Betten in 56 Zimmern geben. „Maximal sind Vierbettzimmer vorgesehen, bei uns lag der Durchschnitt in Achterzimmern“, sagt sie. Viel sei in den letzten Jahren investiert worden, zählt ihr Ehemann auf, aber: „Ein Altbau bleibt ein Altbau“. Die geringe Zahl der Zimmer habe auch bei dem Wandertourismus Probleme bereitet. „Einmal hatten wir an einem Tag 40 Einzelwanderer, die wir in 27 Zimmer unterbringen sollten“, so Ute Wieczorek. Bis Ende 2016 haben sich die Wieczoreks um die Abwicklung des Betriebs im alten Haus gekümmert. Nun wird ein neues Kapitel aufgeschlagen – für Gemünd, die Jugendherberge und die Wieczoreks.

Das Bauprojekt

Seit Januar dieses Jahres laufen die Abrissarbeiten an der alten Gemünder Jugendherberge. Eigentlich sollte dieser Abschnitt bis Ende März abgeschlossen sein, wie der Architekt des Projekts, Dirk Weber, gegenüber dieser Zeitung damals mitgeteilt hatte. „Die Trennung und Entsorgung der verschiedenen Materialien ist aber kompliziert“, erläuterte Annette Rath, Pressesprecherin des Deutschen Jugendherbergswerks (DJH) den Grund für die mehrwöchige Verzögerung.

Die Eckdaten des Bauprojekts blieben aber so wie bisher bekannt, erklärte Rath weiter. Acht bis neun Millionen Euro plant das Jugendherbergswerk für die Realisierung des Neubaus ein. Auch das Ende der Bauarbeiten wird weiterhin für Mitte bis Ende 2018 ins Auge gefasst. „Das wird nicht wöchentlich aktualisiert“, so Rath.

Keine Änderung des augenblicklichen Zustandes soll es bei der „Lomping“ geben, dem Bach, der vom Kermeter herunterfließt und bislang in Rohren unter der Jugendherberge hergeleitet wurde. Es war überlegt worden, ob das Gewässer zur Vermeidung von Hochwasserschäden in einem offenen Graben bis zur Urft geleitet werden solle. Dies solle nun nicht geschehen, teilte Rath mit. 

Noch nicht abgeschlossen sei die Planung des Personalbestandes, erklärte sie weiter. In der ersten Hälfte des Jahres 2018 sei mit der Berufung der Leitung der Einrichtung zu rechnen. Dann erst würden die Planungen für die zukünftige Mitarbeiterschaft erfolgen.

Den 20 Mitarbeitern, die in dem alten Haus gearbeitet hatten, war zum Jahresende gekündigt worden, als die Jugendherberge den Betrieb eingestellt hatte. Für die Mitarbeiter des alten Hauses sei eine Jobbörse eingerichtet worden, erzählte Christian Wieczorek. Ein Teil davon habe eine Anstellung in den anderen Häuser in der Nachbarschaft bekommen. (sev)