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Kämpfe in HürtgenwaldWie „Peanuts-Fritz“ den Krieg überlebte

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SchleidenFritz Tillmanns wunderte sich selbst: „Dass ich 70 Jahre danach noch einmal am gleichen Ort stehen würde, hätte ich nicht gedacht.“ Der 91-jährige ehemalige Schlosser, gebürtig aus Solingen, war im Alter von 21 Jahren nach mehrjährigem Fronteinsatz mit zuletzt harten Kämpfen im Hürtgenwald und im Raum Schleiden am 3. März 1945 im Forsthaus Wolfgarten in amerikanische Kriegsgefangenschaft geraten. Und nun, 70 Jahre danach, stand er an der gleichen Stelle und plauderte munter mit der im Forsthaus lebenden Försterin Gabi Geitz.

Dieser Zeitung schilderte der 1923 geborene, geistig noch topfite Witwer, wie es ihm beim Kriegsende ergangen war. Im Frühjahr 1942 war er zur Wehrmacht eingezogen und nach einer Kurzausbildung an die Ostfront abkommandiert worden. Bei den verlustreichen Kämpfen erlitt er mehrere schwere Verwundungen mit nachfolgenden Lazarettaufenthalten.

Am 4. September 1944 wurde seine Einheit in die Eifel verlegt: „Mittags kamen wir mit der Bahn in Kall an, dann ging es über Gemünd für ein paar Tage nach Wollseifen und schließlich weiter nach Monschau.“ Zwei Tage nach seinem Eintreffen dort zog sich die Wehrmacht aus dem Rurstädtchen zurück, im Gegenzug besetzten US-Truppen den Ort. Danach ging es in den Hürtgenwald, wo die Einheit an erbitterten Kämpfen teilnahm.

Vor dem Ort Kommerscheid im Herzen des Kampfgebiets beobachtete Tillmanns am 7. November 1944, wie kurz hintereinander neun von zehn amerikanischen Panzern des 707. US-Panzer-Bataillons vor ihm zerstört wurden. Lediglich einer konnte entkommen. In einem dieser zerstörten US-Panzer kroch Tillmanns Trüppchen unter, um gegen Artilleriebeschuss gesichert zu sein.

Im Inneren fanden sie in einem Fach eine amerikanische Dose mit Erdnüssen. Als er Jahrzehnte später diese Geschichte einem deutschen Buchautor berichtete, dessen Buch auch zu den Veteranen in den USA gelangte, erhielt Tillmanns wenig später überraschend ein Paket aus Amerika: Das enthielt mehrere Packungen Erdnüsse und ein Begleitschreiben, mit dem sich ein amerikanischer Veteran der Hürtgenwald-Kämpfe meldete.

Die von Tillmanns damals gefundenen Erdnüsse hätten ihm gehört. Nach dem Abschuss seines Panzers sei er mit dem einzigen entkommenen US-Panzer nach rückwärts gefahren. Die Geschichte machte in Amerika in Veteranenkreisen die Runde, dort ist der heute in Nideggen-Berg lebende Tillmanns in der Fachliteratur als „Peanuts-Fritz“ bekannt. Bis heute bestehen gute Kontakte zwischen US-Veteranen und dem ehemaligen Wehrmachts-Obergefreiten.

Tillmanns gehörte damals zur 3. Kompanie des Regiments 1056. Allerdings war das nur auf dem Papier eine wirkliche Kompanie, zu der normalerweise rund 100 Soldaten gehörten. Dieser Haufen war bis auf 40 Mann geschrumpft. Ende November wurde der Obergefreite verwundet und kam in Lazarette nach Mariawald und Urft, später auch nach Bonn.

Von dort lief er nach der Entlassung ab Euskirchen zu Fuß in Richtung seiner Einheit frontwärts. Bei Bürvenich traf er die Reste der Kompanie: ein Dutzend Männer. Noch mehr Eindruck machte auf ihn allerdings eine junge Frau namens Maria Scheidweiler, die er in Bürvenich kennenlernte. 2008 konnte Tillmanns mit ihr die Diamantene Hochzeit feiern.

Bald kam der Obergefreite zu einer Einheit unter dem Kommando eines Polizisten: „Jedenfalls hatte der vom Krieg keine Ahnung“, sagt Tillmanns. Silvester ging es nach Schleiden-Oberhausen in das dortige Degussa-Werk, die spätere Glashütte. Mitte Januar befand sich die Gruppe im Raum Losheim-Büllingen. Am Ende der dortigen Kämpfe waren von der Einheit nur noch Tillmanns und ein weiterer Kamerad übrig.

Tillmanns verschlug es dann noch über Udenbreth mit einer „Kampfgruppe Bertelsmeyer“ zurück nach Olef, wo die Soldaten einen der leerstehenden Bunker besetzten. Am Freitag, 2. März, verdrückten sich die verbliebenen Männer dort und kamen am nächsten Tag nach Wolfgarten. Sie hatten keine Ahnung davon, dass sich im Keller ein knappes Dutzend Zivilisten verkrochen hatte, ebenso wenig wie sie ahnten, wo denn die Amerikaner waren. Die trafen plötzlich am Forsthaus ein. „Der Ami kütt“, hieß es, wenig später waren die Fensterscheiben zerschossen.

Die Situation war aussichtslos, so ergaben sich Tillmanns und die übrigen Personen aus dem Haus. Mit Ausnahme einer Frau, die gerade ein Kind geboren hatte, wurden alle mit „Hands up“ ins Hinterland weggeführt. Tillmanns kam letztlich in ein Gefangenenlager nach Frankreich, aus dem er nach knapp zweijähriger Internierung nach Solingen entlassen wurde. Aber da hielt es ihn nicht: In der Eifel wartete seine Maria auf ihn.