Der Fachkräftemangel könnte zu Problemen in der Patientenversorgung führen. In Schleiden trafen sich Experten zum ersten Medizin-Gipfel.
FachkräftemangelMedizin-Gipfel will junge Ärzte für Schleiden und die Region begeistern
„Wir brauchen mehr Studienplätze in den medizinischen Fächern, um dem demografischen Wandel zu begegnen. Da waren sich alle Anwesenden einig“, erklärt Ingo Pfennings. Der Schleidener Bürgermeister hatte jetzt knapp 40 Akteure zum ersten medizinischen Gipfel ins Rathaus eingeladen. Rund die Hälfte war gekommen, um über die Probleme und die künftigen Herausforderungen bei der Versorgung der Patienten in der Region zu sprechen. „Dabei gab es durchaus auch überraschende Erkenntnisse“, betont Pfennings.
„Die Veranstaltung war ursprünglich für 2020 geplant, musste dann aber wegen Corona und der Flut mehrfach verschoben werden“, sagt der Bürgermeister. In der Zeit habe es aber Gespräche mit der Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH, Ärzten, Apothekern und Investoren gegeben, um die medizinische Versorgung zu verbessern. Auch habe sich die Verwaltung in einem Online-Seminar mit dem Themenbereich und der Einrichtung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) befasst. „Wir haben über so ein Zentrum schon mehrfach mit Vertretern des Krankenhauses gesprochen. Die Geschäftsführung hat sich im vergangenen Jahr aber gegen dieses Modell ausgesprochen.“
Der Fachkräftemangel trifft alle Bereiche
Mit dem Interesse am ersten medizinischen Gipfel war der Bürgermeister sehr zufrieden: „Von Ärzten und Apothekern über Physiotherapeuten bis hin zu Vertretern des Schleidener Krankenhauses waren alle Akteure vertreten. Und alle haben mit dem Fachkräftemangel ein gemeinsames Problem.“ Es sei schwierig, junge Ärzte und anderes medizinisches Personal in die Region und nach Schleiden zu holen. Die Kreiskrankenhaus GmbH erhalte glücklicherweise noch viele Bewerbungen aus dem Ausland und könne so Lücken schließen. Immer häufiger komme es auch vor, dass Mediziner als Honorarärzte für verschiedene Kliniken arbeiten würden und nicht auf eine Festanstellung in einer Einrichtung aus seien.
„Viele Mediziner, die nicht im Krankenhaus arbeiten möchten, wollen keine Verantwortung für eine eigene Praxis übernehmen und sich lieber in einer Praxis anstellen lassen. Da sind MVZ eine Möglichkeit“, so der Bürgermeister. Im Zweifel müssten dann auch Kommunen als Betreiber ran.
Der Standort des Krankenhauses in Schleiden ist sicher
„Es gibt bei jungen Medizinern einen verstärkten Trend zu Kooperationen“, erklärt auch Christopher Schneider, stellvertretender Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein. Klassische Praxen mit nur einem Arzt gebe es immer seltener. MVZ würden diesen Trend aufgreifen: „Da ist dann auch eine Kooperation von verschiedenen Fachärzten möglich. Im Mittelpunkt muss aber die Versorgung der Patienten stehen und nicht die Rendite.“
„Der Krankenhausstandort in Schleiden ist wichtig, um überhaupt junge Ärzte für die Region zu interessieren, die später dann eine Praxis übernehmen können“, erklärt Pfennings: „Ich bin froh, dass mir nochmals bestätigt wurde, dass der Standort nicht zur Disposition steht.“
Veränderungen wird es aber im Medizinischen Versorgungszentrum in Gemünd geben, das von der Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH betrieben wird. „Die Allgemeinmedizinerin Astrid Krawczyk will zum Jahresende aufhören. Die GmbH sucht bereits einen Nachfolger.“
In Gemünd droht in wenigen Jahren eine Unterversorgung
Aktuell hat die Stadt Schleiden auf der Karte der Kassenärztlichen Vereinigung noch einen Versorgungsgrad von 109,8 Prozent. „Das ist aber nur eine Ist-Betrachtung. Da fehlt mir der Ausblick auf die nächsten Jahre“, kritisiert Pfennings. Schließlich brauche ein Arzt eine gewisse Zeit, um einen Nachfolger zu finden. In Gemünd seien die Ärzte relativ alt: „Da droht in drei oder vier Jahren eine Unterversorgung, wenn keine Nachfolger gefunden werden. In Schleiden sieht es etwas besser aus.“
„Wir brauchen mehr Studienplätze für den medizinischen Nachwuchs in allen Bereichen“, fordert Schneider. Es mangele nicht an Interessenten. Bei der Ausbildung müsse der ambulante Bereich mehr berücksichtigt werden. „Ein Blick in die Zukunft ist aber nur sehr eingeschränkt möglich, weil es keine Altersgrenze mehr gibt und wir nicht vorhersehen können, wann eine Praxis geschlossen wird.“ Manchmal würden auch Praxen von der einen in die andere Stadt verlegt.
In Dahlem wird eine Ärzteförderung von bis zu 70.000 Euro gezahlt
„Wir rechnen im Rheinland mit einer mittleren dreistelligen Zahl von Ärzten, die bis 2030 ausscheiden.“ Schneider verwies auf ein Förderprogramm, mit dem seit 2018 die Ansiedlung von zusätzlichen Hausärzten unterstützt wird: „In der Gemeinde Dahlem ist aktuell eine Zulassung für einen Hausarzt frei. Wer sich dort ansiedelt, kann eine Förderung von bis zu 70.000 Euro erhalten.“
„Voraussetzung ist aber, dass eine zusätzliche Praxis eröffnet wird. Wer eine vorhandene übernimmt, bekommt keine Förderung“, sagt Pfennings. Das sei aus seiner Sicht ein Problem bei der Regelung. „Was mich überrascht hat, ist die Situation bei den Physiotherapeuten. Ich ging davon aus, dass wir in dem Bereich ganz gut aufgestellt sind“, erzählt Pfennings. Wegen der extrem hohen Nachfrage gebe es aber trotzdem kaum freie Termine. „Es wäre also durchaus noch der Bedarf für einen weiteren Physiotherapeuten im Stadtgebiet da“, so der Verwaltungschef.
„Ich habe den Eindruck, dass die Teilnehmer des Gipfels froh sind, dass sich Verwaltung und Politik des Themas annehmen“, so Pfennings. Verabredet sei, dass die Mediziner künftig mit ihren Stellenausschreibungen auf der Jobbörse der Stadt vertreten sind. „Zudem werde ich mit dem Krankenhaus darüber sprechen, wie an den Universitäten gezielt für den Standort Schleiden und dessen Vorteile geworben werden kann.“ Ziel des Austauschs sei es, den Standort Schleiden zu stärken und eine möglichst optimale Versorgung der Patienten sicherzustellen.