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Monarchen-VisiteAls Kaiser Wilhelm II. die Eifel besuchte – über Urft-Mauer spaziert

Lesezeit 5 Minuten

Der Kaiser und seine Entourage spazierten bei ihrer Kurzvisite auch über die Urft-Staumauer. Baurat Frentzen informierte über die Technik.

Schleiden-Gemünd – Vor hundert Jahren, am 28. November 1918, sah sich Kaiser Wilhelm II. nach Ausrufung der Weimarer Republik gezwungen, abzudanken und ins niederländische Exil zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das deutsche Kaiserreich den Ersten Weltkrieg, bei dem zehn Millionen Soldaten fielen, verloren.

Zwölf Jahre vorher, als der Kaiser sich am 19. Oktober 1906 zu einem Besuch in die Eifel begab, konnte er noch auf die uneingeschränkte Verehrung durch seine Untertanen setzen.

Damals größte Talsperre Europas

Der Grund seines Besuches war die ein Jahr zuvor offiziell in Betrieb genommene Urfttalsperre, damals noch die größte Talsperre in Europa. Laut Marcus Seiler vom Wasserverband Eifel-Rur waren am Bau dieses Großbauwerks in der Spitze bis zu 700 Menschen beteiligt.

Während der Bauphase wurde diese Kantine gerne frequentiert. Sie war nach Alfred Graf von Waldersee benannt. 

Fertiggestellt wurde die Talsperre bereits 1904. Wie Rudolf Gehrke in seinem Buch „Gemünder Geschichten“ darstellt, war man in Gemünd und im Kreis Schleiden enttäuscht, dass der sonst so reisefreudige und technikbegeisterte Monarch das technische Wunderwerk nicht unmittelbar nach Fertigstellung besichtigt hatte.

Im Oktober 1906 habe er sich in Bonn aufgehalten und dabei die Gelegenheit genutzt, von dort aus einen Abstecher an die Urfttalsperre zu machen. Dieser Ausflug sei jedoch im Vorfeld lange geheim gehalten worden. Erst einen Tag zuvor habe die Nachricht vom Kaiserbesuch Gemünd erreicht.

„Jedermann beeilte sich“

Genaueres dazu erfährt man im Schleidener Unterhaltungsblatt vom 20. Oktober 1906: „Jedermann beeilte sich, um den geliebten Landesvater zu begrüßen und ihm zu huldigen“, heißt es dort. In Gemünd seien, „soweit es die Kürze der Zeit erlaubte“, Fahnen und Flaggen in allen Straßen und auf den öffentlichen Plätzen angebracht worden.

„Am Bahnhofe und bis weit die Dürener Straße hinauf stand in den Vormittagsstunden des 19. Oktober eine zahlreiche Menge von Schaulustigen, darunter die freudig erregte Schuljugend des Städtchens im Sonntagsstaat, mit bunten Fähnchen ausgerüstet, in Begleitung der Geistlichkeit und der Lehrer der Stadt.“ Gegen halb zwölf wurde mit dem Anblasen von Hörnern das Eintreffen des Kaisers angekündigt.

Bald darauf seien dann „in mäßiger Gangart die Kraftfahrzeuge“ mit „dem allerhöchsten Herrn“ und dem kaiserlichen Gefolge vorbeigezogen. Im vordersten Automobil habe der Kaiser mit dem Oberpräsidenten Freiherrn von Schorlemer gesessen. „Der Kaiser sah etwas gebräunt, aber sehr frisch und gesund aus; das unaufhörliche Hurrarufen und Tücherschwenken schien ihm sichtlich zu gefallen, denn unablässig grüßte er freundlich nach allen Seiten“, vermerkte der Berichterstatter.

Der Kaiser sah sich die Talsperre an

In einem der nachfolgenden Automobile sei dann Prinz August Wilhelm, der jugendliche Sohn des Kaisers, „eine außerordentliche liebliche und sympathische Erscheinung“, an der Menge vorbeigefahren. Ebenfalls im Wagen saßen der Schwager und die Schwester des Kaisers, Prinz Adolf von Schaumburg-Lippe und Gemahlin.

Laut Gehrke gelangte die Kolonne über Dürener und Kermeterstraße zum Wildpretshügel, von dem aus Forstbeamte einen Weg für den hohen Besuch angelegt hatten.

In Husarenuniform begab sich Seine Majestät schließlich zur Talsperre. Nur wenige Schaulustige fanden sich an der Sperrmauer ein, wohl weil der Besuch so lange geheim gehalten worden war. Lediglich Schulkinder von Wollseifen mit Lehrer und Pfarrer jubelten dort dem Monarchen zu.

25 Minuten Fußmarsch

An der Talsperre führte dann Baurat Frentzen über das Bauwerk, danach wurde dann im Talsperrenhotel ein Frühstück eingenommen. Anschließend bestieg dann die erlauchte Gesellschaft das Motorboot „Karoline“ und schipperte gemächlich in Richtung Gemünd. Der „herrliche See, der mit seiner prächtigen landschaftlichen Umgebung, welche im farbigsten Laubschmuck prangte“, habe „gewiss auf den kaiserlichen Herrn den vorteilhaftesten Eindruck gemacht“, freute sich der sichtlich stolze Berichterstatter des Unterhaltungsblattes.

Mit der „Karoline“ schipperte die fürstliche Gesellschaft um Kaiser Wilhelm II. (M.) über den Urftsee in Richtung Gemünd.

Laut Gehrke wollte man eigentlich an den Pulvermühlen anlegen, doch wegen des niedrigen Wasserstandes musste man bereits im Lorbachtal das Boot verlassen. Kaiserliche Majestät und Entourage hatten daher 25 Minuten Fußmarsch auf sich zu nehmen.

In Gemünd wurde der Kaiser danach kräftig bejubelt: „Unter dem feierlichen Geläute aller Glocken, jubelnd empfangen von der lauten freudigen Huldigung des Publikums, zog der Kaiser, wiederum nach allen Seiten freundlich grüßend, durch die schöne reizende Eifelstadt und fuhr mit seiner Begleitung nach Düren, wo er, wie es hieß, beim Landrat zu Gast geladen war“, berichtet das Unterhaltungsblatt.

Der Kaiser besuchte die Eifel nocheinmal

Aus der blumigen Sprache, die anschließend als Resümee in die Lettern gegossen wurde, lässt sich der Geist der Zeit vor der Katastrophe des Ersten Weltkrieges vernehmen: „Noch lange nach der Abreise des kaiserlichen Herrn herrschte unter dem Publikum, welches das Glück genossen hatte, den erhabenen Monarchen zu sehen, eine frohe Stimmung und jeder freute sich, dass Seine Majestät nun auch, was man so oft und so lange sehnlichst gewünscht hatte, unser liebliches Tal durch seine Anwesenheit geehrt und beglückt hatte, was gewiss allen, die dabei zugegen waren, eine der angenehmsten und schönsten Erinnerungen ihres ganzen Lebens bleiben wird.“

Diplom-Archivarin Heike Pütz vom Kreisarchiv weist übrigens darauf hin, dass der Kaiser noch einmal, nämlich am 18. Oktober 1911, zu Besuch in der Eifel war. Doch davon ist nur Prosaisches überliefert: Er werde die Landstraße bei Wahlerscheid und die Orte Schöneseiffen, Harperscheid, Schleiden, Olef, Gemünd, Mauel, Roggendorf und Kommern im Automobil passieren, machte der königliche Landrat Dr. Kreuzberg bekannt. Fuhrwerke sollten sich daher in der Zeit von 16 bis 19 Uhr nicht auf der Straße aufhalten. Außerdem dürfe kein Vieh getrieben werden. Verboten sei auch, während dieser Zeit mit dem Fuhrwerk gar vor der Wirtschaft zu halten.