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Weltgeschichte und private MomenteAutorin verarbeitet in Eifel-Sage die Geschichte Wollseifens

Lesezeit 3 Minuten
27.12.2022 Die Autorin Anna-Maria Caspari aus Erftstadt an der NS-Ordensburg Vogelsang in der Nordeifel.

Der Bau der NS-Ordensburg Vogelsang besiegelte das Schicksal des Eifeldorfs Wollseifen. Anna-Maria Caspari hat die Geschichte des Dorfs in ihrem neuen Roman „Ginsterhöhe“ verarbeitet.

Neuerscheinung „Ginsterhöhe“: Im ersten Band ihrer Eifel-Saga verarbeitet die Autorin Anna-Maria Caspari die Geschichte des verschwundenen Dorfes nahe der NS-Ordensburg Vogelsang.

Mit der Geschichte des Dorfes Wollseifen haben sich bereits viele Autoren beschäftigt. Die meisten Veröffentlichungen beziehen sich dabei naturgemäß auf die dramatische Situation nach Kriegsende, als die Dorfbevölkerung im Sommer 1946 auf Geheiß des britischen Militärs innerhalb von drei Wochen ihre Häuser verlassen musste, um Platz für einen Truppenübungsplatz rund um die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang zu machen.

Von dieser Geschichte war auch Anna-Maria Caspari sofort fasziniert, als ihr Sohn ihr vor ein paar Jahren vom „verschwundenen“ Dorf berichtete: „Er hatte bei einem Vogelsang-Besuch von Wollseifen gehört und mir den Tipp gegeben, diesen Stoff für einen Roman zu nutzen“, erinnert sich die in Erftstadt lebende Autorin, die bislang in erster Linie Unterhaltungsliteratur verfasst hat und als Literaturübersetzerin tätig war.

In diesen Tagen ist nun im Berliner Ullstein-Verlag ihr Roman „Ginsterhöhe“ erschienen, in dem Caspari am Beispiel einiger Wollseifener Familien beschreibt, welche Auswirkungen die Entscheidung der Nationalsozialisten hatte, in Sichtweite des Dorfes die NS-Ordensburg Vogelsang zu errichten.

Zeitzeugen halfen bei der Recherche

„Ich bin selbst in einem kleinen Dorf aufgewachsen und konnte mich daher recht gut in die dörflichen Strukturen hineinversetzen, die es sicher auch in Wollseifen gegeben hat“, sagt Caspari (Jahrgang 1955) im Gespräch mit dieser Zeitung. In einem zweijährigen Prozess entwickelte sie die Geschichte für ihren Roman, recherchierte die historischen Hintergründe und traf sich zum Gespräch mit Zeitzeugen und Angehörigen von aus Wollseifen stammenden Familien.

„Christel Küpper aus Kall, die selbst noch als Kind in Wollseifen aufgewachsen ist, und Georg May aus Sötenich, der eine sehr informative Internetseite über das Dorf erstellt hat, waren zwei sehr kompetente Gesprächspartner, die mir viel über die Geschichte des Dorfes und das Dorfleben unmittelbar nach dem Krieg berichten konnten“, bedankt sich Caspari für die Unterstützung.

In den 1930er Jahren entstand das Bild, das eine junge Frau mit Heurechen auf einer Wiese zeigt. Im  Hintergrund  ist das  Dorf Wollseifen zu sehen, dessen Bewohner 1946 vertrieben wurden.

Vor dem Krieg war Wollseifen ein ganz gewöhnliches Dorf in der Nordeifel.

Dabei ist am Ende deutlich mehr Stoff zusammengekommen, als in einen knapp 400 Seiten starken Roman passt. „Ich wollte die gesamte Geschichte zunächst in einem einzigen Buch erzählen“, sagt Caspari. Im engen Austausch mit ihrem Verlag sei dann aber die Idee entwickelt worden, eine Trilogie zu schreiben. „In ‚Ginsterhöhe‘ geht es um die Zeit zwischen 1919 und 1949“, erklärt die Autorin: „Bereits im Sommer erscheint dann der zweite Band mit dem Titel ‚Perlenbach‘, der zeitlich davor angesiedelt ist.“ Der dritte Band erzählt dann die Geschichten und Schicksale der bereits bekannten Familien bis in die Mitte der 1980er-Jahre weiter.

Ich wollte die gesamte Geschichte zunächst in einem einzigen Buch erzählen
Anna-Maria Caspari

Wer sich dabei ein wenig an die Hunsrück-Saga „Heimat“ von Edgar Reitz erinnert fühlt, liegt gar nicht so falsch. „Natürlich habe ich das damals in den Achtziger Jahren auch im Fernsehen verfolgt und war begeistert“, berichtet die Autorin. Und genau wie einst die Fernsehserie macht auch das Buch von Caspari Zeitgeschichte hautnah erlebbar. Die große Politik trifft dabei immer wieder auf sehr persönliche Momente der Protagonisten. Es geht um Liebe und Enttäuschungen, um Träume und Ängste.

Worum geht es in „Ginsterhöhe“?

Im Mittelpunkt von „Ginsterhöhe“ steht der junge Bauer Albert Lintermann, der 1919 körperlich und psychisch schwer versehrt in sein Heimatdorf Wollseifen zurückkehrt. Seine Frau begegnet ihm, der im Schützengraben zwar sein Leben gerettet, aber sein Gesicht verloren hat, mit Abscheu und Entsetzen. Doch Albert lässt sich nicht unterkriegen, und es gelingt ihm, seinen Platz in der Familie und der Dorfgemeinschaft wiederzufinden. Vom Aufstieg der Nationalsozialisten profitieren im Buch dann zunächst auch die Dorfbewohner.

Die Bauprojekte in unmittelbarer Nachbarschaft des Dorfes – neben der Ordensburg Vogelsang wird Ende der 1930er-Jahre auch die Rurtalsperre Schwammenauel errichtet – bringen Besucher ins Dorf und schaffen neue Arbeitsplätze abseits der Landwirtschaft. Doch letztlich besiegeln sie auch das Schicksal des Dorfes.


Anna-Maria Caspari: „Ginsterhöhe“, 400 Seiten, Ullstein Paperback, 16,99 Euro, ISBN: 9783864932021.