AboAbonnieren

Urteil nach Pöbeleien im Bus nach SchleidenGericht sieht Volksverhetzung erfüllt

Lesezeit 4 Minuten

Symbolbild

Schleiden-Gemünd – Was geschah im November 2020 in dem Linienbus von Hellenthal nach Schleiden? Das war die zentrale Frage in dem Prozess wegen Volksverhetzung im Amtsgericht Gemünd, bei dem ein Schleidener auf der Anklagebank saß. Bereits bei einem ersten Termin hatten mehrere Zeugen ihre Version dem Gericht geschildert. Der Zeuge, der hauptsächlich von dem Angeklagten beleidigt worden war, hatte es allerdings vorgezogen, nicht vor Gericht zu erscheinen.

Am Donnerstagmorgen wurde der Prozess fortgesetzt. Da der Zeuge diesmal von der Polizei zum Gericht gebracht worden war, konnte nun auch er gehört werden. Er wolle niemand belasten und auch nicht aussagen, sagte er zum Einstieg. Und erinnern könne er sich auch nicht. Amtsrichterin Claudia Giesen machte ihm schnell klar, dass er zur Aussage verpflichtet sei.

So berichtete der Zeuge, der Angeklagte habe ihn schon auf dem Weg zur Bushaltestelle angesprochen, weil er ihm über die Straße helfen wollte, was der Zeuge aber abgelehnt habe. Da er dabei aber englisch gesprochen habe, habe der Angeklagte angefangen, sich aufzuregen. Im Bus habe dieser dann den Busfahrer angepöbelt, die Mutter des Zeugen und auch eine Frau, die als Fahrgast im Bus saß. Er selber sei aber nicht darauf eingegangen und ruhig geblieben.

„Ich habe gehofft, dass es keine Boxerei gibt“

Da er sich nicht an einzelne Äußerungen des Angeklagten erinnern konnte, verlas Richterin Giesen die polizeiliche Vernehmung, in der er die Beschimpfungen dezidiert aufgelistet hatte. Unter anderem sei er als „Nigger“ und „schwarzer Wichser“ bezeichnet worden. Das sei so richtig, jetzt könne er sich wieder erinnern, erwiderte der Zeuge.

Der Angeklagte sei aggressiv gewesen, hatte er damals bei der Polizei ausgesagt. Das bestätigte er. Er habe Angst gehabt und sich gefragt, wann es endlich vorbei sei, schilderte er die Stimmung im Bus ähnlich bedrohlich wie bereits die anderen Zeugen bei dem vorangegangenen Termin. „Ich habe gehofft, dass es keine Boxerei gibt“, sagte er.

Der Sachverhalt sei bewiesen, führte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer aus. Schon im Vorfeld habe es verbale Auseinandersetzungen gegeben, die sich dann im Bus hochgeschaukelt hätten. Das Kerngeschehen sei von den Zeugen übereinstimmend geschildert worden. Die Situation habe Angst gemacht.

Um als Volksverhetzung gewertet zu werden, müsse der Beleidigte sich selbst nicht subjektiv in seiner Menschenwürde verletzt fühlen. Es reiche, wenn dies objektiv geschehe. Sie forderte aus diesem Grund, den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen in Höhe von 60 Euro zu verurteilen.

Verteidigung sieht keine Volksverhetzung

Verteidiger Heinz-Willi Junker forderte dagegen einen Freispruch für seinen Mandanten. So habe der Busfahrer ausgesagt, dass sich auch der Zeuge im Ton vergriffen habe. Auch habe eine Zeugin sich nur an den Ausdruck „Nazi“ erinnert, der an den Zeugen gerichtet worden sei.

„Es ist fraglich, welche Ausdrücke gefallen sind. Es kann sich niemand konkret erinnern, so dass ich bezweifele, dass die Ausdrücke gefallen sind“, sagte Junker. Eine Volksverhetzung müsse mehr als eine Beleidigung sein, ansonsten ufere der Tatbestand aus.

In seinem Schlusswort betonte der Angeklagte, dass er keinesfalls ein Rassist sei. Er habe auch Freunde mit Migrationshintergrund, das sei für ihn kein Unterschied. Es sei schade, dass der Zeuge nicht mehr da sei, damit er ihm das sagen könne.

Das könnte Sie auch interessieren:

Zu 100 Tagessätzen von 50 Euro verurteilte Richterin Giesen den Angeklagten wegen Volksverhetzung und blieb damit nur wenig unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Sie habe keinen Zweifel, dass das Geschehen sich so ereignet habe, wie es angeklagt war. Schon das Angebot, dem Zeugen über die Straße zu helfen, sei herabwürdigend gewesen. Aus dem Mosaik der Einzelteile der Aussagen sei klar geworden, dass der Zeuge wegen seines Aussehens beleidigt worden sei. Alle Zeugen hätten Angst vor einer Eskalation gehabt, das reduziere die Wahrnehmungen.

Die Äußerungen erfüllten den Tatbestand der Volksverhetzung, da sie in einer alltäglichen Situation, der Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels, gefallen seien. „Das ist Unfrieden, das ist Unsicherheit“, so Giesen. Sie sei beeindruckt von der Zivilcourage, die hier gezeigt worden sei, lobte sie das Eingreifen der Zeugin in das Geschehen. Es stimme sie aber nachdenklich, so die Richterin, dass sie das so herausstellen müsse.