VogelsangDer Walberhof wurde vergessen – aus heidnischer Kultstätte hervorgegangen
Vogelsang – „Überall im Stadtgebiet hängen Tafeln, auf denen an die Geschichte erinnert wird, nicht aber am Walberhof. Dabei könnte man da was draus machen“, sagt der Gemünder Helmut Keutgen. Auch wäre es schön, den ausgetrockneten Weiher, der sich dort einmal befand, wieder zu befüllen. Keutgen hat eine besondere Verbindung zu diesem Ort: Sein Urgroßvater, Großvater und Vater lebten auf dem Walberhof nahe Vogelsang.
Der Olefer Alfred Käßbach war von Alfred Wolter aus Dreiborn, beide sind Mitglied im Geschichtsforum Schleiden, gebeten worden, einen Aufsatz über die Geschichte des Walberhofs zu schreiben. An keiner Stelle im Nationalpark werde nämlich auf dieses ehemalige Gehöft hingewiesen. Käßbach veröffentlichte im Jahresheft 2017 den sehr interessanten Aufsatz „Der Walberhof, eine alte Kult- und Hofstätte im Nationalpark Eifel“.
Von der alten Vierflügelanlage, die neben dem Wohnhaus Scheunen, Stallungen und Gesindehaus umfasste, steht nur noch das denkmalgeschützte Wohnhaus und – inzwischen kaum noch sichtbar versteckt hinter Gestrüpp – die Ruine des alten Backhauses. Es war ursprünglich in die Anlage integriert. Im Mauerwerk der Backhausruine sind noch zwei Teile eines Grabsteins von 1780 eingebaut. In der Ruine sind die Reste zweier Backsteinöfen erhalten. Links hinter dem Backhaus befand sich früher ein Weiher.
Keutgen ist den belgischen Militärs dankbar, dass sie dafür gesorgt haben, dass diese Relikte erhalten blieben. In das Wohnhaus drangen oft Vandalen ein und raubten alles, was an Metall zu Geld zu machen war. Das weiß der Architekt Klaus Freimark aus Scheuren zu berichten, der seit Jahren für die Nationalpark-Verwaltung arbeitet und dessen Großmutter Therese Keutgen auf dem Walberhof lebte. Das Haus wurde verriegelt – zu holen gibt es dort für Diebe ohnehin nichts mehr.
Laut Monika Elsen von der Stadt Schleiden ist der Walberhof als Bodendenkmal eingetragen. Denn auch unter der Erde werden Überreste aus vergangener Zeit vermutet.
Ungeklärter Ursprung
Der Walberhof liegt an der Weggabelung der alten Römerstraße von Köln nach Reims und einer Verbindung zur Römerstraße von Köln nach Trier. Es wird vermutet, dass vor etwa 1000 Jahren das keltisch-römische Mischvolk der Walburen den Hof Walburen gebaut hat. Nach einer anderen Version hat Papst Leo III 799 eine Taufkapelle „Walber im Ginster“ auf einem heidnischen Gräberfeld geweiht.
Nach wieder einer anderen Quelle hat Ludwig der Fromme, Sohn Karls des Großen, den Walbur- oder Walburnhof gegründet. Vermutlich im 12. Jahrhundert wurde eine vom Steinfelder Mönch Gedulfus auf einer heidnischen Kultstätte erbaute Kapelle „ad sanctum Walburgam“ genannt. Sie war die einzige Kapelle in der Grafschaft Schleiden.
Nur noch Mauerreste
Erst 1230 wurde die Schleidener Schlosskapelle gebaut, die 1317 zur Pfarrkirche erhoben wurde. „So war Walberhof nicht nur der einzige Ort, an dem das hl. Opfer gefeiert wurde, sondern er hatte auch die einzige geweihte Erde, in welche die Verstorbenen der umliegenden Ortschaften gebettet werden konnten“, schrieb Lehrer Raimund Schumacher aus Einruhr in seinem Aufsatz.
„Aus der Geschichte Wollseifens und des Walberhofs. Getauft wurde in der Walberhofer Kapelle noch bis 1600. Bei einem Besuch im Jahr 1679 fand der Steinfelder Abt Johann IV. Luckenrath nur Mauerreste.
Pafenweiher
Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Walberhof 1145. König Konrad III. von Hohenstaufen schenkte die Siedlung dem Kloster Steinfeld. Später wechselten die Besitzer. Alte Flurbezeichnungen um den Hof erinnern an die Steinfelder Mönche: Pafenboom, Pafensief oder Pafenweiher, wie der heute ausgetrocknete Weiher am Backhaus genannt wurde.
Nachdem Napoleons Truppen 1794 die linksrheinischen Gebiete besetzten, wurde der Walberhof mit damals rund 1000 Morgen Land als adliger Besitz der Schleidener Herren von Arenberg um 1800 an die Wollseifener Familie Mey verkauft. Durch Erbteilung reduzierte sich die Größe des Landes später auf etwa die Hälfte. Um 1800 kaufte Freifrau Julie von Nellessen aus einer Aachener Tuchindustriellenfamilie den Hof. Um 1840 soll es auf dem Gebiet des Walberhofs 1000 Schafe gegrast haben. Bis 1934 blieb das Gut im Besitz der Familie von Nellessen.
1880 verpachtete sie den Hof an die aus Eynatten bei Eupen stammende Familie von Leonhard Keutgen, später an dessen Sohn Viktor, Helmut Keutgens Großvater. Er wurde der letzte Pächter von Walberhof.
Ende durch die Nazis
Die Nazis läuteten das Ende des Walberhofs ein. Mit dem Bau der „Ordensburg Vogelsang“ erwarb die Deutsche Arbeitsfront 1933/34 den Hof, um dort einen Flugplatz zu bauen. 1938 wurde mit den Erdarbeiten begonnen.
Der Bagger stieß auf den aus schwarzem Schiefer bestehende Altarstein der einstigen Kapelle. „Vermutlich handelte es sich bei dem Fund um den ehemals heidnischen Kultstein, welcher später als Altarstein in der Kapelle Verwendung fand“, schreibt Käßbach in seinem Aufsatz. Den bedeutsamen Fund entsorgten die Nazis mit dem Bauschutt. Der Bevölkerung wurde dies verschwiegen.
Menschenknochen aus der Erde gewühlt
Helmut Keutgen besitzt eine Abschrift eines Artikels mit dem Titel „Aus der Chronik Eifeler Bauerntums“, erschienen im Januar 1934 im „Beobachter für die Kreise Monschau, Schleiden“. Der Verfasser ist nicht genannt.
Der Autor weist darauf hin, dass der Gottesdienst in der Kapelle Walberhof eingestellt wurde, nachdem es 1635 in Wollseifen eine Kirche gab. „Allem Anschein nach ist aber der bei der Kapelle gelegene Friedhof noch lange Zeit in Benutzung geblieben“, schreibt der Verfasser, „denn um die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts wurden dort Gebeinreste gefunden.“
Ein auf dem Walberhof lebender Förster habe in den 1830er Jahren berichtet, dass die Schweine des Öfteren menschliche Knochen aus dem Boden gewühlt hätten. Auch beim Umbau des Hofs in den 1860er Jahren habe man beim Ausschachten des Bodens in den Stallungen an der linken Straßenseite noch teils erhaltene Grabkammern mit Sarg- und Knochenresten gefunden. Der Autor: „Vielleicht waren es die letzten Grabkammern der bestatteten Mönche.“ (bk)
Gesang der Toten
Einst soll dort, wo heute die Reste des Walberhofs zu finden sind, einmal ein Kloster gestanden haben. Eine Sage berichtet, dass „in einer Kriegszeit“, als die Mönche sich in der Kirche zur Mette versammelt hatten, Soldaten die Tür einschlugen. Mit wilden Geschrei stürzten sie sich auf die frommen Männer und töteten alle und „trieben Spott mit den Erschlagenen. Dann plünderten sie das Kloster und steckten es in Brand“. Als die Soldaten abgezogen waren, begruben Leute aus der Nachbarschaft die Mönche.
Diese Sage wurde im Jahr 1934 von einem unbekannten Autor im „Beobachter für die Kreise Monschau, Schleiden“ aufgeschrieben. Er will sie von einem Lehrer Derichs aus Düren gehört haben. Danach erheben sich am Jahrestag dieses Schreckenstages um Mitternacht die Mönche aus der Gruft. In langen Reihen ziehen sie an die Stelle, wo die Kirche stand und stimmen Kirchengesänge an. „Dumpf klingt der Gesang der Toten durch die stille Nacht. Schon viele hörten den Gesang der Toten, und ihnen ward es schaurig zu Mute. Ist der Gesang verklungen, dann zieht die Schar zurück zur stillen Gruft.“ (bk)