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VogelsangÜberbleibsel zweier NS-Adler

Lesezeit 4 Minuten

Die jahrzehntelang verschollenen Reste der Adlerplastiken, die dem Vogelsanger "Adlerhof" den Namen gaben, wurden in der vergangenen Woche ebenso durch Baggerfahrer Stollenwerk ausgegraben wie der Tresor der Nazi-Kommandanten.

Kreis Euskirchen/Vogelsang – Der Untergrund der Baustelle am so genannten Adlerhof in Vogelsang barg eine Reihe von Überraschungen. Je weiter der Bagger letzte Woche in die Tiefe grub, desto interessanter wurden die Funde. Die Torsi zweier seit 1947 verschollener Adlerplastiken gelten als spektakulärste Entdeckungen bisher.

Eher als Gag am Rande dürfte der Fund des leeren Tresors der ehemaligen Nazi-Kommandanten gewertet werden. Aber weitere Überraschungen sind keineswegs ausgeschlossen, denn Hunderte Kubikmeter Schutt müssen noch abgebaggert werden.Gestern stellten Klaus Ring, Fachbereichsleiter Forschung in Vogelsang, und die Denkmalschutz-Gebietsreferentin Dr. Monika Herzog die neuesten Funde der Presse vor. Nun haben allerdings zunächst die Archäologen des Bodendenkmalschutzes das Sagen an der Baustelle.

Von Briten zerstört

Zwei Adlerplastiken wurden 1936, kurz nach der Fertigstellung des ersten Bauabschnitts, auf dem zentralen Innenhof des Kommandantur-Gebäudes der NS-Ordensburg aufgestellt. Sie waren vom Kölner Bildhauer Willy Meller angefertigt worden, der bis 1945 zahlreiche regime-typische Plastiken für die „Deutsche Arbeitsfront“ (DAF) fertigte. Die DAF war Bauherrin in Vogelsang. Eine dieser Plastiken zeigte jedoch zunächst nicht den geforderten majestätischen Hoheitsadler, sondern dieser Vogel kämpfte in gebeugter Haltung mit einer Schlange. Diese Plastik wurde alsbald durch einen dem Regime genehmeren Adler in stolzer, kämpferischer Haltung ersetzt. Beide Hoheitsadler standen sich vor der Kommandantur gegenüber und schauten zum Eingangstor.

Ein alliiertes Bombardement im Dezember 1944, bei dem der Kommandantur-Bau zerstört wurde, überstanden die Plastiken unversehrt. Seit den 1950er Jahren galten diese Plastiken als verschollen. Lediglich den Torso des Adlers, der mit der Schlange kämpfte und der zuvor vermutlich in einem Keller aufbewahrt wurde, präsentierten die ab 1950 in Vogelsang stationierten belgischen Truppen am Rande des Hofes.

Zwei Plastiken gaben ab 1936 – und seltsamerweise bis heute – dem Kernbereich der Nazi-Hochburg den Namen: Adlerhof. Die überlebensgroßen Greife waren vor dem Gebäude der ehemaligen Kommandantur aufgestellt als augenfällige Synonyme für den Machtanspruch des NS-Regimes. Das Kriegsende überstanden die Plastiken unbeschadet. Fotos belegen, dass sie 1947 beschädigt auf einem Haufen Bauschutt neben ihrem früheren Standplatz landeten.

Offenkundig hatten die britischen Besatzer diese Sinnbilder des Hitler-Regimes ebenso brachial entfernt wie beispielsweise Hakenkreuze. 1956 wurden die Adler zuletzt fotografiert. Danach verlor sich die Spur dieser Plastiken.

Die ab 1950 in Vogelsang stationierten belgischen Streitkräfte hatten lediglich den Torso eines anderen Adlers, der nur für kurze Zeit aufgestellt worden war, am Rande des Hofes niedergelegt.

Ein Zeitzeuge hatte vor Jahren angegeben, dass die verschwundenen Adler in einem „Bombentrichter“ auf dem „Adlerhof“ versenkt worden seien. Ein anderer gab an, die Adler seien unter einer Treppe verscharrt worden. Jedenfalls hatten die Verantwortlichen schon vorab die Hoffnung, dass beim Umbau des Hofbereichs einige Geheimnisse gelüftet werden könnten. Diese Hoffnungen wurden bei Weitem übertroffen.

Da seitlich am Adlerhof demnächst in zwei Geschossebenen zwei unterirdische Funktionsräume entstehen sollen, muss dort teilweise sehr tief gegraben werden: über elf Meter. Aber schon nach ersten Schürfungen stieß der Baggerfahrer auf die Überreste von Mauerwerk. Dabei handelte es sich um das vollkommen erhaltene Untergeschoss der ehemaligen Kommandantur, die 1937/38 baulich noch einmal massiv aufgewertet worden war. Das war eine Reminiszenz an die zahlreichen Parteiführer, die sich dort in regelmäßigen Abständen bei Parteifunktionärstagungen die Klinke in die Hand gaben.

In der britischen Phase (1945 bis 1950) wurde das aufstehende, ohnehin schwer beschädigte Mauerwerk abgetragen, der Schutt kam ins Untergeschoss. Statt der früher dort agierenden „Goldfasane“, wie die hauptamtlichen Funktionäre der NSDAP im Volksmund geschmäht wurden, flanierten fortan in dem Bereich leibhaftige Vögel: Die Belgier errichteten im ehemaligen Kommandantenbereich eine Fasanerie.

Unter anderem waren in dem ursprünglichen Bauwerk drei unterschiedliche Marmorfußböden verlegt worden. Teile aller drei Marmorarten konnte Ring sicherstellen.

Ebenso ergaben sich zahlreiche weitere Erkenntnisse. So scheint es im Untergeschoss einen kleinen Küchentrakt gegeben zu haben. Die Originalwand ist immer noch weiß gekachelt. In dem Bereich fand sich auch stapelweise emailliertes Alu-Geschirr und manches andere mehr.

Als Dekoration in England?

Am Donnerstag vergangener Woche fischte der Baggerfahrer dann den ersten Torso eines Adlers aus der Grube, der allerdings zerbrochen war. Am Samstag folgte der zweite Adlertorso, bis auf Kopf und Füße vollständig erhalten. Sämtliche Adlerköpfe blieben jedoch verschwunden. Klaus Ring vermutete gestern, dass die Köpfe als Trophäen den Garten eines britischen Landhauses zieren könnten.

Schließlich fischte der Baggerfahrer noch ein eher skurriles Teil aus dem Loch, das aber ehedem fest mit dem Haus verwachsen war: einen gesprengten, rostigen Tresor, der offensichtlich einmal den Burgkommandanten zur Verfügung gestanden hatte.

Darüber hinaus wurden schmiedeeiserne Geländer und vieles mehr entdeckt. Denkmalpflegerin Monika Herzog: „Alles, was wir hier finden, bringt uns viele Erkenntnisse zur Geschichte.“