Wolfgarten in Schleiden17 Monate Gefängnis nach jahrelangem Nachbarschaftsstreit
Schleiden-Wolfgarten – Überrascht sahen sich die Verteidiger Hagen S. Seipel und Heinrich Comes an, als Richterin Claudia Giesen am Mittwoch das Urteil gegen den 53-jährigen Mann aus Wolfgarten verkündete.
Mit einem Jahr und fünf Monaten Haft wegen gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr, Beleidigung in 22 Fällen und übler Nachrede setzte die Schöffenkammer das Amtsgerichts Schleiden am dritten Verhandlungstag den vorläufigen Schlusspunkt in einen Nachbarschaftsstreit und folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte dagegen Freispruch gefordert.
Im Gegensatz zu den Anwälten des Angeklagten sah die Kammer den Hauptvorwurf des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr als erwiesen an. In der Ortseinfahrt nach Wolfgarten war der Angeklagte einem 46-jährigen Nachbarn begegnet, der auf dem Fahrrad unterwegs war. Dabei sei er mit seinem Auto direkt auf seinen Nachbarn zugefahren, der nur mit einem Schlenker in den angrenzenden Seitenstreifen den Unfall verhindern konnte.
Bei einem Ortstermin Wolfgarten hatte sich die Kammer noch am Mittwochmittag einen Eindruck von der Stelle verschafft, an der die gefährliche Begegnung stattgefunden hatte.
Aussage gegen Aussage
Letztlich stand Aussage gegen Aussage. Der Angeklagte hatte ausgesagt, sein Nachbar sei mit seinem Rad auf ihn zugekommen, und er sei stehengeblieben und habe gehupt. Doch das Gericht wertete die Aussage des Fahrradfahrers als glaubhafter. Dagegen habe das Gericht weder die entlastende Aussage der Ehefrau des Angeklagten, die auf dem Beifahrersitz gesessen habe, noch den zahlreichen Bekundungen von Familienangehörigen verwertet, die von dem Geschehen nur aus den Berichten des 46-Jährigen gewusst hätten, machte Giesen in ihrer mündlichen Urteilsbegründung deutlich.
„Es ist selten, dass Nachbarschaftsstreits vor dem Strafrichter landen“, sagte Seipel in seinem Plädoyer. Von permanenten Beleidigungen und Gebrüll des Angeklagten hatten Zeugen immer wieder berichtet, so dass sie kaum noch die Vorfälle, die sie zur Anzeige gebracht hatten, von denen unterscheiden konnten, wo das nicht geschehen war. Das gehe seit Jahren so, berichteten sie übereinstimmend. Der Einlassung des Angeklagten, es handele sich dabei um eine Performance, erteilte Gießen in ihrer mündlichen Urteilsbegründung eine Abfuhr.
Kunstfreiheit
„Kunst umfasst einen Werk- und Wirkbereich und hat eine Bühne“, machte sie deutlich, warum die Freiheit der Kunst hier nicht zum Tragen komme. Diese dürfe auch provozieren, doch jeder könne entscheiden, ob er sich dem aussetzen wolle. Dies sei bei dem Angeklagten allerdings nicht der Fall. „Der Angeklagte stellt seine Interessen über die aller anderen, auch seiner eigenen Frau und Kinder“, machte sie deutlich. Der Angeklagte sehe sich als Opfer.
In seinem Schlusswort hatte der Angeklagte noch einmal Bezug auf seine während der Beweisaufnahme gegebene Einlassung genommen. „Hier laufen seit den 50er Jahren die Fäden der Neonazis aus ganz Deutschland zusammen“, sagte er über die Eifel, besonders über Vogelsang, „hier wurden Nazi-Schlächter ausgebildet“. Er sei Künstler und Wissenschaftler. Allerdings sei seine Performance eh tot, in einem Zivilprozess sei ihm Haft angedroht worden, wenn er damit weitermache. „Ich beleidige niemanden absichtlich, aber wenn sich jemand den Schuh anzieht“, sagte er, bevor Richterin Gießen ihn unterbrach.
In ihrem Urteil nahm sie Bezug auf die Äußerungen des Angeklagten über die Eifel. „Wir können in unserem Leben keine Anhaltspunkte dafür finden, dass diese Region radikaler ist als andere“, stellte sie fest. Eine Bewährung schloss sie aus. Zeugen hätten vor Gericht bekundet, dass auch während des Prozesses weiter Beleidigungen geäußert worden seien.
Die Verteidigung beabsichtigt, Rechtsmittel einzulegen.