Filme, Fotos und Interviews zeigt eine digitale Ausstellung des Stadtmuseums Euskirchen und des LVR zur Flutkatastrophe und ihren Folgen.
Online-AusstellungErschütternde Berichte aus der Flut in Euskirchen und Schweinheim
Karl Mohr, der am Herz-Jesu-Vorplatz in Euskirchen das Restaurant Donna Mia leitet, schilderte die Flutnacht im Juli 2021 so: „Und dann haben wir mit angesehen, wie unser Restaurant unterging. Und es ging sehr, sehr schnell, muss ich ehrlich sagen, weil das Wasser von allen Seiten dann in dieses Loch schoss. So 40, 50 Minuten, dann war alles weg.“
Mohr weiter: „Und dann haben wir uns in mein Auto gesetzt und haben die ganze Nacht in meinem Auto verbracht und es hat die ganze Nacht gewackelt. Ich muss ehrlich sagen, ich habe schon lange nicht mehr so viel gebetet wie in dieser Nacht. Und Papa, Mama, die da oben sind, haben auch auf mich aufgepasst.“
Das Stadtmuseum Euskirchen und der LVR interviewten 29 Zeitzeugen
Der Gastronom ist einer von 29 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die sich für ein Forschungsprojekt des Stadtmuseums Euskirchen und des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) interviewen ließen. Ihre Antworten sind nun Bestandteil einer digitalen Ausstellung mit dem Titel „So was haben wir noch nicht erlebt“, die am Mittwoch im Internet freigeschaltet worden ist.
Es handelt sich um eine multimediale Publikation, die auf beeindruckende Art zum Teil erschütternde Berichte, Fotos, Filme und Landkarten vereint – das authentische und intensive Zeugnis einer Ausnahmesituation, wie das Museum es formuliert. Die Federführung bei der Umsetzung des beeindruckenden Konzepts hatten Museumsleiterin Dr. Heike Lützenkirchen und Giulia Fanton vom LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte. Sie stellten die Ausstellung am Dienstagabend im Casino einem rund 180-köpfigen Publikum vor.
Die Ausstellung hält ein besonderes Ereignis der Euskirchener Geschichte fest
Dank des Datenmaterials wird ein besonderes Ereignis der Stadtgeschichte festgehalten und für die Nachwelt bewahrt, wobei sich die Wissenschaftlerinnen auf die Kernstadt und den Ortsteil Schweinheim konzentrierten, wo die Flut so gut wie alle der 400 Einwohnerinnen und Einwohner traf.
In dem kulturanthropologischen Forschungsprojekt geht es nicht nur darum, wie die Betroffenen die Flut am 14. Juli 2021 und in der Nacht danach erlebten und wie sie mit der Naturkatastrophe umgingen. Beleuchtet wird auch die Frage, wie sich das Ereignis in der Folge auf den Alltag der Menschen und die soziale Gemeinschaft auswirkte. Lützenkirchen erzählte, wie das mehr als zwei Jahre währende Projekt seinen Anfang genommen hatte.
Schon recht kurz nach der Flut kaufte sie häufiger in der Filiale der Bäckerei Mauel in der Euskirchener Neustraße ein – „das einzige Geschäft in der Fußgängerzone, das nicht zerstört worden war“. Dort hätten Kunden, die die Katastrophe erlebt hatten, „die wahnsinnigsten Geschichten erzählt, so dass ich ihnen am liebsten gleich ein Mikrofon unter die Nase gehalten hätte“. Die Gespräche mit den 29 Frauen und Männern, die sich zum Mitmachen bereit erklärten, führte Giulia Fanton.
Die Wissenschaftlerinnen waren auch bei Dorffesten in Schweinheim dabei
Die Wissenschaftlerinnen begleiteten ihre Gesprächspartner weit über die Zeit unmittelbar nach der Flut hinaus, etwa bei Dorffesten und anderen Veranstaltungen in Schweinheim. Fanton sprach im Casino von vielen herzlichen Begegnungen. Lützenkirchen dankte den Beteiligten für deren authentische und anrührende Berichte, LVR-Kulturdezernentin Dr. Corinna Franz „für Vertrauen und Offenheit“.
Das Stadtmuseum hatte die Bevölkerung schon recht kurz nach der Katastrophe ermuntert, Fotos und Filme einzureichen, die das Geschehen dokumentieren. Die Dateien – 2500 an der Zahl – werden im Stadtarchiv aufbewahrt. Einen Teil davon integrierten das Museum und der LVR in die Ausstellung.
Der Euskirchener Bürgermeister lobt den Zusammenhalt der Betroffenen
Die Zusammenstellung erinnere an „eine zerstörerische Naturgewalt, die man nicht für möglich gehalten hätte“. Sie zeuge von Existenzängsten und Verlusterfahrungen, sagte Frenz. Sie halte aber auch die Erinnerung wach an die Solidarität und die Hilfe aus ganz Deutschland, die der Flutregion zuteilgeworden sei.
Auf die positiven Aspekte verwies auch Bürgermeister Sacha Reichelt: Die Katastrophe habe den Betroffenen lange Geduldsproben und große Kraftanstrengungen abverlangt. „Sie zu bewältigen, ist am besten dort gelungen, wo Menschen sich zusammengeschlossen und gegenseitig unterstützt haben.“ Dort sei der Zusammenhalt nun besser als zuvor.
Die digitale Ausstellung führt das Publikum virtuell durch ein Foyer und durch fünf Räume. Dargestellt werden darin Grundlagen sowie das Erleben der Katastrophe, ihre Auswirkungen, die Bewältigung und die langfristigen Folgen.
Die Besucher können einer vorgeschlagenen Route folgen, aber auch von ihr abweichen und stets „überallhin navigieren“, sagte Fanton. Es sei möglich, vertiefende Informationen abzurufen, Filme abzuspielen oder Bilder zu vergrößern, illustrierte sie die Vielfalt des Konzepts. Auch lasse sich der Besuch der Ausstellung an jeder beliebigen Stelle unterbrechen und später fortsetzen.
Die digitale Präsentation ist abrufbar über die Homepage des städtischen Kulturhofs und die Reiter „Museum“ und „Ausstellungen“.